Marianne Reeb, Trendforscherin bei Daimler, erläutert das Zukunftsbild von Stuttgart. Foto: factum/Bach

Autos, die selbst parken, und Seilbahnen zum Transport von Personen und Gütern – Professorin Marianne Reeb und ihr Team machen sich bei Daimler ein Bild von der Mobilität der Zukunft. Im Interview erklärt die Trendforscherin, wie Stuttgart künftig aussehen könnte.

Stuttgart - Die Zukunft ist im vierten Stock eines Bürogebäudes im Sindelfinger Gewerbegebiet angesiedelt. Hier arbeitet Marianne Reeb, Professorin für Kulturarbeit, mit ihrem Team. Im großen Denkstübchen der Abteilung „Future, Life, Mobility“ von Daimler stehen auch die großen Zukunftsbilder von Stuttgart, Berlin und Los Angeles, die uns die Futurologin und Trendforscherin im Gespräch erläutert.

Frau Reeb, Sie haben ein Zukunftsbild von Stuttgart entworfen. Man schreibt das Jahr 2035 und blickt von der Hohenheimer Straße in Richtung Charlottenplatz. Kommt alles so?
Zuerst: Das ist kein Plan für Stuttgart, sondern ein Bild von Stuttgart, wie es in 20 Jahren sein könnte – und zwar ein optimistisches. Unsere Aufgabe als Zukunftsforscher ist es, den Kollegen im Unternehmen Lust darauf zu machen, Zukunft zu gestalten.
Wie realistisch sind Ihre Zukunftsbilder?
Wir zeigen, wie es aussehen könnte. Wir gehen zum Beispiel davon aus, dass autonomes Fahren bis dahin Realität ist. Und der Verkehr wird weitgehend emissionsfrei sein. Wir wollen einen Anstoß geben, über die Mobilität der Zukunft nachzudenken. Im Übrigen kommt einiges davon im Zukunftskonzept 2030 der Stadt Stuttgart vor.
In Ihrem Zukunftsbild sind viele Menschen in der Stadt unterwegs. Ist es so, dass die Menschen sich die Innenstädte zurückerobern?
In der Tat, sie erobern sich die Städte zurück. Wenn Sie sich Stadtentwicklungsziele weltweit anschauen, dann war in den 1960er und 1970er Jahren das Ziel, auto- und später verkehrsgerechte Städte zu bauen. Jetzt sind menschengerechte Städte mit hoher Lebensqualität das Ziel. Es ziehen ja auch immer mehr Menschen in die Städte. Das klassische Szenario, der Städter zieht raus, wenn er eine Familie gründet, hat sich umgedreht. Man sucht die Nähe zur Stadt.
Und am Ende gibt es keine Autos mehr in der Stadt?
Alle Autos aus einer Stadt zu verbannen funktioniert mit den Menschen nicht. Solche Extremszenarien sind absurd. Nicht jeder will sharen, also das Auto teilen, oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Es wird immer Menschen geben, die ein eigenes Auto haben und damit fahren wollen. Wir sind uns darüber einig, dass unsere Welt sehr ausdifferenziert und heterogen ist. Warum sollte das in Zukunft anders sein?
Handel und autofreie City – in Stuttgart aktuell ein großes Streitthema. Der Handel sagt, man brauche die Parkplätze, Oberbürgermeister Kuhn argumentiert, je lebenswerter eine City ist, umso mehr profitiert der Handel. Wie sehen Sie das?
Wenn die Innenstädte attraktiver werden, profitiert der Handel. Das ist so. Wichtig ist bei solchen Fragen aber immer, im Blick zu behalten, was die Menschen annehmen. Das heißt: Wenn es attraktive Alternativen gibt, brauchen sie auch nicht so viele Parkplätze. Entscheidend ist, dass die Alternativen nicht viel mehr kosten und nicht weniger bequem sind. Das haben wir beim Thema umweltfreundliche Produkte gelernt. Nur ein kleiner Teil der Menschen ist bereit, für eine gute Sache mehr zu zahlen. Die allermeisten sind bei der Kaufentscheidung auf ihre Vorteile bedacht. So ist das bei der Mobilität auch.