Auf Nebenstrecken wie nach Tübingen häufen sich Ausfälle und Verspätungen. Foto: dpa

Die Probleme auf fünf Nebenstrecken in Baden-Württemberg dauern an, der Verkehrsminister Winfried Hermann erhöht den Druck. Der Bahn wird ein enges Kontrollregime auferlegt.

Region Stuttgart - Verspätungen, Ausfälle, verpasste Anschlüsse: Auf fünf Strecken im Land gibt es wie berichtet dramatische Probleme. Trotz Spitzengesprächen im Verkehrsministerium und einem strengen Kontrollregime bessert sich die Situation nicht, so dass das Verkehrsministerium nun zu immer drastischeren Mitteln greift: Einmal pro Woche müssen der Regionalleiter und ein Geschäftsführer des Konzerns in Stuttgart vorsprechen, zudem gibt es alle zwei bis drei Tage Telefonkonferenzen.

Der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will die massiven Ausfälle und Verspätungen nicht mehr hinnehmen. „Die Probleme dürften kein Dauerzustand sein“, erklärt er, „das Land zahlt für die Züge viel Geld an das Unternehmen und erwartet, dass die Fahrgäste dafür ein verlässliches Angebot bekommen.“ Man werde die Bahn nicht aus ihrer Verantwortung lassen und dafür sorgen, dass die Missstände dauerhaft abgestellt würden, lautet eine Erklärung des Ministeriums.

Der Pendler Ralf Wörner ist verzweifelt

Wie groß das Problem ist, zeigt die Schilderung des Pendlers Ralf Wörner, der jeden Tag von Ulm nach Heilbronn pendelt, und auf die Züge angewiesen ist: „Am Montag fielen ab 20 Uhr alle Regionalbahnen und Regionalbahnen aus, am Dienstag der Zug um 20.12 Uhr, so dass ich in Stuttgart eine Stunde Aufenthalt hatte.“ Am nächsten Tag hatte der Zug so viel Verspätung, dass er die S-Bahn verpasste. Wieder einen Tag später fiel die Regionalbahn um 20.26 Uhr aus, der nächste Zug um 21.08 Uhr hatte 15 Minuten Verspätung – Wörner kam erst um 24 Uhr zu Hause an, mit zwei Stunden Verspätung.

„Ich kann Ihnen nicht sagen, wie frustriert ich inzwischen bin“, schreibt Wörner in einem Brief an den Walheimer Schultes Albrecht Dautel, „die Züge abends ab Heilbronn werden zum Glücksspiel.“ Täglich verliere er fast eine Stunde durch Ausfälle oder verpasste Anschlüsse: „Das ist für mich viel Zeit.“ Dautel und zwei weitere Bürgermeister hatten die Lage im Juli in einem Brandbrief an den Verkehrsminister geschildert.

Solche Zustände gibt es nicht nur auf der Frankenbahn zwischen Stuttgart, Heilbronn und Würzburg, sondern auch auf der Schusterbahn zwischen Kornwestheim und Stuttgart, auf der Teckbahn und den Linien von Tübingen nach Stuttgart sowie zwischen Heilbronn und Sinsheim. Ein Problem ist, dass die Bahn zahlreiche Ausschreibungen von Nahverkehrslinien verloren hat und langfristig Personal abzieht. Das führt offenbar zu Frustration und Krankmeldungen bei den betroffenen Angestellten.

Das hat auch Ralf Wörner beobachtet: „Kürzlich stand eine Regionalbahn 20 Minuten am Stuttgarter Hauptbahnhof und hat auf den Lokführer gewartet, der nicht erschienen ist.“ Selbst ein Bahnsprecher räumt ein: „Wir sind mit der augenblicklichen Pünktlichkeit auf der Frankenbahn nicht zufrieden.“ Man arbeite aber intensiv an dem Problem, etwa durch Zusatzschichten in der Werkstatt und Sonderteams zur Ursachenforschung. Immerhin sieht der Bahnsprecher seit dem 1. Oktober einen „positiven Trend“. Mit dem Fahrplanwechsel am 11. Dezember würden die Strecken auf Doppelstockwagen umgestellt, was den Komfort für die Bahnkunden verbessern werde. Derzeit würden die Daten für alle 90 000 Regionalzugfahrten im Land umgestellt. Daher bittet die Bahn noch um „etwas Geduld“, was die Veröffentlichung der Pünktlichkeitswerte angehe.

Ministerium: Zustände sind „anhaltend miserabel“

Die Geduld hat man im Ministerium allerdings schon im Sommer verloren. In einem Eckpunktepapier wurden im Juli klare Vereinbarungen mit der Bahn getroffen. Damals ging man noch davon aus, dass ein Spitzengespräch einmal im Jahr reichen würde. Nun hat man fast täglich Kontakt mit den Bahn-Managern.

Ein Ministeriumssprecher erklärt, dass die Betriebsqualität „anhaltend miserabel“ sei. Zwischen 7 und 8 Uhr gebe es täglich mindestens zwei Komplettausfälle. Große Probleme gebe es auch auf der Remsbahn zwischen Stuttgart und Aalen, auf der 70 Prozent aller Ausfälle zu verzeichnen seien.

Ein Problem ist, dass die Bahn auf den Strecken ohnehin nur noch als Übergangsbetreiberin unterwegs ist und sie offenbar als wirtschaftliche Auslaufmodelle sieht. Eigentlich sollten seit 1. Oktober die Konkurrenzunternehmen Abellio und Go Ahead diese Linien bedienen, sie haben die Ausschreibungen gewonnen. Doch die Betreiber haben Probleme und können nicht genügend Züge bereitstellen. Die Bahn ist daher mit so genannten Übergangsverträgen eingesprungen, die mindestens bis 2019 laufen, einige sogar bis 2023.

Schnelle Abhilfe ist also nicht in Sicht. Der Dauerpendler Ralf Wörner stellt resignierend fest: „Mir scheint, die Bahn schaufelt die Engpässe nur noch hin und her.“