Das Kloster in Denkendorf im Kreis Esslingen diente bis 2009 als Fortbildungsstätte für landeskirchliche Mitarbeiter. Foto: Leif Piechowski

Händeringend suchen die Kreise in der Region angesichts stetig steigender Flüchtlingszahlen nach Unterbringungsmöglichkeiten. Derzeit gibt es gar Überlegungen, Asylbewerber im Kloster Denkendorf einzuquartieren. In Böblingen sind unterdessen die ersten Flüchtlinge aus Syrien eingetroffen.

Denkendorf/Böblingen - Für den Landkreis Esslingen könnte sich demnächst eine kleine Hintertür öffnen – und zwar im Kloster Denkendorf. Derzeit berät der Oberkirchenrat über einen Vorstoß des evangelischen Dekans von Esslingen, Bernd Weißenborn. Er regt an, in jenem leerstehenden Kloster, das der Evangelischen Landeskirche Württemberg gehört, syrische Flüchtlinge unterzubringen.. Eine Unterkunft von Flüchtlingsfamilien im Kloster Denkendorf wäre „ein schönes gemeinsames Zeichen“.

„Der Wohnungsmarkt im Landkreis ist leer gefegt“, sagt Peter Keck, Pressesprecher des Landratsamts Esslingen. „Ende 2012 lebten 550 Asylbewerber im Landkreis, derzeit sind es 700 in 18 Wohnheimen, bis Ende des Jahres rechnen wir mit 1000“, sagt Keck. Momentan bereitet der Kreis die Aufstellung von Wohncontainern in Ostfildern und Leinfelden-Echterdingen vor. Von diesem Mittwoch an sollen auf einem Teil des Parkplatzes der Nürtinger Philipp-Matthäus-Hahn-Schule Wohncontainer für 120 Menschen aufgestellt werden. Im Oktober sollen Flüchtlinge in die Nürtinger Sporthalle Bronnader einziehen. Die Stadt sucht nach Ausweichmöglichkeiten für die Sportvereine. Die pauschale Kostenerstattung des Landes für die Unterbringung der Asylbewerber reiche bei weitem nicht aus, sagt Landrat Heinz Eininger. Ein Asylverfahren dauere rund 30 Monate, das Land bezahle aber nur für 20. „Außerdem ist die Pauschale in sich ungerecht, weil sie auf dem preiswerteren Land genauso hoch ist wie im deutlich teureren städtischen Ballungsraum.“

Nachbarn gehen auf die Barrikaden

Als „Riesenherausforderung“ bezeichnet auch Rems-Murr-Landrat Johannes Fuchs die Suche nach Unterkünften. Von Oktober an „müssen wir monatlich 79 neue Plätze ausfindig machen – wir stehen mit dem Rücken zur Wand“. Immerhin konnte man in den vergangenen Wochen einige Erfolge verzeichnen. So werden wegen des anstehenden Endes des Waiblinger Kreiskrankenhauses die dortigen Schwestern-Wohnungen frei. Bei der von Anwohnern heftig kritisierten geplanten Umwidmung einer früheren Fabrik im Gebiet Ameisenbühl in Waiblingen „sind wir auf einem guten Weg, die Genehmigung zu bekommen“, sagt Fuchs.

Im ehemaligen Roncalli-Haus in Fellbach-Oeffingen wäre Platz für 90 Bewohner, doch der Landkreis hat die Belegung entsprechend der Genehmigung für die frühere Nutzung auf 51 Flüchtlinge reduziert. Nachbarn haben jedoch auch dieses Vorgehen der Kreisbehörde angefochten, demnächst beschäftigt sich der Verwaltungsgerichtshof Mannheim erneut mit Oeffingen.

Im Landkreis Ludwigsburg sollen mobile Wohncontainer auf einer Industriebrache in Benningen bis Mitte Oktober bezugsfertig sein. Die 50 zusätzlichen Plätze sind bitter nötig, weil der Landkreis bis Jahresende noch mehr als 300 Asylbewerber aufnehmen muss – aber aktuell nur noch 33 freie Plätze zur Verfügung hat. Untergebracht wurden seit Januar 367 neue Flüchtlinge, kreisweit stehen bisher 670 Plätze zur Verfügung.

Erste Flüchtlinge aus Syrien in Böblingen

Drei Betten, drei verschließbare Kleiderschränke, zwei große Fenster: Die Zimmer im ersten Stock der Gemeinschaftsunterkunft in Böblingen sind das neue Zuhause der sieben syrischen Flüchtlinge, die seit Dienstag in dem Haus leben. Der Landkreis Böblingen hat als erster in ganz Baden-Württemberg Menschen aus Syrien aufgenommen, die Anfang September mit einer Sondermaschine in Hannover gelandet waren. „Es handelt sich um eine Familie mit einem achtjährigen Sohn und drei Männer“, sagte Landrat Roland Bernhard am Dienstagabend in der Unterkunft an der Sindelfinger Straße. Insbesondere die drei Männer seien stark traumatisiert und womöglich in ihrer Heimat gefoltert worden.

„In den kommenden Tagen werden sie zunächst die wichtigsten Dinge des Alltags bekommen. Drei Tage lang werden sie dann zu den Behörden begleitet.“ Später sollen eine intensive Sprachförderung und ein Integrationskurs folgen. Die sogenannten Kontingent-Flüchtlinge verfügen über einen anderen juristischen Status als Asylbewerber. „Sie dürfen im Grunde sofort arbeiten, deshalb ist die Sprache ganz besonders wichtig“, betonte Bernhard. Während Asylbewerber in der Regel mindestens zwei Jahre in Deutschland leben dürfen, haben die Kontingent-Flüchtlinge eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. In den kommenden Wochen wird Böblingen noch zwölf weitere aufnehmen. „Wir verfügen im Landkreis über insgesamt fünf Standorte, die Unterkünfte haben 512 Plätze.“ Bernhards abschließender Appell: Da fast alle Plätze belegt seien, brauche der Landkreis im kommenden Jahr rund 200 Plätze mehr.