Häufig haben Kinder Probleme mit dem Kreuz – Oft sind nicht die Ranzen zu schwer, sondern die Muskeln zu schwach Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Kreuzweh, krumme und steife Wirbel – was nach Alters-Zipperlein klingt, plagt schon Kinder. Doch Schonung und Ruhe schaden mehr, warnen Experten. Besser ist es, wenn Eltern den Kindern den Rücken stärken – und sie ins Freie zum Spielen und Herumtollen schicken.

Frankfurt/Stuttgart - Schulkinder sehen von hinten immer ein wenig aus, wie kleine Kastenmenschen. Hinter einem großen Ranzen schauen nur noch Beine und Arme hervor. Da fragen sich Eltern oft, ist das eigentlich noch gesund, was die Kinder da auf dem Rücken tragen? Hersteller von Schulranzen haben längst auf diese Sorgen reagiert: Jetzt, vor den Ferien, vor der nächsten Welle an Kindergartenkindern, die im September eingeschult werden, werben sie wieder mit Ranzen, die so geformt sein sollen, dass sie Schülern Rückenprobleme ersparen.

Doch bevor Eltern von ABC-Schützen für ein besonders rückenfreundliches Modell tief in die Tasche greifen, geben Orthopäden schon Entwarnung: Es gibt nach wie vor keinen wissenschaftlich basierten Grund für den Glauben, dass zu schwere Schultaschen Rückenleiden bei Kindern verursachen. „Selbst ein schwerer Ranzen wird eine gesunde kindliche Wirbelsäule nicht schädigen, dazu wirkt das Gewicht zu kurz auf den Rücken ein“, sagt etwa der Orthopäde Eduard Schmitt von der Initiative „Kid Check“ der Universität des Saarlandes, die Haltungsfehlern im Kindesalter vorbeugen will.

Die Grafik zeigt, worauf man beim Schulranzenkauf achten muss

Die übliche Faustformel, nie mehr als zehn Prozent des eigenen Gewichtes in Form von Büchern in die Tasche zu packen, ist veraltet: So kann die Schultasche ruhig bis zu 20 Prozent des Körpergewichts wiegen – sofern der Rücken des Kindes gesund ist.

Problematisch ist nur: Viele Wirbelsäulen von Kindern sind offenbar nicht mehr gesund. So gibt es Studien, in denen 60 Prozent der befragten 18- bis 19-Jährigen angaben, im Laufe ihrer Jugend schon einmal Rückenschmerzen gehabt zu haben. Diese Zahlen hält Matthias Manig, Oberarzt an der Orthopädischen Universitätsklinik Friedrichs-heim in Frankfurt, für durchaus für realistisch. Nach seiner Erfahrung als Kinderorthopäde treten Rückenschmerzen bei Kindern meist im Alter von 13 bis 15 Jahren auf. „Und die sollten in jedem Fall fachärztlich abgeklärt werden“, sagt Matthias Manig.

Viele Kinder haben eine schlechte Haltung

Ob allerdings es sich dabei um eine tatsächliche Zunahme der Beschwerden handelt, oder in erster Linie ein verstärktes Bewusstsein für das Problem, sei allerdings nicht so ganz klar. „Dazu fehlt es an Langzeituntersuchungen“, sagt Manig. Fakt ist aber, dass alarmierend viele Kinder schon Haltungsschwächen aufzeigen, die durchaus später im Erwachsenenalter zu schmerzhaften Rückenleiden führen können.

Kollegen, wie der Orthopäde Eduard Schmitt von „Kid Check“ sind sogar der Meinung, dass Haltungsschwächen auch Einfluss auf die schulischen Leistungen haben: Bei einer krummen Wirbelsäule verkleinere sich auch der Brustkorbumfang, was das Atmen erschwert. Die Sauerstoffversorgung werde schlechter, was zu Konzentrationsstörungen führen könne.

Ob allein mit Sätzen wie „Sitz gerade“, „Stell Dich doch mal aufrecht hin“ viel dagegen auszurichten ist, bleibt offen. Auch Eltern zu ergonomischen Möbeln, Sitzbällen oder Tischen mit gekippter Schreibplatte zu raten, um ihre Kinder auf der sicheren Seite zu wähnen, ist nach Meinung von Matthias Manig nicht die alleinige Lösung von kindlichen Rückenproblemen. „Dazu weiß man einfach noch zu wenig über die Ursachen, warum manche Kinder eine schlechte Haltung entwickeln und andere nicht.“

Schadet das Sitzen, gebeugt über Hefte und Bücher dem Kind?

Neben offensichtlichen Risiken wie etwa Übergewicht, machen manche Orthopäden das stundenlange Sitzen, gebeugt über Bücher und Hefte für die Rückenprobleme verantwortlich. Tatsächlich bilden viele Kinder im Teenageralter einen Rundrücken aus. Darunter verstehen Experten die extreme Krümmung der Wirbelsäule im Brustbereich. Kopf und Schultern sind dabei nach vorne geneigt. Die Wirbelkörper haben sich unsymmetrisch entwickelt und verknöchern in dieser ungesunden Form, die ab einem gewissen Grad nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Allerdings, so wendet Matthias Manig ein, kann auch eine Wachstumstörung der jugendlichen Wirbelsäule wie der Morbus Scheuermann zu so einem Haltungsfehler führen.

Der einzige Rat, bei dem sich alle Experten einig zu sein scheinen, ist zugleich der simpelste von allen: „Das Wichtigste ist, dass Kinder außerhalb der Schulzeiten in Bewegung bleiben“, sagt Manig. Wie, das sei egal. Es braucht keine besonders rückenfreundliche Sportart wie Ballett, Schwimmen oder Reiten. Es reiche, die Kinder zum Herumtoben ins Freie zu schicken. „Hauptsache sie haben Spaß daran.“

Und eines sollten Eltern doch überdenken: Nämlich ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren. So haben die saarländischen Experten von „Kid-Check“ bei ihren Untersuchungen festgestellt, dass Kinder, die – auch mit dem vermeintlich zu schweren Ranzen – zur Schule laufen, weniger Rückenschmerzen haben als Kinder, die den Schulweg mit Bus, Bahn oder eben dem elterlichen Auto zurücklegen.