Neulich im Affenkäfig: Gerd Ritter (links) und Alexander Redwitz in „Darwins Erbe“ Foto: Jes

Heute läuft die natürliche Auslese übers Geld. Das behauptet Evelyne de la Chenelière in ihrem Theaterstück „Darwins Erbe“, das das Junge Ensemble Stuttgart spielt. Und konsequent steckt der Regisseur Frank Hörner die beiden Protagonisten in einen Affenkäfig.

Stuttgart - Es gilt als ausgemachte Sache: Nur der Stärkste überlebt. Was aber, wenn sich ein schwaches Bürschchen mutig der Bestie entgegenstellt und sie fauchend vertreibt? Dann wird deutlich, dass man Charles Darwins Evolutionstheorie genauso differenziert betrachten sollte wie die Frage, woran sich das Starke, das Beste eigentlich misst. Julien dagegen fragt sich, ob er selbst zur „Weiterentwicklung seiner Gattung“ beiträgt und „vorteilhafte Merkmale“ besitzt. Immerhin, er hat gute Voraussetzungen. Die Eltern sind reich, sie werden ihn auf eine teure Privatschule schicken. Eines hat der Junge bereits verstanden: Beim Menschen zählen nicht mehr körperliche Unterschiede, sondern „die natürliche Auslese läuft übers Geld.“

Darwin trifft auf die Freunde Julien und Jacques

„Darwins Erbe“ nennt sich ein Theaterstück von Evelyne de la Chenelière, das das Junge Ensemble Stuttgart nun herausgebracht hat und das auf Darwins gern zitierter und oft missbrauchter These „survival of the fittest“ basiert – es überlebt, wer am besten an seine Umwelt angepasst ist. Die kanadische Autorin verbindet Darwin mit der Geschichte zweier Freunde: Julien ist das Söhnchen aus besserem Hause, Jacques Kind eines Säufers, der sich mit Pfandflaschen „100 Eier“ zusammengespart hat, die Julien nun prompt benötigt. Er hat in riskante Geschäfte investiert – und wenn er nicht sofort viel Geld zusammenkratzt, bekommt er Ärger.

Der Regisseur Frank Hörner hat die beiden Jungen wie Affen in einen Käfig gesperrt, bedrohlich brüllt es im Hintergrund. Alexander Redwitz als Julien verfällt immer wieder in äffisches Gebaren, er klettert die Gitterstäbe hoch oder springt viehisch umher, um zu zeigen, dass der Mensch letztlich auch nur ein Tier ist. Gerd Ritter als Jacques dagegen erinnert an einen Rocker aus den Achtzigern, der alte Pophits zur Minigitarre singt und trotz seiner Jugend schon lebensweise wirkt.

Die Verflechtung von Adoleszenzdrama und Evolutionstheorie überzeugt nicht ganz

Redwitz und Ritter sind ein bestens eingespieltes Team, vielseitig und sowohl bei den leisen Tönen als auch bei den Wutausbrüchen überzeugend. Dafür, dass das Stück für Kinder von elf Jahren an konzipiert ist, wartet es zwischendrin allerdings mit manch hartem Tobak auf. Da geht es um den Tod des Nachbarjungen, um die 15-jährige Larissa, die abgetrieben hat, und Jacques’ Hund, der „voll mit Krebs“ ist, weshalb die Mutter ihn ertränken will.

So richtig überzeugend ist der Autorin die Verflechtung von Adoleszenzdrama und Darwin nicht gelungen, sie sorgt in Sachen natürliche Selektion auch eher für Verwirrung als für Klärung, liefert zum Schluss aber immerhin eine tröstliche Botschaft: „Mein Erbe ist mehr als Gene, die weitergegeben werden.“

Weitere Aufführungen am 27. und 28. April, 30. Juni und 1 . Juli