Von Hohenacker führt nun ein direkter Weg nach Neustadt und zum Bahnhof. Foto: Gottfried Stoppel

Den Stuttgartern hat es an Platz gefehlt, um ihren Müll zu lagern, bei den Waiblinger Wengertern war das Geld knapp. So kommt es, dass die Stadt Stuttgart seit mehr als 100 Jahren im Besitz eines 14 Hektar großen Gebiets auf Waiblinger Markung ist. Nun ist ein Teil davon für Fußgänger und Radfahrer zugänglich.

Waiblingen - Über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten wurde im Tal des Erbachs zwischen den Ortsteilen Neustadt und Hohenacker all das abgelagert, was bei den Stuttgartern in der Mülltonne landete. Das Areal der Deponie war in dieser Zeit Sperrgebiet – Durchgang strengstens verboten. Seit Montag ist nun eine Teilfläche von knapp fünf Hektar für Fußgänger und Radler zugänglich. Quer durch diesen Abschnitt führt ein Weg, der die Ortsteile Neustadt und Hohenacker miteinander verbindet. Die restlichen knapp acht Hektar bleiben bis auf Weiteres tabu, ein Zaun grenzt diese Fläche ab.

In den Anfangsjahren der Deponie, so erklärte der Stuttgarter Bürgermeister Dirk Thürnau am Montag anlässlich der teilweisen Öffnung des Geländes, hätten Pferdegespanne den Abfall zum Bahnhof in Stuttgart gebracht. Dort wurde das Sammelsurium aus Haus- und Gewerbemüll in Eisenbahnwaggons geladen und nach Waiblingen transportiert. Über Förderbänder sei der Abfall anschließend auf der Deponie gelandet. „Wertstoffe wie Blech, Eisenschrott, aber auch Knochen, alte Schuhe, Glasscherben und Lumpen wurden von Hand aussortiert – es gab also schon damals Recycling“, erzählte Thürnau bei der Eröffnungsfeier.

Rund 2,2 Millionen Kubikmeter Abfall türmen sich nach den Angaben des Stuttgarter Bürgermeisters unter dem inzwischen begrünten Gelände. Der größte Teil davon hat sich in den Jahren von 1903 bis 1965 angesammelt. Was genau im Untergrund verrottet, das weiß indes niemand.

Viele Tausende, vielleicht sogar Millionen Plastiktüten, steckten wohl im Müllberg, mutmaßt der Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky: „Niemand weiß aber genau, was wo liegt und wie dieses mit den Umgebungsstoffen in großer Tiefe reagiert.“ Eine Tatsache sei, dass in manchen Bereichen der Deponie nach Jahrzehnten noch Gase austräten, die über eine Anlage entsorgt werden. Unerwartet austretendes Gas war auch der Grund, wieso die Fläche der Müllhalde nicht wie ursprünglich geplant bereits zum Anfang des Jahres 2011 teilweise geöffnet werden konnte.

„Zum heutigen Zeitpunkt kann nicht genau vorhergesagt werden, wann die gesamte Deponiefläche für die Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden kann“, so Andreas Hesky. Die Öffnung des Verbindungswegs sei aber eine große Erleichterung für Pendler, die zum Bahnhof wollten: „Das Fernziel ist, dass die Deponie eine Naherholungsfläche für die beiden Ortschaften und die gesamte Stadt wird.“

Auch bei der Stadt Stuttgart geht man davon aus, dass in Sachen Deponie Erbachtal ein langer Atem gefragt ist. 91 Jahre lang wurde Abfall abgelagert, die Phase der Stilllegung hat sich über 19 Jahre hingezogen und der sogenannte Nachsorgezeitraum ist auf 30 Jahre veranschlagt. Die Baukosten für den Deponieabschluss, bei dem der Abfallberg zum einen mit Lehm und zusätzlich mit Kunststofffolie abgedichtet wurde, bezifferte Dirk Thürnau mit rund 14,7 Millionen Euro. Weitere 19,4 Millionen Euro sind veranschlagt, um die Deponie Erbachtal bis voraussichtlich zum Jahr 2043 zu überwachen und die baulichen Einrichtungen auf dem Gelände zu warten und zu pflegen. Zu letzteren gehören zum Beispiel 68 Schächte, in denen das Oberflächen- und Sickerwasser sowie Abwasser und Deponiegas gefasst und kontrolliert werden.