Will beim VfB Stuttgart wieder in Schwung kommen: Weltmeister Kevin Großkreutz Foto: Pressefoto Baumann

Diskutieren Sie mit: Gut und günstig – das geht allenfalls in der Werbung auf. Im Fußball gelten andere Gesetze. Gut bedeutet dort fast immer teuer. Meistens zu teuer für den VfB Stuttgart, wie Sportvorstand Robin Dutt bei der Suche nach Verstärkung für die Abwehr spürt.

Belek - Der SV Darmstadt 98 hatte zu Beginn der Woche nach tagelangen Regenfällen in einer Seenlandschaft trainiert. Seit der VfB am Dienstag in Belek eingeschwebt ist, ist der Himmel an der türkischen Riviera zwar wolkenverhangen, aber dicht: Bis zur Trainingseinheit am Mittwochnachmittag blieb es trocken. Und der Platz beim VfB-Hotel Titanic lag in sattem Grün da wie ein Teppich. „Das ist so ziemlich das Beste, was ich in meinen nicht ganz so wenigen Trainingslagern bisher gesehen habe“, sagt Robin Dutt. Und weil die Appartementanlage ebenfalls den Wünschen der Delegation aus Stuttgart entspricht, kann sich Cheftrainer Jürgen Kramny voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren, die dem VfB in der Rückrunde der Fußball-Bundesliga zum sportlichen Aufschwung verhelfen soll. Derweil kann sich der Sportvorstand in gleicher, aber inhaltlich anders gearteter Form getrost seinen Aufgaben widmen: Dutt muss einen Innenverteidiger verpflichten. Was aus diversen Gründen alles andere als einfach ist.

Es läuft ihm ja nicht jeden Tag ein Kevin Großkreutz über den Weg.

Der Ex-Dortmunder fühlte sich bei Galatasaray Istanbul kreuzunglücklich, das Heimweh plagte ihn, und dass der VfB anklopfte, war ein Glücksfall für beide Seiten. Für Großkreutz (27), weil er endlich wieder eine Perspektive sieht. Und für den VfB, weil der neue Mann mehr mitbringt als seine sportliche Qualität, die ihn zum Nationalspieler und WM-Teilnehmer aufstiegen ließ. Großkreutz ist heiß auf den VfB – und aufs Kicken. „Kevin hat mir die Vereine genannt, die auch an ihm interessiert waren. Er wollte unbedingt zu einem Club wechseln, bei dem Werte wie Tradition und Fankultur großgeschrieben werden“, sagt Robin Dutt, „und da ist am Ende nur der VfB übrig geblieben.“

Nun sind auch die letzten „kleinen Formalitäten“ (Dutt) geklärt, der VfB hat den Transfer offiziell bestätigt. Entsprechend zufrieden ist der Sportvorstand: „Kevin fehlt zwar noch die ultimative Wettkampfpraxis, aber er macht auf Anhieb Druck. Das ist gut für den Konkurrenzkampf.“

Mit den Transfers geht der VfB ins Risiko

Gleiches erhofft sich Dutt vom zweiten Neuzugang Artem Kravets (26/Dynamo Kiew) im Angriff und erst recht von dem Innenverteidiger, der auf seiner Einkaufsliste eigentlich erste Priorität, aber noch keinen Namen hat. Dieser Mister X macht ihm schwer zu schaffen, weil die finanziellen Möglichkeiten nicht annähernd Schritt halten mit den sportlichen Ansprüchen, die der VfB stellt. „Ein moderner Innenverteidiger muss gut verteidigen können, im Spielaufbau überzeugen und schnell und kopfballstark sein – dazu am besten auch ein Linksfuß und eine Persönlichkeit“, sagt Dutt. Das hat seinen Preis – von zehn Millionen Euro an aufwärts. So ähnelt die Suche des VfB der Quadratur des Kreises.

Für Großkreutz (2,6 Millionen Euro Ablöse) und Kravets (500 000 Euro Leihgebühr) hat der VfB schon rund die Hälfte seines veranschlagten Budgets ausgegeben. „Selbst mit diesen beiden Transfers sind wir mehr als ins Risiko gegangen“, sagt Dutt, „dieses Geld müssen wir wieder reinholen.“ Martin Hinteregger (23), der Abwehrkandidat von Red Bull Salzburg, bleibt somit eine Illusion. Die Österreicher fordern eben jene zehn Millionen Euro, die der neue Mann aus VfB-Sicht sportlich wert sein soll, aber nicht mal ansatzweise kosten darf. „Spieler, die preiswerter sind, könnte ich noch heute gleich zehn verpflichten“, sagt Dutt, „aber sie müssten dann besser als Georg Niedermeier und Toni Sunjic sein.“ Und das sind sie nach Einschätzung der sportlichen Leitung nicht.

Notfalls ein Leihgeschäft ohne Kaufoption

Bleibt nur eine Lösung: ein Leihgeschäft, notfalls auch ohne spätere Kaufoption. Das ist zwar nicht nach Dutts Geschmack, doch inzwischen würde sich der Sportvorstand darauf einlassen, „weil wir ja zumindest bei Großkreutz und Kravets die Hand drauf haben“. Nur: Welche Clubs kommen dem VfB bei Spielern, die sie entbehren können und wollen, freiwillig entgegen? „Dazu können wir niemand zwingen“, erklärt Dutt – und zieht daraus die (nicht ganz neue) Lehre: „Wir können keine Zehn-Millionen-Leute verpflichten. Deshalb müssen alle im Verein und im Umfeld lernen, dass wir eigene Spieler entwickeln müssen.“ Was weniger Geld, aber mehr Zeit kostet.

Das beste Beispiel heißt Timo Baumgartl (19), bis vor kurzem Stammspieler, zuletzt durch Niedermeier und Sunjic verdrängt. Baumgartl sitzt ihnen im Nacken und sucht seine neue Chance. Bestenfalls profitieren davon alle.