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Der Autobauer Daimler steht in der Kritik, Menschen am Band zu niedrigen Löhnen anzustellen.

Stuttgart - Immer wieder macht Daimler mit Fällen niedriger Bezahlung von sich reden. Möglich ist das durch den Einkauf von Arbeitsleistung über Werkverträge – der Betriebsrat wirft der Firmenleitung vor, verstärkt solche Verträge zu nutzen.

„Hungerlohn am Fließband: Wie Tarife ausgehebelt werden“ – unter diesem Titel strahlte die ARD einen Beitrag aus, der die Arbeitsbedingungen bei dem Premiumhersteller Daimler an den Pranger stellt. Demnach hat ein SWR-Reporter während einer verdeckten Recherche Hand in Hand mit Stammbeschäftigten im Untertürkheimer Motorenwerk gearbeitet – mit 8,19 Euro die Stunde aber nur ein Bruchteil von ihnen verdient. Bei einem Monatslohn von etwa 1220 Euro brutto hatte der vierfache Familienvater zusätzlich Anspruch auf Hartz-IV-Aufstockung von 1550 Euro monatlich.

Die Daimler-Pressestelle sah sich nach der TV-Ausstrahlung zu einer dreiseitigen Stellungnahme veranlasst, in der sie den Darstellungen der ARD teils widerspricht. Tatsächlich beschreibt der Beitrag jedoch eine Arbeitsvertrags-Konstellation, die bei Daimler durchaus üblich ist und über die unsere Zeitung bereits im März 2010 berichtet hat. Schon damals warfen Betriebsräte dem Management vor, systematisch bei Fremdfirmen Leistungen billiger einzukaufen und „in Kauf zu nehmen, dass sich prekäre Arbeitsverhältnisse weiter verbreiten“, erklärte Betriebsrat Tom Adler. Als Beispiel wurden damals Mitarbeiter eines Logistikdienstleister genannt, die für 7,51 Euro Stundenlohn in Untertürkheim im Einsatz waren. Um den gleichen Dienstleister geht es auch in der ARD, seither hat sich der Stundenlohn für Leiharbeiter in der untersten Gehaltsstufe auf 8,19 Euro erhöht.

Daimler: Gesetze einhalten ist Pflicht

Dass diese auch bei Daimler so wenig verdienen liegt daran, dass der Autobauer nicht die Arbeitskräfte, sondern einen bestimmten Arbeitsumfang per Werkvertrag bei einer Fremdfirma einkauft. Wie viele Mitarbeiter Letztere damit beschäftigt und wie die Firma diese entlohnt, bleibt ihr überlassen. Allerdings sind die beauftragten Unternehmen laut einem Daimler-Sprecher vertraglich verpflichtet, sich an Gesetze und Tarifverträge zu halten. Dies sei im Fall des SWR-Reporters geschehen – als Angestellter einer Leiharbeitsfirma bekam er den korrekten Zeitarbeitslohn. Die Leiharbeitsfirma hat den Reporter an den Logistikdienstleister verliehen, der ihn wiederum bei Daimler eingesetzt hat. Zum Vergleich: Hätte Daimler den Leiharbeiter direkt angestellt würde er gemäß einer Vereinbarung in der Produktion genau so viel verdienen wie ein festangestellter Berufsanfänger. Aktuell sind das 17,80 Euro die Stunde.

Da der Reporter neben Stammbeschäftigten am Fließband gearbeitet hat, vermutet Arbeitsmarktforscher Stefan Sell eine Form der illegalen Arbeitnehmerüberlassung. Diese ist zum Beispiel gegeben, wenn Werkvertrag-Beschäftigte Anweisungen nicht vom Dienstleister, sondern vom Auftraggeber erhalten – in diesem Fall von Daimler. Der Autobauer bestreitet, dass dies so war. „Die Einhaltung sämtlicher arbeitsrechtlicher Vorgaben zur Abgrenzung von Tätigkeiten von Drittfirmen genießt bei Daimler höchste Aufmerksamkeit“, sagte Personalchef Wilfried Porth. Verstöße seien nicht akzeptabel.

Der Betriebsrat in Untertürkheim fordert nun erneut eine Vereinbarung zur Anwendung von Werkverträgen. Anders als beim Einsatz von Leiharbeit haben Arbeitnehmervertreter dabei kein Mitspracherecht. Betriebsratschef Wolfgang Nieke: „Es ist nicht in Ordnung, wenn das Unternehmen Tätigkeiten, die bisher von unseren Mitarbeitern gemacht wurden, zur Kostenreduzierung fremd vergibt und diese Fremdfirmen beschäftigen dann Menschen zu Dumpinglöhnen.“ Laut Nieke wandelt der Autobauer in der Entwicklung immer mehr Zeitarbeits- in Werkverträge um und versucht somit, die 2012 ausgehandelte Übernahmeverpflichtung für Leiharbeiter nach 24 Monaten zu umgehen. Das Unternehmen nennt die Zahl der Werkverträge „eher rückläufig“.