Adrian Zeiher hat ein strammes Programm – Taxi fahren, danach lernen, fast täglich. Foto: Gottfried Stoppel

Vor einigen Monaten ist das Kolping-Abendgymnasium im Backnanger Bildungshaus eröffnet worden. Der Taxifahrer Adrian Zeiher erzählt, warum er fast täglich nach der Arbeit büffel will – und das vier Jahre lang. Bis Mitte Februar ist ein Einstieg in den laufenden Kurs möglich.

Backnang - Adrian Zeiher weiß, was er will. Doch das war nicht immer so. Der 25-jährige Mann aus Backnang war früher in der Schule nicht übermäßig motiviert. „Ich war ein sturer Bock“, sagt er und grinst verschmitzt. Er hat schlussendlich den Hauptschulabschluss geschafft, immerhin.

Dann war der junge Mann ein Jahr lang bei der Bundeswehr. Anschließend hat er gejobbt, mal hier, mal dort. „Ich brauche doch keinen tollen Schulabschluss“, das habe er sich damals wohl gedacht, erzählt Zeiher an diesem Nachmittag. Er sitzt in einem Klassenzimmer im neuen Abendgymnasium, welches das Kolpingwerk vor ein paar Monaten im Backnanger Bildungshaus beim Bahnhof eröffnet hat.

Physiotherapeuten, Fachkräfte für Flüchtlingspädagogik

Tagsüber fährt Zeiher Taxi, von morgens bis spätnachmittags. Er muss seinen Lebensunterhalt schließlich irgendwie finanzieren. Und Taxifahren sei eine vergleichsweise einfache Tätigkeit, sagt er. Wenn er Wartezeit habe, könne er manchmal nebenbei ein bisschen lernen. Unmittelbar nach der Arbeit und an den Wochenenden büffelt Zeiher auch – nahezu an jedem Tag. Wie kam es zu seinem Sinnenswandel? Zeiher sagt, er habe gelernt: ohne Anstrengung geht’s nicht – „die Realität sieht halt anders aus, als ich früher dachte“. Er will nach dem Abitur studieren, am liebsten Astronomie in Heidelberg: „Das ist mein Weg.“

Klaus Herberts leitet das Kolping-Bildungshaus. Er erzählt, dass es an der neuen Backnanger Bildungseinrichtung möglich sei, auch die Fachhochschulreife nachzuholen. Ferner sollen im Bildungshaus künftig Physiotherapeuten und Fachkräfte für Flüchtlingspädagogik ausgebildet werden. Die Einrichtung ist aber erst im Aufbau. Viele Räume stehen zurzeit noch leer. Das, sagt Herberts, der früher die Volkshochschule in Murrhardt geleitet hat, solle sich aber möglichst bald ändern. Momentan drücken lediglich knapp ein Dutzend Männer und Frauen die Schulbank im Abendgymnasium.

„Aufgeben ist für mich keine Option“

Die meisten von ihnen sind Mitte 20 – und sie bekommen demnächst Zeugnisse. Adrian Zeiher sei ein guter Schüler, er könne mit einem Notendurchschnitt von 1,8 rechnen, erzählt Herberts über Adrian Zeiher. Der Taxifahrer und Abendschüler sagt: „Aufgeben ist für mich keine Option.“ Er hat sich, abgesehen vom Lernen, einiges vorgenommen: Momentan lebt er bei seiner Oma, will aber demnächst eine eigene Wohnung beziehen. Und ein Auto will er sich auch kaufen.

Bleibt eine Frage: Hat er neben der Arbeit und dem Lernen überhaupt noch Freizeit? Kaum, sagt er. Die Freitagabende allerdings hat er sich freigeschaufelt – um regelmäßig ein bisschen Sport zu treiben.

Das Backnanger Bildungshaus beim Bahnhof

Abendgymnasium
Wer das Abendgymnasium besuchen will, der muss die Mittlere Reife haben oder einen Vorkurs besuchen. Bis Mitte Februar ist es möglich, in den laufenden Kurs einzusteigen. Der Weg bis zum Abitur dauert drei bis vier Jahre. Die ersten zehn Teilnehmer, die sich jetzt zum Halbjahr anmelden, müssen kein Schulgeld bezahlen. Normalerweise kostet der Besuch des Abendgymnasiums 50 Euro im Monat.

Bildungshaus
Die Stadt Backnang hat das Bildungshaus im September vergangenen Jahres eröffnet. Die Kommune hat in das Mammutprojekt rund 6,8 Millionen Euro investiert. OB Frank Nopper sagte bei der Eröffnung, das Bildungshaus katapultiere Backnang in eine andere Liga, es gehöre zu den größten Bauprojekten in der Stadtgeschichte. In dem Gebäude ist auch die Volkshochschule Backnang untergebracht.

Physiotherapie
Noch in diesem Jahr eröffnet das Kolping-Bildungszentrum eine Fachschule für Physiotherapie. Es soll möglich sein, parallel zur Ausbildung auch einen Bachelor-Abschluss zu erwerben. Das monatliche Schulgeld beträgt 295 Euro, für den sogenannten ausbildungsintegrierten Bachelor-Studiengang liegt es bei 480 Euro.