Privatermittler Geord Dengler (Ronald Zehrfeld) und Olga (Birgit Minichmayr) in "Die letzte Flucht" (ZDF) Foto: ZDF

D-E-N-G-L-E-R – das Intro zur ersten Verfilmung eines Falles des Privatermittlers Georg Dengler lässt keinen Zweifel – hier soll ein Serienheld geschaffen werden. Für Denglers Aufklärungsarbeit oder doch für Hauptdarsteller Ronald Zehrfeld? So recht mag sich Lars Kraume (Drehbuch und Regie) nicht entscheiden.

Stuttgart - Wie führt man eine Figur im Film ein, wenn sie doch längst ein kriminalgeschichtliches Buch-Eigenleben führt und als Privatermittler sechs Fälle hinter sich hat?

Lars Kraume setzt in den ersten Sekunden seiner Verfilmung von Wolfgang Schorlaus „Dengler – Die letzte Flucht“, sechster Teil, der inzwischen auf sieben Bände angewachsenen Dengler-Reihe des Stuttgarter Autors, auf harte Schnitte, laute und schnelle Musik – und auf die fast schon obligatorische Rückblende in verwischter Handkameraoptik.

Kraume nimmt man all das ab, und folglich auch ihn – Dengler. Einer, der mehr wollte als andere, auch mehr wissen wollte als andere. Einer, der dem „System“ verpflichtet war und doch aus dem „System“ gefallen ist. Einer, der auszieht, die „Wahrheit“ zu finden.

Nagelbombenattentat, BKA, Terrorzellen im Staatsauftrag

„System“ und „Wahrheit“ sind Begriffe, Rahmen, die sich leicht verselbstständigen. Und sie sind wie geschaffen für einen wie Kraume, der sehr genau weiß, wie er das zunächst bewusste Dengler-Raunen mit Bild- und Tonfetzen unterfüttern kann, „faktisch“ werden lassen kann. Nicht mehr die Realität provoziert einen Film, sondern ein Film erscheint selbstverständlich als Zeitgeschichte – das ist Kraumes Kunst, das holt er aus Wolfgang Schorlaus Ermittlungs-Solisten heraus.

Und der, Ex-Zielfahnder des Bundeskriminalamtes, was mal eher pragmatisch genannt wird, dann wieder, als ob der Satz aus US-Katastrophenfilmen, der Kerl, der da mal wieder eine Bombe deponiert hat, „war CIA-Agent, der Beste seines Jahrgangs“ nicht längst seine eigene Persiflage wäre, ist denn auch 90 Minuten auf der Stichwort-Rennbahn.

Nagelbombenattentat, BKA, Terrorzellen im Staatsauftrag, Wettlauf der Pharmagiganten, korrupte Ärzte, korrupte (hochrangige) Polizisten und Politiker (jeder Ebene), Pseudowissenschaftlichkeit, Druckmittel Drittmittel, Staatsgewalt im Wortsinn und vieles mehr.

Die „Wahrheit“ findet er nur im Alleingang

Dass sich Dengler nicht verrennt (und Ronald Zehrfeld hat einiges zu rennen in diesem ersten Dengler-TV-Drama), ist auch einem Umstand geschuldet, den Dengler-Autor und Co-Drehbuch-Autor Wolfgang Schorlau so wohl nicht beabsichtigte – als Zuschauer ist man sofort zu Hause.

Natürlich ist das „System“ die Krake, und natürlich ist die „Wahrheit“ nur im Alleingang oder im besten Fall noch im Schulterschluss mit einer Figur des 21. Jahrhunderts zu finden. Eine Hackerin, na klar, das braucht der zugleich jagende und gejagte Wahrheitssucher.

Olga heißt die Gesuchte bei Schorlau, Denglers Freundin ist sie, doch Lars Kraume hat die Freiheit, dass er sie einführen kann. Bühne frei also – für Birgit Minichmayr. Sie kann alles, und sie zeigt es auch hier.

Gangchefin, Rächerin, Schutzengel

Dengler bleibt Dengler, ein fast antiquiert wirkender Typ, der sich im richtigen Moment auf die richtigen Kontakte „von früher“ verlassen kann. Olga aber ist alles gleichzeitig – Gangchefin, Rächerin, Schutzengel, Virtuosin künstlicher Realitäten und im wahren (Film-)Leben extrem wandelbar. Eine Paraderolle für Minichmayr. Oder doch nicht? Mitunter wirkt sie eingebremst.

Ganz anders Ronald Zehrfeld. Lustvoll fast rennt er durch Berlins U- und S-Bahnhöfe. Schorlaus Dengler macht er zu einem Matula 3.0, was man nur als Kritik verstehen kann, wenn man die Helden-Mechanismen auf der Ermittlerseite ignoriert. Man muss sich diesen Typ merken können, der, na klar, alles kann außer Vater. Man muss ihm folgen wollen, auch, wenn er mal keinen so guten, so hart geschnittenen Auftritt hat wie bei seiner Premiere.

Zehrfelds Dengler kann man sich merken. Ein (Film)-Typ ist geboren, der in „Die letzte Flucht“ in die Medizinindustrie eintaucht. Nicht tief, aber lautstark und mit jener Überraschung, die man als Fernsehzuschauer nur zu gerne teilt. Ein Arzt einer führenden Berliner Klinik wird wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt, spricht von einem „Komplott“. Wurde er in eine Falle gelockt?

Dengler soll es herausfinden, zögert, übernimmt, finanziell chronisch klamm, den Fall dann doch. Eine Schein-Parallelhandlung zeigt das Verhör eines Pharma-Managers (sehr präzise gespielt von Stefan Kurt) durch eine vermummte Frau. „Wir verkaufen Hoffnung“, sagt er. Wird er mehr sagen, gar den großen Betrug mit Medikamentenabdeckung und der Verführung „jedes zweiten Arztes“ gestehen? Dengler hofft darauf.

Montag, 20. April um 20.15 Uhr im ZDF