Auf Stuttgarts Straßen kann es voll werden. Das führt zu Umweltbelastungen. Die Landesregierung setzt auf Fahrverbote für besonders dreckige Diesel-Fahrzeuge. Foto: dpa

Im Kreise der Länderverkehrsminister haben Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge keine Chance. Sie gelten als sozial ungerecht und schwer zu kontrollieren.

Berlin - Die Länderverkehrsminister können sich mit Fahrverboten und der blauen Plakette kaum anfreunden. Eine Umfrage unserer Zeitung zeigt, dass sie sich dabei auf sehr unterschiedliche Argumente stützen. Vor allem in Ostdeutschland werden soziale Aspekte als Begründung herangezogen. „Wir meinen, dass Fahrverbote Bürger mit geringem Einkommen sowie kleinere Betriebe vor hohe finanzielle Herausforderungen stellen würde“, heißt es zum Beispiel im thüringischen Verkehrsministerium. So argumentiert auch Thomas Webel (CDU), der Verkehrsminister Sachsen-Anhalts. „Besonders kleine und mittlere Unternehmen wären von solchen Einschränkungen betroffen, die im Falle der Einführung der blauen Plakette für Dieselfahrzeuge drohen“, sagte er. Ein Ersatz vorhandener, mitunter nur wenige Jahre alter Fahrzeuge würde „zu völlig unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen der Firmen führen“. Es könne nicht Ziel von Politik sein, „dass Handwerksbetriebe nahezu ihre gesamte Fahrzeugflotte austauschen müssen, um weiterhin in den Innenstädten Aufträge erledigen zu können“. So bestrafe man Unternehmen, „die auf die Langlebigkeit und Sparsamkeit von Dieselantrieben gesetzt haben“.

„Fragwürdig und unverhältnismäßig“

Andere argumentieren eher mit dem bürokratischen Aufwand. Niedersachsens Olaf Lies (SPD) sieht eine „mangelnde Praktikabilität bei der Umsetzung“ und meint damit vor allem die Schwierigkeiten bei der Kontrolle. Im rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium, das vom Freidemokraten Volker Wissing geführt wird, hält man die Wirkung der Einführung einer blauen Plakette für „fragwürdig und der Erfüllungsaufwand unverhältnismäßig“. Es hätten sich doch bereits die eingeführten Umweltzonen „als weitgehend wirkungslos erwiesen“. Sie hätten nämlich „allenfalls marginale Auswirkungen auf die Stickoxid-Emissionen“. Dagegen sei zu bedenken, dass die Zahl der Diesel-Fahrzeuge ohne Euro-6-Norm kontinuierlich sinke. Auf einen anderen, ebenfalls sehr praxisbezogenen Punkt weist der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hin. Bayern werde gemäß den Vorgaben Herrmanns erst dann entscheiden, wenn anhängige Gerichtsverfahren, etwa vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, abgeschlossen seien, sagte eine Sprecherin unserer Zeitung.

Bleibt die Frage nach Alternativen. Michael Groschek (SPD), der nordrhein-westfälische Verkehrsminister, setzt da auf folgende Vorfahrtsregeln: Bis 2030 soll die deutsche Linienbus-Flotte abgasfrei sein. Zudem will er die Paketdienste „auf der letzten Meile nur noch e-mobil liefern lassen“. Für Handwerks- und Taxigewerbe will er die „Umstellung fördern und fordern“ und die Innenstädten noch Fahrrad-tauglicher machen.

Hessen findet die Blaue Plakette gut

Zuspruch erhält die baden-württembergische Landesregierung, dort, wo die Landes-Verkehrsminister auch unmittelbar für den Umweltschutz zuständig sind. Regine Günther, die parteilose Berliner Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sagte unserer Zeitung. „Wir setzen langfristig wie Baden-Württemberg auf die blaue Plakette, um die besonders dreckigen Dieselfahrzeuge aus der Innenstadt herauszuhalten.“ Kurzfristig sei Berlin dabei, „die Straßenabschnitte zu identifizieren, bei denen Tempo 30 helfen könnte, die Stickoxid-Belastung zu reduzieren“. Zustimmung kommt auch aus Hessen, wo das Verkehrsministerium die Antwort auf unsere Anfrage direkt an das Umweltministerium weiterleitete. Dort hieß es dann, das baden-württembergische Vorgehen sei „ein deutliches Zeichen dafür, dass auch unliebsame Maßnahmen umgesetzt werden müssen, um die geltenden Grenzwerte einhalten zu können“. Hessen finde jedenfalls die blaue Plakette „gut“. Auch „tageweise uns streckenbezogene Fahrverbote“ könnten „sehr wirksam“ sein.

Dass sich innerhalb der Bundesregierung die Meinungsverschiedenheiten zwischen Umwelt- und Verkehrsministerium bald ausräumen lassen, gilt als wenig wahrscheinlich. Auf Fachebene läuft aber der Dialog weiter. Ende März treffen sich in Berlin die Verkehrs- und Straßenbau-Abteilungsleiter der Länder. Hintergrund der Beratungen ist das 2015 von der EU- eröffnete Vertragsverletzungssverfahren aufgrund von Grenzwertüberschreitungen bei Stickstoffdioxid in 29 Gebieten Deutschlands.