In der Nacht zu Freitag nimmt Hillary Clinton als erste Frau in der Geschichte der USA die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin einer der beiden großen US-Parteien an. Foto: AP

Jetzt beginnt das politische Duell des Jahres. In der Nacht zu Freitag nimmt Hillary Clinton als erste Frau in der Geschichte der USA die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin einer der beiden großen US-Parteien an. Konkurrent Donald Trump greift sie in ihrer ersten Rede scharf an.

Philadelphia - Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat in der Rede, in der sie ihre Nominierung angenommen hat, eine scharfe Attacke auf ihren Konkurrenten Donald Trump los. Damit läutet sie einen Lagerwahlkampf ein, wie ihn die Amerikaner seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben.

Im weißen Hosenanzug steht die 68 Jahre alte Ex-Außenministerin auf der Bühne des Wells Fargos Centers von Philadelphia. Fast 5000 Delegierte des Parteitags der US-Demokraten jubeln ihr schon zu, noch bevor sie ein einziges Wort gesagt hat. Als sie dann zu sprechen beginnt, nimmt der Beifall ohrenbetäubende Lautstärke an. Denn Clinton sagt, was die Demokraten hören wollen.

Apokalyptische Vision

Sie präsentiert einen Gegenentwurf zur apokalyptischen Vision der Republikaner, die vor einer Woche auf ihrem Parteitag in Cleveland das Bild eines Landes am Abgrund gezeichnet haben. Clinton scheint zu ahnen, dass darin ihre Chance liegt, Trump bei der Wahl am 8. November besiegen zu können. Sie sagt: „Glaubt niemandem, der euch sagt, er könne alles alleine lösen.“ Genau das hat Trump in Cleveland behauptet. Das gehe nirgends auf der Welt, und in Amerika gehe es schon gar nicht, ruft Clinton aus. In Amerika seien es die Leute gewöhnt, Probleme gemeinsam anzupacken.

Die Ehefrau des früheren Präsidenten Bill Clinton, der dicht vor der Bühne sitzt und zuhört, versucht in ihrer Rede, Realitätssinn mit Optimismus zu mischen und damit einen Kontrapunkt zu Trump zu setzen. Zwar gehe es immer noch zu vielen Menschen in Amerika schlecht, sagt Clinton. Zwar gebe es natürlich Bedrohungen durch Terroristen. „Wir sehen mit klarem Blick, was auf unser Land zukommt“, sagt Clinton: „Aber wir haben keine Angst. Wir werden mit der Herausforderung wachsen, so wie wir es stets getan haben.“

„Von Bagdad bis Kabul, von Nizza über Paris und Brüssel bis nach San Bernardino und Orlando haben wir es mit entschlossenen Feinden zu tun, die besiegt werden müssen“, erklärt Clinton. Sie habe aber dafür - im Gegensatz zu Trump - bereits konkrete Vorschläge vorgelegt. Trump dagegen behaupte, er wisse mehr über die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates als die Generäle der US-Armee. Clinton macht eine Kunstpause und sagt dann: „Nein Donald, das tust du nicht!“

Aus der Ruhe bringen

Lange Passagen ihrer insgesamt fast einstündigen Rede handeln ausschließlich von Trump. Der 70 Jahre alte Bauunternehmer setze darauf, „“dass die Gefahren dieser Welt uns blind machen für die grenzenlosen Möglichkeiten dieser Welt.“ Der Immobilienmilliardär lasse sich ja schon von einer schlichten Twitter-Botschaft provozieren und aus der Ruhe bringen. So jemand, sagt Clinton, dürfe nicht die Kontrolle über Atomwaffen bekommen.

Während auf dem Parteitag der Republikaner das „Ich“ betont wurde (gemeint war natürlich Trump), ist es in Clintons Rede das „Wir“. Die frühere First Lady, die genau 96 Jahre, nachdem Frauen in den USA das Wahlrecht erhalten haben, eine Kandidatin für das mächtigste Amt im Land geworden ist, bedient sich damit eines traditionellen Musters. Schon seit jeher betonen die Demokraten das Gemeinwohl, während die Republikaner eher dem Individualismus das Wort reden.

Geht es nach Hillary Clinton, dann wäre die Wahl Trumps zum US-Präsidenten eine katastrophale Entwicklung. „Er will uns vom Rest der Welt und voneinander trennen“, sagt Clinton. Er verspreche nur, sie dagegen habe schon konkrete Pläne. Sie will die Wirtschaft ankurbeln, neue Jobs schaffen und die marode Infrastruktur im Land verbessern. Bezahlt werden soll das mit höheren Steuern für Börsianer und Superreiche.

Ausdrücklich bedankt sich Clinton bei Senator Bernie Sanders, der sie im parteiinternen Vorwahlkampf fast geschlagen hat. „Bernie, deine Kampagne hat Millionen von Amerikanern inspiriert“, sagt Clinton. Sie habe die Botschaft vernommen. Das Land brauche die Ideen, die Energie und den Einsatz der Sanders-Anhänger.“

Probleme anpacken

Die Rede in Philadelphia, die Millionen von Amerikanern im Fernsehen verfolgten, sollte Clinton auch die Gelegenheit geben, das Problem anzupacken, dass sie von den Wählerinnen und Wählern als nicht oder nur wenig vertrauenswürdig angesehen wird. Sie wirke kühl, abgehoben, ihr sei nicht zu trauen, weil sie im Zweifel auf den eigenen Vorteil bedacht sei. Sie sei zu eng mit Big Money verwoben, sei ein unnahbarer Machtmensch, lauten die Ergebnisse von Meinungsumfragen. Nur Donald Trump kommt auf noch schlechtere Beliebtheitswerte.

Hillary Clinton selbst spricht zwar auch von ihrer Hartnäckigkeit und von ihrer über Jahrzehnte erworbenen Erfahrung. Doch es ist an Tochter Chelsea Clinton, die Kandidatin über den grünen Klee zu loben. Ihre Mutter seit nicht nur eine gute Zuhörerin, sondern auch eine Macherin und eine Kämpferin, die einstecken könne und wieder aufstehe.

Am Ende der Rede, als Zehntausende von Luftballons auf die Kandidatin niederregnen, kommt Lob aus berufenem Mund. David Axelrod, der einstige Wahlkampfstratege Barack Obamas, sagt im Fernsehen, Clinton habe keine überragend gute Rede gehalten, aber eine wirkungsvolle. Schnellumfragen geben Axelrod Recht. 71 Prozent der Befragten sagen, sie hätten einen sehr positiven Eindruck vom Auftritt Clintons. 60 Prozent sagen sogar, die Rede könnte ihre Wahlentscheidung beeinflussen.