Das barocke Uhland-Haus in Tübingen gehört zu den fünf Preisträgern. Foto: Bernd Hausner

In Tübingen sind private Eigentümer mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet worden. Sie haben es trotz mancher Tücken gewagt, ein historisches Gebäude zu sanieren – und sie ermuntern alle, es ihnen nachzutun.

Tübingen - Rund 90 000 denkmalgeschützte Gebäude gibt es in Baden-Württemberg, und dazu zählen eben nicht nur Burgen, Fachwerkhäuser und Klöster. Wie unglaublich vielfältig Baukunst sein kann, zeigt erneut der Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg, der am Dienstag in Tübingen verliehen worden ist. Unter den fünf Preisträgern sind eine Tankstelle aus den 50ern in Tettnang, ein 400 Jahre alter Gutshof im Schwarzwald und ein ehemaliger Wasserturm der Bahn in Heidelberg. Früher tankten die Dampfloks dort Wasser, heute hat das Architekturbüro Aag seinen Thinktank im 30 Meter hohen Klinkerturm. Das Gebäude bildet den Mittelpunkt des neuen Quartiers Bahnstadt.

Vor dem Festakt konnten die 250 Gäste hinüber in die Tübinger Neckarhalde pilgern und das Geburtshaus des Dichters und Politikers Ludwig Uhland besichtigen, das zwischen Stift und Schloss liegt. Auch dieses barocke Haus von 1772 gehört zu den Preisträgern. Tübingens OB Boris Palmer mischte die getragene Veranstaltung im „Museum“ mit einem ketzerischen Grußwort auf, in dem er den Denkmalschützern vorwarf, sie würden zu oft schöne alte Häuser zum Abriss freigeben und gleichzeitig die effiziente Sanierung hässlicher Betonklötze durch übertriebene Auflagen verhindern. Daneben stellte er die These auf, die städtische Wohnungsgesellschaft GWG habe Uhlands Geburtshaus verkaufen müssen, weil die Mieter nicht bereit gewesen seien, höhere Mieten zu bezahlen. So habe sich die Restaurierung nicht gerechnet.

Schöner und günstiger als ein Neubau

An diesem Haus lässt sich gut zeigen, wie schwierig und gleichzeitig wie erfüllend Denkmalschutz sein kann. Denn Wohnungsgesellschaften müssen wirtschaftlich denken, und auch die Kommunen haben nicht die Finanzkraft, jedes denkmalgeschützte Haus zu erwerben. In Tübingen aber ereignete sich ein Glücksfall. Fünf Privatpersonen, darunter einige Mieter, taten sich zusammen. Und Simone Korolnik widersprach jetzt Palmer. Natürlich hätten sie höhere Mieten gezahlt, aber das habe nicht genügt. „Wir waren alle der Meinung, ein Kulturdenkmal dieser Ordnung muss in öffentlichem Besitz bleiben“, sagt sie.

Doch dann wagten sie sich daran, das heruntergekommene Haus auf Vordermann zu bringen. Heute macht Simone Korolnik allen Liebhabern Mut, sich auf ein historisches Gebäude einzulassen. Ganz wichtig sei es, vorab von Experten ein Gutachten zu den Schäden anfertigen zu lassen; dann blieben böse Überraschungen weitgehend aus. Sie selbst haben ohne großen Luxus saniert und vieles selbst gemacht; zudem bekamen sie Zuschüsse von der Denkmalpflege und vom Bund. Unterm Strich sei deshalb die Sanierung günstiger geblieben als ein Neubau. Korolnik scheut sich nicht, Zahlen zu nennen: 3500 Euro pro Quadratmeter habe die Restaurierung gekostet, insgesamt wurden etwa eine Million Euro investiert. Die Dankesrede für das Haus hielt Miteigentümer Rami Archid, ein syrischer Arzt, der seit 14 Jahren in Deutschland lebt. Seine Heimatstadt Damaskus sei immer offen gewesen für europäische Elemente der Baukunst: „Nun wollte ich hier in der neuen Heimat einen Beitrag leisten zur Schönheit und zur Erhaltung des Kulturerbes.“

Vom zweifelhaften Charme alter Betonklötze

Seit fast 40 Jahren verleihen der Schwäbische Heimatbund, der Landesverein Badische Heimat und die Wüstenrot-Stiftung alle zwei Jahre den Denkmalschutzpreis, der mit je 5000 Euro dotiert ist. Der Architekt Rolf Huesgen hat in der Konstanzer Altstadt ein mittelalterliches Minihäuschen erworben, dessen Grundstücksfläche gerade 69 Quadratmeter umfasst. Es hatte leer gestanden und verfiel – nun hat es sogar ein modernes Energiekonzept. Der Kienzlerhansenhof bei Schönwald im Schwarzwald hat es den Architekten Anja Kluge und Ingolf Gössel aus Stuttgart angetan. Sie verwendeten bei der Sanierung nur Holz, Granit und Lehm und beließen auch die traditionellen Grundöfen. Eine Rarität ist die Tankstelle in Tettnang aus dem Jahr 1950. Die meisten dieser fast puppenhaft wirkenden Anlagen sind längst beseitigt; das Unternehmen Fritz Wahr Energie hat diese Stätte vor dem Abriss bewahrt.

Boris Palmers Rede wurde übrigens mit Humor aufgenommen; solch provokante Worte habe man erwartet, meinte Bernd Langner, der Geschäftsführer des Heimatbunds. Eine Widerrede, dass auch Betonklötze Ausdruck einer Epoche und deshalb bewahrenswert sein können, war aber nicht möglich. Palmer hatte sich direkt nach seinem Grußwort verabschiedet.