Bahnpendler aus dem Umland sollen finanziell besser gestellt werden, fordert der Esslinger Landrat Heinz Eininger. Foto: factum/Archiv

Der Esslinger Landrat Heinz Einiger fordert einen großen Wurf beim VVS und will Rabatte abschaffen, etwa für Rentner oder Pendler. Dafür soll es nur noch drei statt 15 Zonen geben. Kritiker warnen vor Ausgaben von bis zu 50 Millionen Euro – pro Jahr.

Stuttgart - Die Kreise in der Region blicken gespannt auf Stuttgart. Denn die Landeshauptstadt wird wohl von 2019 an nur noch eine Stadtzone im Verkehrsverbund VVS haben. Das Umland befürchtet, zu kurz zu kommen. Die Fronten verlaufen aber nicht nur zwischen Zentrum und der Peripherie: Während der Esslinger Landrat Heinz Einiger das ganze Tarifsystem reformieren will und nach Berliner Vorbild nur noch drei Zonen vorschlägt, sorgen sich die Amtskollegen aus Ludwigsburg und Böblingen um die Kosten.

Es geht um die Idee, die Tarifzonen drei bis fünf im Umland zusammenzulegen. Dann gäbe es nur noch einen Stadtring für Stuttgart sowie einen engeren und einen äußeren Ring für die Landkreise. So sollen Pendler aus dem Umfeld denen in der Stadt gleichgestellt werden. „Wir haben bisher 15 Tarifzonen, Stuttgart künftig nur noch eine“, sagt Heinz Einiger, „das versteht bei uns niemand mehr.“

Auch der Böblinger Landrat Roland Bernhard warnt vor „Brüchen im System“, wenn die S-Bahnfahrer in den Kreisen mehr zahlten als die in der Hauptstadt. Sein Rems-Murr-Kollege Richard Sigel sagt: „Ich bin sehr offen für eine Vereinfachung.“ Arbeitnehmer seien durch die hohen Immobilienpreise gezwungen, sich weg von Stuttgart zu orientieren, man dürfe sie nicht mit höheren Bahnpreisen bestrafen.

Kostet die Reform im Jahr bis zu 50 Millionen Euro?

Im VVS-Aufsichtsrat, der am Dienstag getagt hat, sind Kosten bekannt geworden, sollte die große Reform kommen. Allein für große Landkreise wie Ludwigsburg und Esslingen rechnet man mit je acht Millionen Euro an Einnahmeausfällen, die kompensiert werden müssten – pro Jahr. Für alle vier VVS-Landkreise reichen die Schätzungen von 35 Millionen bis zu 50 Millionen Euro. „Das ist eine Utopie, das ist völlig unbezahlbar“, sagt der Böblinger Landrat.

Schließlich müsste das Geld vom Kreis selbst aufgebracht werden, so wie Stuttgart die Kosten von 14,3 Millionen Euro für die Stadtzone auch aus eigener Kraft trägt. Bernhard befürchtet höhere Kreisumlagen, Ärger wäre programmiert. Der Ludwigsburger Kreischef Rainer Haas ist skeptisch. „Letztlich geht es um eine Verbilligung der Tickets, die Tarifzonen nimmt der Fahrgast gar nicht wahr“, sagt er. Der für eine Reform aufgeschlossene Richard Sigel verweist darauf, dass er bereits die höchste Kreisumlage der Region hat.

Doch Heinz Eininger will sich von der Idee der großen Tarifreform nicht abbringen lassen. Weil er aber auch in seinem Kreistag acht Millionen Euro jährliche Kosten kaum durchsetzen kann, macht er Finanzierungsvorschläge. „Wir müssen die Rabatte und Vergünstigungen für einzelne Gruppen auf den Prüfstand stellen“, fordert er. Anstatt manche zu subventionieren, soll der Preis für alle sinken.

Das erinnert ein wenig an die Bierdeckel-Steuerreform des CDU-Politikers Friedrich Merz: Ausnahmen weg, Tarif runter. Doch so einfach ist es nicht: Selbst Eininger will die Rabatte für Schüler und Kinder nicht antasten. Nachdenken könne man über das Senioren- oder das Jobticket. Seine Landratskollegen bezweifeln, dass das ausreicht. Zudem gibt Roland Bernhard zu bedenken: „Das führt zu einem riesigen Aufschrei, niemand wird eine Vergünstigung freiwillig abgeben.“

Haas und Bernhard haben eh andere Pläne: Der eine will eine Niederflur-Stadtbahn rund um Ludwigsburg, der andere muss den Ausbau der Schönbuchbahn finanzieren. „Wir sollten lieber in die Verbesserung des Takts und des Angebots investieren, anstatt den Preis zu senken“, erklärt Rainer Haas. Dennoch soll der VVS nun Modelle durchrechnen. Denkbar sind auch Zwischenlösungen mit vier oder fünf Zonen. Der VVS-Geschäftsführer Horst Stammler: „Bis 2018 soll eine Entscheidungsgrundlage vorliegen.“

Der Esslinger Landrat, ein einsamer Rufer in der Wüste?

Unumstritten ist die Aufhebung der sogenannten Sektoren – also die Unterteilung der Tarifringe in 52 Unterzonen. „Sektoren hatten wir zuletzt in der DDR“, sagt Roland Bernhard. Er denkt eher in die Richtung, das für 2018 geplante neue Feinstaubticket auf das ganze Jahr auszudehnen: „Das wäre dann schon so etwas wie ein regionales Tagesticket.“ Bleibt Heinz Einiger der einsame Rufer in der Wüste? „Ich mahne das Thema schon seit sechs Jahren an“, sagt er, „wir sollten die Chance für eine große Reform nutzen.“