Stillstand auf einer wichtigen Verkehrsader: Erst Mitte Dezember wird es wieder zweispurig rollen, dann macht die Baustelle Winterpause. Foto: Horst Rudel

Wegen Sanierungsarbeiten ist die Bundesstraße von Stuttgart in Richtung Tübingen streckenweise nur einspurig befahrbar. Das führt täglich zu Staus: Die Autofahrer sind genervt und fragen sich, warum nicht auch nachts gearbeitet wird.

Tübingen - Die Wutausbrüche der Autofahrer versucht Thorsten Schwäger, an sich abperlen zu lassen. Direkt aus dem Stau auf der B 27 zwischen Tübingen und Stuttgart rufen sie bei ihm an und schimpfen, manche brüllen ins Telefon. Monteure, die ihre Routenpläne für den Tag schon am frühen Morgen entsorgen können, weil es nicht vorangeht. Berufspendler, die nicht fassen können, dass erst monatelang die neue Mitteilleitplanke Superrail entlang der Bundesstraße montiert wurde und jetzt wieder die Bauarbeiter angerückt sind.

Thorsten Schwäger ist bei der Industrie- und Handelskammer Reutlingen der Mann für die Infrastruktur und Verkehrsfragen. Auf die Megabaustelle, die seit Mitte August die Hauptverkehrsader Richtung Landeshauptstadt mit ihren bis zu 50 000 Fahrzeugen täglich ausbremst, hat Schwager keinen Einfluss. „Ich versuche die Menschen zu trösten“, sagt er. Zwar sei der volkswirtschaftliche Schaden durch die Wartezeit im Stau groß, aber viel zu lange sei die Infrastruktur im Land stiefmütterlich behandelt worden. „Zurzeit haben wir einen sogenannten Mittelhochlauf, konkrete Baumaßnahmen werden vielerorts umgesetzt“, sagt Schwager, das sei eigentlich ein Grund zur Freude.

Die gute Laune kann den Verkehrsteilnehmern leicht abhanden kommen, wenn sie die Baustellenplanung des Tübinger Regierungspräsidiums detailliert lesen. Die B-27-Arbeiten ziehen sich bis September 2018 hin, also noch knapp ein Jahr. Für 6,85 Millionen Euro werden neun Brücken auf dem Abschnitt zwischen Waldorfhäslach und Pliezhausen im Landkreis Reutlingen saniert, auch die Fahrbahndecke wird streckenweise erneuert. Die Kosten für die Instandsetzungsarbeiten trägt der Bund.

Erst Mitte Dezember wird es wieder zweispurig rollen

In einem ersten Bauabschnitt wird der Verkehr zum Teil über die Fahrbahn Richtung Stuttgart geleitet. Wer auf dem Weg in die Landeshauptstadt ist, kommt zweispurig halbwegs flüssig durch. Zum Stillstand kommt in Stoßzeiten der Verkehr von Stuttgart in Richtung Tübingen, ein gutes Stück hinter der Aichtalbrücke beginnt sich der Verkehr zu stauen. Der Grund ist ein einspuriges Nadelöhr, durch das alle hindurch müssen – und das dreieinhalb Monate lang. Erst Mitte Dezember wird es wieder zweispurig rollen. Die Baustelle macht dann Winterpause. In einem zweiten Abschnitt von April bis September 2018 wird weiter saniert, es werde aber „voraussichtlich nur zu geringen Beeinflussungen des Verkehrsflusses kommen“, schreibt das Regierungspräsidium Tübingen in einer Stellungnahme.

Für viele Pendler ist das Nadelöhr das größte Ärgernis der Langzeitbaustelle. „Wer hat das bloß geplant?“, fragen sich die staugeplagten Auto- oder Lastwagenfahrer, die in Stoßzeiten locker eine halbe Stunde länger brauchen. Geplagt sind auch die Anwohner entlang der Ausweichstrecken, denn die Navigationsgeräte lotsen die Fahrer auf schnellere Routen etwa durch den Schönbuch oder über die B 297 oder B 312 an Neckartenzlingen vorbei. Vor allem die Dauer der Baustelle treibt viele Autofahrer um. Während bei der Montage der Mittelleitplanke auch nachts gearbeitet wurde, schließt das Regierungspräsidium Nachtarbeiten „aus Witterungsgründen“ aus. Es werde von Montag bis Samstag „unter Ausnutzung des Tageslichts“ gearbeitet, rund 15 bis 20 Beschäftigte seien werktäglich im Einsatz, lautet die Auskunft des Regierungspräsidiums.

Staus mit Ansage gab es in der Vergangenheit regelmäßig

Eine schnellere Abwicklung sei nicht möglich, heißt es. Fünf Mittelstützen zu sanieren, vier Brücken und rund 65 000 Quadratmeter Fahrbahndecke in einer Bauzeit von vier Monaten sei bereits eine Optimierung. „Bei vergleichbaren Baumaßnahmen betragen die veranschlagten Bauzeiten in der Regel sechs Monate und mehr“, schreibt der Pressesprecher.

Für viele Autofahrer ist die B 27 südlich von Stuttgart seit Jahren eine Großbaustelle. An vielen Stellen wurde der Belag gemacht, dann kam die eine oder andere Brücke und Anschlussstelle dran, schließlich wurden die Schutzplanken ausgetauscht. Staus mit Ansage gab es regelmäßig.

Genervt von den Folgen der vielen Baumaßnahmen ist auch der Rathauschef Gerhard Gertitschke. „Wir spüren deutlich, dass mehr Schleichwege gesucht werden“, sagt der Bürgermeister von Neckartailfingen. „Wir hatten in den letzten zwei Jahren nur noch Baustellen“, sagt Gertitschke und erzählt, dass der Verkehr derzeit durch ruhige Wohngebiete geleitet werde. Irgendwann müssten eben die anstehenden Arbeiten gemacht werden, er sehe das pragmatisch. Eines allerdings wünscht sich der Bürgermeister schon lange: eine zentrale Koordinierungsstelle, die den Überblick hat, wann welche Baustellen anstehen. Angesiedelt bei den Landkreisen, gut vernetzt mit den Kommunen und den Regierungspräsidien. Denn eines sei deutlich geworden, sagt Gertitschke: „Koordiniert wird viel zu wenig.“