Links im Jahre 1955, rechts 2015: Zwischen den beiden Luftaufnahmen des Roser-Areals in Feuerbach liegen 60 Jahre. Foto: Jan Georg Plavec

Wo früher die Lederfabrik C. F. Roser in Stuttgart-Feuerbach produzierte, befindet sich heute ein lebendiges Stadtquartier.

Feuerbach - Wer dokumentieren will, wie sich Feuerbach in den vergangenen 50 Jahren verändert hat und wie es sich weiter wandeln wird, der begibt sich am besten auf den Roser-Platz. Das Roser steht exemplarisch für den Stadtbezirk. Anhand des Geländes zwischen der Stuttgarter Straße und der Oswald-Hesse-Straße lässt sich gut verdeutlichen, wie aus einer unansehnlichen Industriebrache etwas städtebauliche Gelungenes entwickelt werden kann. Wo einst Leder gegerbt und Bezüge für Autositze hergestellt wurden, wuchs ein bunt gemischtes Stadtquartier heran. Die Industrie machte Platz für Neues: Kunst und Kultur, Geschäfte, Einzelhandel, ein Baumarkt, ein Pflegeheim, eine Brauerei mit Biergarten, Restaurants, ein Gesundheitszentrum, ein Biomarkt, Bürogebäude und Wohnungen sind dort zu finden. Ein kunterbunter, lebendiger Mix.

Kurze Rückblende: Im September 1994 hatte die Firma C.F. Roser einen Antrag auf Vergleich beim Amtsgericht Bad Cannstatt gestellt. 1995 beschloss die Firma, ihre Produktion am Standort Feuerbach einzustellen. Zum Insolvenzverwalter wurde Volker Grub bestellt. Bereits 1872 war Roser von Stuttgart nach Feuerbach gezogen. Die Zeichen standen auf Expansion und Feuerbach bot Raum für eine Firmenvergrößerung. Bis 1934 wurde ständig erweitert und umgebaut. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg folgten noch goldene Jahre. Roser war Mitte der 1980er Jahre führender Hersteller bei Autolederbezügen.

Doch schon zehn Jahre später war Schicht im Schacht. Und Mitte April 1997 trafen sich Interessierte auf dem Roser-Gelände, um ein letztes Mal die alten Backsteingebäude zu besichtigen: Rund 200 Personen folgten der Einladung und traten zum finalen Gang über das Fabrikgelände zwischen der Stuttgarter und der Oswald-Hesse-Straße an. Kurze Zeit später rollten die Abrissbagger und fuhren ihre stählernen Zangen und Greifer aus.

Kulisse für einen Western

Da lagen die neuen Pläne schon fertig in der Schublade. Doch vorher dienten die alten Werkshallen und verwinkelten Innenhöfe als Kulisse für einen Western, wie sich der Leiter des Freien Musikzentrums, Andreas G. Winter, erinnert. Studenten haben dort gedreht, der Titel des kurzen Streifens hieß: „Mal mir das Lied vom Tod!“

Wie Winter zum ehemaligen Roser-Verwaltungsgebäude kam, ist auch so eine verrückte Geschichte. Er musste damals raus aus dem Gebäude an der Elsenhansstraße 22, das er für den Betrieb seiner Musikschule gemietet hatte. Im Keller sprießten kristalline Chromat-Blumen, es waren hochgiftige Ausblühungen, Chrom 6. „Wir haben hängeringend etwas Neues gesucht.“ Fündig wurde er auf dem Roser-Gelände. Denn das frühere Verwaltungsgebäude an der Stuttgarter Straße stand unter Denkmalschutz und durfte daher nicht abgerissen werden. Also fragte er Insolvenzverwalter Grub: „Können wir bei Ihnen Asyl bekommen?“

Grub willigte ein, und noch mehr: „Wir durften zu den gleichen Mietkonditionen wie im alten Haus einziehen“, berichtet Winter. Als die Dibag Industriebau AG aus München als Projektentwickler das Roser-Areal kaufte, wurden die Karten neu gemischt. Irgendwann saß Andreas Winter, der Stuttgarter Pianist und Musikschulbetreiber, dem Münchner Geschäftsmann und Immobilienunternehmer Alfons Doblinger gegenüber. Der hatte im Hotel Graf Zeppelin mehrere Zimmer reserviert, um seine Verhandlungen zu führen. Doch anstatt über den Kaufpreis für das Haus zu verhandeln, interessierte sich Doblinger eher für Kunst und Kultur. „Wir haben uns ausgezeichnet über Hermann Hesse, Literatur und Musik unterhalten“, berichtet Winter. Doblinger sei sehr freundlich gewesen, habe aber überhaupt nicht übers Geschäft sprechen wollen. Nachdem er sich ein ausreichendes Bild von seinem Gegenüber gemacht hatte, meinte Doblinger nur: „Das Geschäftliche können Sie dann mit meinen Leuten besprechen.“ Gesagt, getan.

Ort der Kunst und Kultur

So entstand aus dem Verwaltungsgebäude ein Ort der Kunst und Kultur. Konzerte, Empfänge und Bühnenauftritte finden im Erdgeschoss statt, dort, wo früher die Kantine war. Die Mobile Jugendarbeit hat ihre Räume, wo früher die Küche war. In den oberen Stockwerken befinden sich Bürgerhaus-Etage und Musikschule.

Auch der inzwischen verstorbene Puppenspieler Albrecht Roser fand im Roser-Haus mit Clown Gustaf und seinem restlichen Ensemble eine Spielstätte. Er war ja eher der ungeliebte Spross der Fabrikantenfamilie. „Dass er, das schwarze Schaf, später genau in den Räumen der Firma, die seine Familie an die Wand gefahren hat, Geld verdienen durfte, hat ihn doch ziemlich gefreut“, schmunzelt Winter.