Die Erfolgsaussichten vor US-amerikanischen Gerichten hängen von der Darbietung ab: Robert Downey jr., Robert Duvall und Dax Shepard (v. li.) in „Der Richter: Recht oder Ehre“ - weitere Bilder in unserer Bildergalerie! Foto: Verleih

Robert Downey jr. und Robert Duvall treffen sich auf Augenhöhe in einem großen amerikanisches Familienepos und Gerichtsdrama: Der 83-Jährige Duvall („Der Pate“, „Twilight Zone“, „Apocalypse Now“) empfiehlt sich hier für einen zweiten Oscar.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Der Richter – Recht oder Ehre"

Robert Duvall war in „Der Pate“ zu sehen, in „Twilight Zone“, „Mash“, George Lucas’ Debüt „THX 1138“ – und er hat in „Apocalypse Now“ den legendären Satz gesagt: „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen.“ 1984 gewann er mit „Tender Mercies“ seinen bislang einzigen Oscar als abgehalfterter Country-Sänger, nun könnte ein weiterer dazukommen: Wie er rechtet, laviert und trotzt als gestrenger Richter, der am Abend seines Lebens in eine existenzielle Krise gerät, ist schlicht Weltklasse.

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Da verschlägt es manchmal sogar Robert Downey jr. als lange verlorenem Sohn des Richters die Sprache, der sich hier nach „Iron Man“ und „Sherlock Holmes“ fürs Charakterfach empfiehlt. Federleicht spuckt er als Star-Anwalt Hank juristische Wortkaskaden aus, die auf seine Gegenüber niedergehen wie Kugelhagel, und spielt auf unwiderstehliche Art mit Emotionen.

Die Mutter ist gestorben, der Sohn kehrt nach 20 Jahren aus der Metropole zurück in seine Kleinstadt, die er als provinziell verachtet. Er will keine Minute länger bleiben als nötig, auch weil sein Vater ihn mit Nichtachtung straft. Doch am Tag der Beerdigung überfährt der alte Richter, als Honoratior hoch geachtet, einen frisch haftentlassenen Mörder, der ihn einst düpiert hat. Bald sitzt er auf der Anklagebank, nach einem Fehlversuch mit einem unfähigen Pflichtverteidiger widerwillig den Sohn an seiner Seite. Es beginnt ein Tauziehen um die Wahrheit oder zumindest eine Version davon, die Geschworene überzeugen könnte – dem Richter nämlich ist Ehre wichtiger als Freiheit.

„Der Richter“ ist beides: großes amerikanisches Familienepos und großes amerikanisches Gerichtsdrama. Familiäre Dynamik entfaltet sich außer zwischen Vater und Sohn vor allem zwischen den drei Brüdern. Hank hat einiges erlebt mit dem älteren Glen (Vincent D’Onofrio), dem Reifenhändler, der ein Baseball-Star hätte werden können, der friedliche Autist Dale (Jeremy Strong), der die Super-8-Kamera als Schutzschild nutzt, hat gesamte Familiengeschichte dokumentiert und archiviert. Und dann ist da noch Hanks gewitzte Ex-Freundin Sam (Vera Farmiga), die er einst sitzen ließ und die nun eine 20-jährige Tochter hat.

Je länger er bleibt, desto stärker wirkt die Provinz auf Hank wie ein sich allmählich scharfstellender Spiegel: Irgendwann erkennt er sich als selbstgefälligen Winkeladvokaten ohne Moral, der seine Fähigkeiten rein egoistisch einsetzt. Wunderbar unaufgeregt, ohne große Worte und mit präzisem Timing vollzieht Downey die Transformation. Genau wie Duvall die des Richters, der zusehends auftaut, je klarer sich herauskristallisiert, was zum Zerwürfnis geführt hat.

Wie es vor Gericht zugeht in den USA, wie dort Seelenverkäufer Recht manipulieren und biegen, hat man schon oft gesehen in Meisterwerken wie „Die zwölf Geschworenen“ oder „Zeugin der Anklage“ (beide 1957). Neu ist hier die Innenperspektive, die dadurch entsteht, dass der Angeklagte Richter ist und sein eigener Sohn ihn verteidigt. Zudem konnte Dobkin für die Rolle des Anklägers Billy Bob Thronton („Monster’s Ball“) gewinnen, der Downey kalt lächelnd ein erbittertes Duell liefert beim Buhlen um die Gunst der Geschworenen.

Hätte Dobkin gegen Schluss auf allzu melodramatische Anflüge verzichtet und nach zwei Stunden zum Ende gefunden, sein Film hätte ein ganz großer werden können. Sehenswert ist er allemal.

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