Wie geht’s weiter? Kanzlerin Angela Merkel bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Foto: Getty

Nach dem Abbruch der Jamaika-Sondierungsgespräche muss die FDP wissen: Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen, kommentiert unser stellvertretender Chefredakteur Wolfgang Molitor.

Stuttgart - Der Bundespräsident erinnert die Parteien an ihre Verantwortung zur Regierungsbildung. Was soll Frank-Walter Steinmeier auch anderes tun? Denn in Berlin regiert im Moment neben einer geschäftsführenden Kanzlerin vor allem die Ratlosigkeit. Das Scheitern der schwarz-gelb-grünen Sondierungen stellt die Republik vor eine ungewohnte Herausforderung. Das führt zu Nervosität und Frust.

Aber wäre ein Jamaikaschrecken ohne Ende wirklich besser gewesen als das Jamaikaende mit Schrecken? Wie hätte ein sich offensichtlich fremd gebliebenes, von unüberwindbarem Misstrauen heimgesuchtes Bündnis vier lange Jahre eine konstruktive und berechenbare Politik machen sollen? Da ist es verständlich, das Experiment, wenngleich in allerletzter Stunde, abzubrechen.

Scheitern schadet der Demokratie nicht

Natürlich trifft es nun die FDP, die das Ende der zähen Sondierungen für die allermeisten Beteiligten überraschend, wenngleich nicht ohne frühe Vorwarnungen, verkündet hat. Ob sich die liberalen damit einen Gefallen tun, zählt zu den besonders spannenden Fragen der kommenden Wochen. Aber so selbstverständlich, wie der Wähler die bereits kurz nach der ersten Wahlprognose in Beton gegossene, jetzt noch einmal vom Bundesvorstand einstimmig wie eigennützig bekräftigte SPD-Totalverweigerung akzeptiert zu haben scheint, so nüchtern sollte er auch den Schritt der FDP einordnen. Christian Lindners Ausstiegserklärung mag nicht ins vielfarbige Von-allem-ein-bisschen-Konzept passen und angesichts ungewisser Abläufe und Konsequenzen sowie neuer Mühen willige Verwirrung, zornige Unsicherheit und naive Enttäuschung auslösen: Aber der FDP-Chef zeigt damit, dass mathematische Mehrheiten eben nicht auf Teufel komm raus inhaltlich glattgebügelt werden können. Auch das schadet der Demokratie nicht.

Es ist zu früh, zu spekulieren, was das für die politische Zukunft der geschäftsführenden Regierungschefin heißt. Noch ist nicht klar, was die schnelle Rückenstärkung der Union wert ist, wenn es darum geht, ob Angela Merkel – ohne Zweifel schwer angeschlagen – im Fall einer Neuwahl noch einmal um die Kanzlerschaft kämpfen soll. In noch dramatischerer Weise stellt sich die Kandidatenfrage für die SPD. Wieder mit Martin Schulz? Die Partei wird sich nicht ein zweites Mal überrumpeln lassen dürfen.

Die Karten werden neu gemischt

Ob CSU, CDU, Grüne oder SPD: Die Karten werden wieder neu gemischt. Vor allem die FDP aber sollte sich in den nächsten Tagen an einen Satz des genialen SPD-Provokateurs Herbert Wehner erinnern, der am 13. März 1975 einer empörten Unionsfraktion, die unter Protest aus dem Plenarsaal des Bundestags auszog, nachgeschleudert hatte: „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen.“ So ähnlich dürfte auch Steinmeier seine Mahnung verstanden wissen wollen.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de