Filigran, aber anstrengend: Auch erfahrenen Klettersportler mühen sich an der Eissäule an der Außenanlage des DAV-Kletterzentrums ab. Foto: Cedric Rehman

Im Kletterzentrum an der Waldau gibt es dank der frostigen Temperaturen nun eine Eiswand und eine Eissäule für die mutigen unter den Klettersportlern.

Degerloch - Das Foto existierte bereits in Georg Hoffmanns Kopf. Männer oder Frauen, die tapfer eine Eiswand mit ihrer Körperkraft besiegen – ein bisschen wie an der Eiger Nordwand, sagt der Leiter des Kletterzentrums auf der Waldau. Nur erhebt sich das gefrorene Wasser eben an der vom Deutschen Alpenverein (DAV) betriebenen Sportanlage in eine recht überschaubare Höhe von circa zehn Metern.

Einer der Klettersportler, die seit vergangener Woche immer wieder die Wand erklimmen, ist Ronald Nordmann. „Wie Nordwand“, sagt er. Das Besondere am Eisklettern sei eben, dass es zumindest jenseits der Alpen etwas ganz besonders Seltenes ist: „Eine so kalte Witterung, die so lange anhält, ist in Stuttgart nun mal nicht üblich.“ Vielleicht dauert es Jahre, bis Nordmann und andere Mitglieder des DAV wieder in unmittelbarer Nähe die Chance dazu haben, sagt Georg Hoffmann.

Abstürzen kann niemand

Der Leiter des DAV-Kletterzentrums hält das Seil, das Nordmann sichert. Abstürzen kann niemand an der Eiswand, versichert Hoffmann. Allerdings könne derjenige, der unten das Seil hält, von Brocken getroffen werden. Denn die harten Dornen an den Bergsteigerschuhen können Stücke aus der gefrorenen Wand herausbrechen. „Deshalb stelle ich mich nicht ganz so nah an die Wand“, sagt Hoffmann.

Nordmann schlägt den Pickel in das Eis, zieht sich ein Stück hoch und sucht dann Halt mit den Eisnägeln an seinen Schuhen. Nach wenigen Minuten ist er oben angelangt. Vielleicht eine Binsenweisheit, aber runter geht es immer schnell – eben auch an der Eiskletterwand auf der Waldau. Nordmann muss sich einfach abseilen.

Anstrengender ist dagegen die Säule aus gefrorenem Eis. Nordmann sucht sich breitbeinig an dem baumstammdicken Eiszapfen Halt. Die Arme arbeiten mit voller Kraft, Nordmann schnaubt. Georg Hoffmann, der unten am Seil sichert, hat auch diese Attraktion im Kletterzentrum geschaffen. Die Eiswand war die leichtere Übung. Hoffmann musste nur mit einem Schlauch auf die Spitze der Anlage klettern und nach seiner Rückkehr auf den Boden den Hahn weit aufdrehen. Den Rest besorgte das Kältehoch Dieter mit Nachttemperaturen weit unter dem Gefrierpunkt.

Filigranes Kunstwerk

In der Eissäule stecken dagegen Seile, die Hoffmann zusammengebunden hat. Das Wasser aus dem Schlauch und der tiefe Frost schufen ein filigranes Kunstwerk. Für Nordmann ein bisschen zu filigran. „Also mir ist die Eissäule ein bisschen zu wackelig und fast zu anstrengend“, sagt er und wischt sich den Schweiß von der Stirn.

Die Gelegenheit zum schweißtreibenden Nervenkitzel werden Nordmann und andere DAV-Mitglieder wohl noch einige Tage haben. Auch wenn mit dem Schnee der tiefe Frost ein Ende nahm, und die Temperaturen sich dem Gefrierpunkt nähern, ist der Beton der Außenanlage an der Oberfläche seit Tagen konstant minus zehn Grad kalt. An der Oberfläche taut das Eis allerdings. Kein Nachteil, sagt Hoffmann. „Noch vor einigen Tagen war die Wand spröde wie Glas und die Kälte unerträglich.“ Vom Klettern an der Eiswand abgehalten hat die Witterung ihn gleichwohl nicht. Klettersportler sind eben nicht nur an der Eiger Nordwand unglaublich tapfer.