Sioux-Schuh in Anlehnung an die Mokassins der Indianer Foto: factum/Granville

Lange Jahre war es still um den Schuhersteller Sioux. Die Firma galt als beschaulich, die Marke als leicht angestaubt. Doch derzeit sind die Walheimer in aller Munde – dank einer Marketingoffensive und des aufsehenerregenden Streits mit dem deutschen Olympia-Bund.

Unternehmen - Die Wiederauferstehung von Sioux beginnt in der hintersten Ecke der Berliner Fashion Week. Hier, im dritten Stock eines Berliner Lagerhauses, hat der Marketingleiter Rainer Pfeiffer im Juli 2015 auf den letzten Drücker einen Stand ergattern können. Pfeiffer und sein Team bauen die Vitrinen auf, legen die aktuellen Modelle in die Auslage und hoffen auf ein bisschen Resonanz. Noch nie war Sioux auf der internationalen Modemesse in Berlin vertreten. Warum auch? Bei den Kunden und den Einkäufern der Branche gelten die Walheimer als solide, aber bieder: Lederschuhe in braun, schwarz, grau – gemacht für den Gang ins Büro oder die nächste Familienfeier. Aber sonst?

Sioux-Gründer Peter Sapper kreiert 1964 den Grashopper. Einen komfortablen Mokassin aus gutem Leder mit dicker Kreppsohle für den Alltag des modebewussten Mannes. Über die Jahre verliert das Modell jedoch seine Status als Kassenschlager – bis zur Fashion Week 2015. Auf der Mode-Messe präsentiert Sioux den Grashopper in bunten Farben, mit neuen Materialien, gewissermaßen als Walheimer Beitrag zum Trend der Sneaker. Um den Stand in der Ecke drängen sich die Besucher, Großhändler wollen tausende Paare bestellen. Allein, das geht nicht.

Von 2000 auf 60 000 verkaufte Paar

Denn eigentlich hat Sioux die vielen geplanten Varianten im Sommer 2015 noch gar nicht vorrätig. Pfeiffer und der Geschäftsführer Lewin Berner sind mit eine Gruppe von Lehrlingen nach Berlin gefahren, um ihre Ideen zu präsentieren, auch gegen die Zweifler im eigenen Haus. Und plötzlich verlangt der Markt nach dem Grashopper. In Windeseile werden die Modelle entworfen, die Serienproduktion beginnt. Im Sommer 2016 gibt es den Grashopper in 100 verschiedenen Ausführungen – mit leichter Gummisohle etwa, aus buntem Stoff, in Schwarz-Rot-Gold. 60 000 Paar wurden zuletzt verkauft, im gesamten Jahr 2015 waren es 2000.

Aber der Erfolg kommt nicht zufällig. Nach Jahren, in denen Sioux fast kein Geld in Marketing, in Neuentwicklungen und zeitgemäßes Design investierte hatte, öffnete der Chef Berner die Firmenschatulle. „Feel the Indian Spirit“ lautet der Leitspruch, mit dem die Marke „zurück zur eigenen Identität“ will, wie es 42-jährige Geschäftsführer formuliert. In wichtigen Modemagazinen ist Walheim jetzt präsent, über 60, meist ganzseitige Anzeigen hat Sioux geschaltet. Wie viel er dafür ausgegeben hat, will Berner nicht sagen, es sei aber über eine Million Euro mehr als noch im Jahr 2015. Auch das Internetportal, der Online-Shop und die Auftritte in den sozialen Medien wurden komplett überarbeitet.

Möglich wurde diese auch, weil Sioux keine Schulden mehr hat. 2009 kaufte Lewin Berner mit seiner Investmentfirma Square Four die bankrotte Schuhfabrik vom Insolvenzverwalter. Mit rund 45 Gläubigern verhandelte der neue Chef, jetzt gehört Sioux fünf Gesellschaftern, einer von ihnen ist Berner selbst. Drei Tage die Woche ist er in Walheim, den Rest in Frankfurt bei Square Four. Ist man mit dem Chef in der Firma unterwegs, merkt man, dass Sioux nicht irgendeine Beteiligung für den Investor ist. Klar ist aber auch: Die Zahlen hat Berner stets im Blick.

Ohne Schulden bei den Banken

Zwei unrentable Outlet-Standorte hat er geschlossen, einen Vertrag mit der Marke Joop, unter deren Lizenz zusätzlich produziert wurde, gekündigt. Seit rund 30 Jahren stellt Sioux seine Schuhe nicht mehr in Walheim her, rund 200 Mitarbeiter sind im eigenen Werk in Portugal angestellt. Auch in Italien und Indien lässt das Unternehmen fertigen. „Deutschland hat sich da herausgepreist“, sagt Lewin Berner und meint: andernorts kann er geringere Löhne zahlen. Ein nicht unerheblicher Faktor, die Schuhproduktion ist bei Sioux immer noch größtenteils Handarbeit.

Neben der Marketing-Offensive haben auch die Olympischen Sommerspiele 2016 ihren Anteil an der wiedergewonnenen Popularität. Seit 44 Jahren rüstet Sioux deutsche Athleten aus – doch erst das Ende dieser Zusammenarbeit verursachte öffentlichkeitswirksamen Wirbel (siehe Artikel rechts). In rund 40 Medien wurde über den Streit zwischen Sport und Mode, zwischen Sioux und Deutschen Olympischen Sportbund – auch zwischen gut und böse – berichtet. Hier das sympathische kleine Unternehmen wider dem olympischen Gigantismus, dort die in Korruptionsverdacht geratene Funktionärskaste.

„Wir haben das definitiv nicht vorausgesehen“, sagt Lewin Berner. Eine halbe Stunde, nachdem die Pressemitteilung im August verschickt war, stieg er in den Zug und fuhr in den Urlaub.