Der Hofener Weihnachtsmarkt gilt als besonders stimmungsvoll – und steht wegen hoher Auflagen jetzt vor dem Aus. Foto: Georg Linsenmann

Diskutieren Sie mit - Die Stuttgarter Bürgervereine wehren sich gegen die wachsende Bürokratie. Sie wollen OB Fritz Kuhn eine Liste mit den größten Ärgernissen für Ehrenamtliche schicken. Mit dem Hofener Weihnachtsmarkt steht die erste Traditionsveranstaltung bereits auf der Kippe.

Stuttgart - Zum 26. Mal geht an diesem Samstag der Hofener Weihnachtsmarkt über die Bühne. Und die ist außerordentlich reizvoll. Schauplatz sind die mittelalterliche Burgruine, die Wallfahrtskirche St. Barbara und der Innenhof zwischen dem benachbarten Schlössle und der Musikschule. Ein beliebter Treff für Einheimische und Gäste von außerhalb. Doch das Ende droht.

„Stand heute gehen wir davon aus, dass dieser 26. Hofener Weihnachtsmarkt auch der letzte ist“, sagt Sabine Schick-Kurfeß. Die Vorstandsvorsitzende des Bürgervereins, der den Markt traditionell organisiert, macht dafür zum einen personelle Probleme beim Verein verantwortlich, aber auch „die Knüppel, die den Vereinen seitens der Ämter jedes Jahr aufs Neue zwischen die Beine geworfen werden“.

Konkret wirft die Vorsitzende der Stadt vor, zwei Wochen vor dem Termin kurzfristig mit einem Verbot des Weihnachtsmarkts gedroht zu haben, weil die Verwaltung mit den vorher abgestimmten Rettungswegen unzufrieden gewesen sei. Die Genehmigung sei nur deshalb kurzfristig noch zustande gekommen, weil das Gartenamt vermittelt habe. „So kann man nicht planen. Es hakt bei der Zusammenarbeit mit dem Amt für öffentliche Ordnung.“

Vor einigen Jahren großer Streit mit der Gema

Der Weihnachtsmarkt in Hofen hat schon öfter Schlagzeilen gemacht. 2012 fiel er bereits wegen Organisationsproblemen ins Wasser. Ein Jahr zuvor löste der Streit des damaligen Vorstands mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) große Wellen in der gesamten Stadt aus. Der Verein hätte für die Musikdarbietungen 1100 Euro Gebühren bezahlen sollen. Nach großem öffentlichem Protest vieler Vereine reduzierte die Gema die Summe schließlich auf 182 Euro. Schon damals beklagten zahlreiche Betroffene ausufernde Bürokratie und Kosten für Ehrenamtliche.

Dieser Ärger über die Rahmenbedingungen verschärft sich jetzt. „Wenn die Stadtverwaltung all das leisten müsste, was das Ehrenamt bringt, würde sie sich umschauen“, sagt Sonja Jäger. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Stuttgarter Bürgervereine und vertritt in dieser Funktion 33 Vereine mit 6000 Mitgliedern. Und sie bekräftigt: „Wenn man in Hofen sagt, dass man den Weihnachtsmarkt womöglich einstellt, weil die Stadt das Engagement nicht respektiert und würdigt, kann ich das verstehen.“

Bürokratie als Grund für Nachwuchsmangel

Sonja Jäger spricht von Gebühren, die für „lächerliche Dinge“, etwa das Aufstellen von Schildern, verlangt würden. Rettungswege, Nutzung von elektrischen Anlagen, Lebensmittelkontrollen, Reinigungskosten – die Liste der Aufreger ist lang. „Die Kommune sollte nicht nur vom Ehrenamt reden, sondern sich bei den Auflagen zurückhalten“, kritisiert sie – und bringt den Nachwuchsmangel bei manchen Vereinen damit in Verbindung: „Wenn man Enthusiasmus, Zeit und teilweise auch noch Geld einbringt und dann sieht, wie dieses Engagement erschwert wird, überlegen sich die Leute, ob sie nicht etwas Besseres zu tun haben.“

Die Arbeitsgemeinschaft der Bürgervereine will auf die Lage reagieren. Man habe bereits auf der vergangenen Mitgliederversammlung beschlossen, allen Vereinen ein Schreiben zu senden, so Sonja Jäger. Darin werden sie gebeten, ihre größten Ärgernisse im Umgang mit der Stadt zu formulieren und einzureichen. „Die Ergebnisse werden wir sammeln und an OB Fritz Kuhn schicken. Der muss dazu Stellung nehmen“, sagt sie. Die Briefe an die Vereine sind verschickt, Kuhn kann also bald mit Post rechnen.

Verständnis beim Ordnungsamt

Beim Amt für öffentliche Ordnung zeigt man Verständnis. Der Hofener Fall sei „organisatorisch unglücklich gelaufen“, sagt Sachgebietsleiter Uwe Czier, weil lange unklar gewesen sei, ob eine Baustelle einen zweiten Fluchtweg verhindere. Generell seien Gebühren in den vergangenen Jahren nicht gestiegen. Viele Auflagen habe der Gesetzgeber nach der Tragödie bei der Loveparade in Duisburg verschärft. Das liege genauso wenig am Amt wie steigende Versicherungskosten, Gema oder andere Punkte.

Doch er räumt ein: „Auf den ersten Blick gilt es so viele Einzelvorschriften zu beachten, dass man erschlagen ist.“ Vieles stelle sich bei genauerem Hinsehen aber als Selbstverständlichkeit heraus. „Doch wenn ein Urgestein im Verein aufhört und jemand Neues übernehmen muss, türmt sich vor ihm schon ein Berg auf“, so Czier. Die Stadt helfe Vereinen mit dem Verzicht auf viele Gebühren, mit Merkblättern und Ehrenamtsbeauftragten als Ansprechpartner. Zudem verlange man nicht dieselben Standards wie von professionellen Veranstaltern. Das sei „auch für die Verwaltung ein Spagat“.

Mit ihrer Forderung nach mehr Unterstützung des Ehrenamts sind die Bürgervereine indes nicht allein. Der Stadtjugendring hat sich am Montag mit einem Schreiben an die Stadträte gewandt. Die Forderungen: eine „bescheidene Erhöhung des jährlichen Zuschusses“ für alle Stuttgarter Jugendverbände um 50 000 auf 1,45 Millionen Euro und die kostenlose Überlassung von Räumen für die Jugendarbeit. Die 7000 Ehrenamtlichen seien an der „Grenze der Belastbarkeit“, heißt es in dem offenen Brief.

Genauso wie die Freiwilligen in Hofen.