Die Gleisflächen von Stuttgart 21 Foto: Manfred Storck

Diskutieren Sie mit! Die Vorstellungen, wie man Stuttgarts Bürger an den Planungen für das neue Rosensteinviertel beteiligen kann, werden konkreter. Aber auch die Kritik nimmt zu. S-21-Gegner lassen kein gutes Haar an dem Projekt - und auch die Stadträte von SÖS/Linke-plus wollen nicht mitwirken.

Stuttgart - Bis Ende 2016 sollen mögliche „Leitplanken“ für die Entwicklung bisheriger Gleisflächen zum neuen Rosensteinviertel gefunden werden. Im ersten Quartal soll der Gemeinderat aus den Ergebnissen der „informellen Bürgerbeteiligung“ einen „Ecksteine-Beschluss“ ableiten. Diese Ziele haben OB Fritz Kuhn (Grüne) und das Gros der Ratsfraktionen am Dienstag im Umwelt- und Technik-Ausschuss abgesteckt. Dabei erkannten sie auch Verbesserungsbedarf: Man müsse mit zusätzlichen Veranstaltungsformaten auch die schweigende Mehrheit zu Meinungsäußerungen veranlassen und Gruppen abholen, die sich andernfalls nicht automatisch beteiligen würden.

Beate Voskamp von der Berliner Mediator GmbH, die das Verfahren betreut, hatte zuvor die Planung skizziert. Als Hauptziele nannte sie das „Zusammenfinden der Stadtgesellschaft“ und einen Konsens über die „Leitplanken“. Am 9. April, am 18. Juni sowie im September oder Oktober sollen offene Veranstaltungen stattfinden, deren Ergebnisse in ein „Memorandum“ fließen. Daneben soll es noch andere „offene Formate“ für alle geben – und ein Forum Rosenstein, das als Beirat von Ende Februar an den Prozess mitsteuert. Darin werden ausgewählte Vertreter von Stadtgesellschaft und Fraktionen sitzen. Man wolle alle mitnehmen, beteuerte Voskamp, auch Kritiker von S 21 und der Beteiligung. Und da gibt es viele.

„Beteiligungsspektakel“ ohne Sinn und Ziel

Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus) kündigte gleich an, man wolle nicht im Forum mitarbeiten. Kuhn lasse ein „Particitainment“ inszenieren, ein „Beteiligungsspektakel“ ohne Sinn und ohne Ziel. Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) konterte, Rockenbauch sei „schon lange ins Politainment“ gewechselt, veranstalte quasi Politikshows, fehle aber in nichtöffentlichen Sitzungen zum Thema Rosensteinviertel – was Rockenbauch umgehend korrigierte. Kuhn sagte zu Rockenbauch, Zu- oder Absage seien „Ihre Entscheidung“, aber er solle später nicht erzählen, man sei nicht eingeladen gewesen. Der OB warnte SÖS/Linke-plus aber auch für den Fall der Teilnahme: Man diskutiere das „Wie“ der Entwicklung, „nicht das Ob“. Das Verfahren könne „keinen Beitrag leisten, dass S 21 nicht kommt“.

Nach Ansicht von SÖS/Linke-plus stimmt der ganze Ansatz nicht. Erst brauche man eine Grundsatzdiskussion über das Bauen in Stuttgart und darüber, wie die Stuttgarter künftig leben wollen. Außerdem finde die Beteiligung zur Unzeit statt, weil S 21 „nicht fertig geplant, nicht fertig genehmigt und nicht fertig finanziert“ sei. Die Möglichkeit eines Kombibahnhofs müsse offengehalten werden: dass noch oberirdische Gleise erhalten bleiben und manche Flächen nicht bebaut werden können, selbst wenn der neue Tiefbahnhof fertig ist. Oder dass im Zeichen des Klimawandels ein Wald nötig ist, damit es sich im nahen Talkessel trotz erhöhter Temperaturen weiter gut leben lässt.

„Großes Ablenkungsmanöver“

Organisierte S-21-Gegner sehen das ähnlich. Norbert Bongartz, einer der Sprecher des Aktionsbündnisses, sprach in einer Mitteilung von Sandkastenspielen und einem „großen Ablenkungsmanöver vom desaströsen Verlauf des Tunnelbahnhofsprojekts“. Das sogenannte B-Areal mitten in einer Frischluftschneise müsse aus ökologischen Gründen für Bebauung tabu sein. Da denke man wie der Bund für Umwelt und Naturschutz, der mit dem Verkehrsclub Deutschland besser die Beteiligung an dem Verfahren absagen solle, meinte das Bündnis.

Die Fraktionen, die S 21 befürworten, sowie die Grünen verteidigten das geplante Verfahren – und formulierten unterschiedliche Prioritäten. Martin Körner (SPD) forderte, dass die Absicht zum Wohnungsbau dem Diskurs klar vorangestellt wird. Alexander Kotz (CDU) wünschte sich Offenheit, alte Ideen infrage zu stellen und auch Wald- oder Parklösungen zu erörtern, wenn man dafür anderswo Wohnungen baue.

Kuhn will zunächst nichts ausschließen. Man starte aber mit der Leitplanke Wohnungsbau ins Verfahren, wolle nur nicht beispielsweise 20 000 Wohnungen vorgeben. Am Ende könne es dazu kommen, dass man eine bestimmte Zahl von Wohnungen nach Gesichtspunkten des Klimaschutzes baue.