Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unterliegt dem Missverständnis, innere Führung sei etwas, was die Politik zu fordern und die Soldaten zu erbringen hätten. Foto: dpa

Die Politik erfüllt ihre Bringschuld gegenüber der Bundeswehr nicht. Das hat wenig mit Geld und viel mit Führung und Haltung zu tun, kommentiert Bärbel Krauß.

Berlin - Die Bundeswehr hat ein Problem mit der Inneren Führung, aber es ist anders gelagert, als es die Debatten über missglückte Aufnahmerituale und sexuelle Übergriffe, der Terrorverdacht gegen Franco A. und vermeintlich wehrmachtsselige Erinnerungspraktiken in der Truppe suggerieren. Im Kern, um den es diesen Donnerstag auch bei der Bundestagsdebatte über den Wehrbericht geht, steht ein Missverständnis, das der Umgang der Verteidigungsministerin mit den genannten Ereignissen zum Ausdruck bringt. Das Missverständnis besteht in Ursula von der Leyens (CDU) Glauben, dass Innere Führung etwas sei, das die Politik zu fordern und die Soldaten zu erbringen hätten.

Aber so einfach verhält es sich nicht mit dem militärischen Wertekanon, dem die Bundeswehr seit je verpflichtet ist. Das ethische Fundament der Truppe, dessen wesentliche Elemente das Primat der Politik, der Staatsbürger in Uniform und das Prinzip des Führens durch Auftrag sind, stellt nicht nur an die Soldaten sehr hohe Anforderungen, sondern auch an die Politik, allen voran die Verteidigungsminister.

Nicht nur jeder Soldat hat demnach die individuelle Bringschuld, seine staatsbürgerlichen Pflichten in Uniform nicht zu vernachlässigen, sondern sich auch in Einsatz und Krieg an Recht und Gesetz zu halten. Die Politik muss umgekehrt gewährleisten, dass die Bürgerrechte von Soldaten auch in der Kaserne, im Einsatz oder im Krieg ohne Abstriche gelten.

Sie degradiert den Soldaten nicht zum Befehlsempfänger, der die Verantwortung für sein Handeln bei Vorgesetzten abladen könnte. Sie weist ihm mit der Auftragstaktik einen großen Entscheidungsspielraum zu – einschließlich der ethischen und rechtlichen Verantwortung für sein Tun. Außerdem muss die Politik Verhältnisse schaffen, die es erlauben und fördern, Innere Führung zu praktizieren.

Die Politik löst seit Jahren ihre Bringschulden nicht ein

In den vergangenen Jahren ist genau dabei eine Schieflage entstanden. Die Politik löst ihre Bringschuld nicht mehr ein. Das hat mit Unterfinanzierung, Ausstattungs- und Personalmängeln auch zu tun, aber das ist nicht die Hauptsache. Der Kern des Problems ist, dass die Verteidigungsminister seit Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) viel getan haben, um die Freiräume der militärischen Führung und des soldatischen Handelns zu beschneiden. Das fängt damit an, dass der Generalinspekteur sich so gut wie nie – und schon gar nicht kontrovers – zu Verteidigungsfragen oder aktuellen Problemen der Truppe äußert. Es setzt sich fort in der Auslagerung der Inspekteure aus dem Ministerium auf nachgeordnete, in der Versenkung verschwundene Kommandos, was Thomas de Maizière (CDU) veranlasst hat. Und es endet noch lange nicht dort, wo Ursula von der Leyen den höchsten Offizieren eine eigene Pressearbeit untersagt, wo Generale in der Pfullendorf-Affäre aus den Medien von ihrer Abberufung erfahren oder wo Spinde von Soldaten in ihrer Abwesenheit nach Wehrmachtsdevotionalien durchsucht werden.

Ursula von der Leyen und ihre Vorgänger haben die Innere Führung vernachlässigt

Man mag jedes dieser Beispiele für eine noch tolerable Missachtung der Rechte von Soldaten halten. In der Summe belegen sie, dass auch die aktuelle Verteidigungsministerin die Innere Führung unterläuft und vernachlässigt. Dass die Generalität sich wegduckt, macht die Sache nicht besser. Es verstärkt die Verunsicherung in den Streitkräften über das, was richtig und falsch, politisch gewollt und militärisch erlaubt ist bis hinunter zum einfachen Soldaten.

Das soll nun nicht heißen, dass die Bundeswehr eine Armee von Waisenknaben sei, die alles richtig machen würde, wenn man sie nur ließe. Fehler und Verstöße gegen das ethische Leitbild wird es immer geben. Aber die Innere Führung braucht keine eiligen Reparaturversuche, sondern konstante Pflege. Ursula von der Leyen und ihre Vorgänger sind sie schuldig geblieben. Deshalb ist die Truppe in Schieflage.