Auch VW investiert seit Jahrzehnten in Mexiko: Hier macht ein Mitarbeiter im Werk in Puebla die Endabnahme an einem VW Beetle (Archivbild). Foto: dpa

Die großen Autohersteller drängen nach Mexiko, weil sie unter anderem von günstigen Löhnen profitieren. Audi investiert eine Milliarde Euro für ein neues Werk. Auch Daimler und BMW bauen neue Fabriken.

Mexiko Stadt - Allzu viel Gutes gibt es derzeit über Mexikos Wirtschaft nicht zu berichten: Die Strukturreformen der Regierung greifen kaum, das Wachstum kommt nicht in Schwung, und der Peso verliert galoppierend an Wert, weil die Ölpreise niedrig sind und die Angst vor einem US-Präsidenten Donald Trump die Märkte panisch macht. Aber ein Sektor wächst davon unberührt und schreibt eine sehr mexikanische Erfolgsgeschichte: der Automobilsektor. Fast jeder globale Fahrzeugkonstrukteur ist bereits in dem nordamerikanischen Land oder will hierher.

Zwischen 2002 und 2012 flossen nach Angaben des mexikanischen Branchenverbandes AMIA mehr als 20 Milliarden Dollar (18 Milliarden Euro) in den Sektor, darunter auch die von Audi und BMW, die ihre ersten Fertigungen in Mexiko aufbauen. Die Münchner werden wohl 2019 die Produktion starten. Die Ingolstädter Konkurrenz startet am Freitag mit der Eröffnung des Werks in San José Chiapa im Bundesstaat Puebla rund 185 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Mexico City. Dort sollen jährlich rund 150 000 Fahrzeuge vom Modell Q5 vom Band laufen. Der Löwenanteil geht in den Export, vor allem nach Nordamerika. Ein kleiner Teil ist für den wachsenden mexikanischen Premium-Sektor vorgesehen. Auch Daimler baut gemeinsam mit Nissan ein Werk, Eröffnung vermutlich 2017.

Die globalen Autohersteller drängen massiv nach Mexiko, weil ihnen eine Fertigung hier gleich einen ganzen Strauß an Vorteilen bringt: Die Nähe zu den USA, dem wichtigsten Automarkt der Welt, Freihandelsverträge mit 46 Staaten und damit zollbegünstigter Export, eine gut 50 Jahre alte Tradition in der Fertigung im Automobilsektor und vor allem Löhne, die im internationalen Vergleich nahezu absurd niedrig sind. Nach Daten des mexikanischen Wirtschaftsministeriums verdient ein Autowerker in Mexiko durchschnittlich knapp vier Dollar (3,57 Euro) die Stunde, während der Lohn in Brasilien bei 11,4 Dollar (10,1 Euro) und in Ungarn beispielsweise bei neun Dollar (acht Euro) liegt. In den USA liegt er im Schnitt sogar bei um die 50 Dollar (44 Euro). Dementsprechend stehen in Mexiko Qualität und Kosten in einem ausgesprochen guten Verhältnis für die Hersteller, zumal das Land über hervorragendes Know-how und gut ausgebildete Facharbeiter verfügt.

Das Audi-Werk sei ein „Meilenstein“, heißt es

Alle diese Faktoren gaben auch für Audi den Ausschlag, gut eine Milliarde Euro in Montagehallen, Lackierereien, Presswerk, Qualitätslabor, Ausbildungszentrum sowie einen Logistik-Park zu investieren. Rund 4200 Arbeiter werden in der Fabrik beschäftigt sein, ein großer Teil wurde in Ingolstadt ausgebildet. Das Audi-Werk sei „ein echter Meilenstein“ im Prozess der Konsolidierung des mexikanischen Automarktes, freut sich Johannes Hauser, Delegierter der Deutschen Wirtschaft für Mexiko und hebt hervor, dass mit Audi erstmals auch ein Premiumhersteller in Mexiko fertigt. „Das beweist das Vertrauen in die Fertigkeiten hier“, sagt Hauser.

Volkswagen baut bereits seit rund einem halben Jahrhundert in Mexiko und hat in Puebla eines der größten Einzelwerke innerhalb des Konzerns stehen. Dort wo früher der legendäre Käfer vom Band lief, werden heute der Beetle II, der Golf Variant und der Jetta erfolgreich für den Weltmarkt zusammengesetzt. Ab kommendem Jahr soll zudem das neue Tiguan-Modell in Puebla gefertigt werden. Der südkoreanische Autobauer Kia hat eine Milliarde Dollar in ein neues Werk investiert. Und der US-Autokonzern Ford will in den kommenden Jahren die Produktion von Kleinwagen aus den Vereinigten Staaten komplett nach Mexiko verlegen. Dabei geht es vor allem um die Fertigung von Fahrzeugen des Typs Focus. US-Präsidentschaftskandidat Trump bezeichnete das als „nationale Schande“ und rief dazu auf, die Verlegung nicht zuzulassen. Aber auch Toyota verlegt die Produktion des Modells Corolla von Kanada nach Mexiko.

Das alles lässt Mexiko angriffslustig werden. Im vergangenen Jahr liefen nach Angaben des internationalen Automobilherstellerverbands OICA in dem Land 3,5 Millionen Fahrzeuge vom Band (5,9 Prozent mehr als 2014). Damit ist Mexiko siebter Produzent im globalen Automobilbetrieb. Die Inder (2015: 4,1 Millionen Autos) und die Südkoreaner (4,5 Millionen) sind die nächsten, die überholt werden. Der mexikanische Herstellerverband AMIA schätzt, dass es dieses Jahr vier Millionen Einheiten werden, 2020 könnte die Fünf-Millionen-Marke erreicht werden. Selbst Deutschland scheint mit seinen knapp sechs Millionen Fahrzeugen pro Jahr in Reichweite. Lediglich die USA, Japan und China spielen in einer anderen Liga. „Wir erleben gerade viel Wachstum, historisches Wachstum“, frohlockt AMIA-Chef Eduardo Solís.