Aktionäre verfolgen in Berlin die Hauptversammlung von Daimler Foto: dpa

Daimler-Chef Dieter Zetsche musste in der Vergangenheit manche Kritik einstecken. Jetzt hat der Aufsichtsrat ihm den Rücken gestärkt. Er kann den Konzern wohl bis Ende 2019 führen.

Berlin - Klar, manche haben immer etwas zu meckern. Ingo Speich etwa von der Union Investment, der vier Millionen Anleger vertritt. Die acht Prozent Rendite, die Daimler im vergangenen Jahr erreicht hat, sind ihm zu wenig. BMW und Audi erreichen mehr als neun Prozent, rechnet er vor. „Was können Sie dem entgegenhalten, Herr Zetsche?“

Auch das Engagement in der Formel 1 passt ihm nicht. Und bei der Elektromobilität sieht er den Konkurrenten BMW als Vorreiter mit einem durchdachten Ansatz.

Der Daimler-Chef sitzt derweil ungerührt auf dem riesigen Podium im City Cube Berlin, wo die Hauptversammlung das erste Mal residiert. Eine Stunde zuvor hat Aufsichtsratschef Manfred Bischoff verkündet, dass das Kontrollgremium Zetsches Vertrag gerne um drei Jahre verlängern würde. Vergessen sind die Diskussionen und Spekulationen um Nachfolge oder Doppelrolle als Konzern- und Mercedes-Chef.

Zetsche streicht über seinen markanten Schnurrbart. Hinter ihm prangt der Daimler-Schriftzug in neuem Design. Und irgendwie passt die Szene zum aktuellen Bild des Konzerns, das der Vorstandschef in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt hat: dynamisch, erfolgreich, aber gelassen.

Absatz, Umsatz und Gewinn erreichten neue Bestwerte

2014 war ein Rekordjahr in der Geschichte des Daimler-Konzerns. Absatz, Umsatz und Gewinn erreichten neue Bestwerte. Davon profitieren auch die Aktionäre, die dem Konzernchef während seiner Rede immer wieder Beifall spenden. Der Kurs ist auf Höhenflug. Die Dividende klettert auf 2,45 Euro je Aktie. Im Vorjahr waren es 2,25 Euro. Die Ausschüttungssumme beträgt 2,6 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es 2,4 Milliarden Euro. Wer wollte da schon meckern?

Zetsche, der am 5. Mai seinen 62. Geburtstag feiert, war in den vergangenen Jahren nicht unumstritten. Doch daran denkt heute keiner mehr. Seine Strategie, die er trotz vieler Widerstände und Kritik unbeirrt verfolgt hat, zahlt sich jetzt aus.

Da ist zum einen die Modelloffensive. Allein im vergangenen Jahr kamen acht neue oder überarbeitete Modelle auf den Markt wie etwa der kompakte Geländewagen oder die neue C-Klasse. In diesem Jahr geht es mit den Geländewagen GLE Coupé oder dem GLC weiter. Jede Nische wird besetzt.

Für die kommenden Jahre kündigt der Daimler-Chef beispielsweise einen mittelgroßen Pick-up-Truck an. „Wir bringen mit viel höherer Frequenz als bisher neue Produkte auf den Markt“, sagte Zetsche bei der Hauptversammlung. Vor allem mit den Kompaktmodellen ist es Daimler gelungen, neue und jüngere Kunden zu gewinnen – nicht zuletzt dank des neuen, sportlicheren Designs und der einheitlichen Formensprache aller Modelle.

Zurückhaltung bei der E-Mobilität war nicht unklug

Als klug erwiesen hat sich zudem Zetsches Zurückhaltung bei der E-Mobilität. Während andere Hersteller viel Geld in eigene Fabriken investiert haben und kaum Autos an die Kunden bringen, setzt Daimler auf eine Baustein-Strategie. Um den Verbrauch der Flotte weiter zu senken, sollen in den nächsten Jahren Modelle mit kombiniertem Verbrennungsmotor und an der Steckdose aufladbarer Batterie auf den Markt kommen.

Ansonsten gilt das Prinzip, das später einmal jeder Antrieb in jedes Modell eingebaut werden kann, sei es Verbrennungsmotor, Brennstoffzelle oder Batterie. Damit lässt sich flexibel auf die Nachfrage reagieren.

Ohne China wäre Daimler bereits an der Spitze der deutschen Premiumhersteller. Doch auch dort hat Zetsche die Kurve noch gekriegt. Das Land löste 2014 erstmals Deutschland als zweitgrößten Markt nach den USA ab. „Das Reich der Mitte ist kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten, aber es bietet enorme Chancen“, sagte Zetsche. Der Abstand zu den Rivalen Audi und BMW ist zwar immer noch beträchtlich, doch die wachsen nicht mehr so schnell. In diesem Jahr will Daimler über 300 000 Autos im Reich der Mitte verkaufen. Jede zweite S-Klasse geht nach China. Und die Luxuswagen bringen bekanntlich die beste Rendite.

Bei den Zukunftstechnologien auf der Höhe der Zeit

Während Trends früher gerne mal verschlafen wurden, ist Daimler bei den Zukunftstechnologien auf der Höhe der Zeit. Mit dem Prototypen F015 präsentierte das Unternehmen bei der Elektronikmesse CES in Las Vegas Anfang des Jahres ein Auto, das selbst denkt und lenkt. Auch wenn andere Hersteller beim automatisierten Fahren ähnlich weit sind, hat Daimler die spektakulärsten Auftritte für sich verbucht.

Als Sympathieträger ist Zetsche bei diesen Medienauftritten stets in der ersten Reihe. Vielen dürfte noch in Erinnerung sein, wie er etwa im Kreise der Nationalmannschaft in Brasilien den Gewinn des WM-Titels feierte. Für die Strahlkraft der Marke sind solche Bilder Gold wert.

Zetsche hat es aber auch geschafft, bei allen Erfolgen eine Bescheidenheit an den Tag zu legen, die viele seiner Vorgänger vermissen ließen. „Wir treiben die Erneuerung des Unternehmens weiter voran. Wir gehen neue Wege zu neuer Stärke“, sagte er am Ende seiner Rede. Bei den Aktionären jedenfalls kommt das gut an. Im Publikum dürften nur wenige gewesen sein, die ihm eine Vertragsverlängerung bis Ende 2019 nicht gönnen würden. Und am Ende kann sich auch Ingo Speich ein Lob nicht verkneifen. „Derzeit läuft fast alles rund – Daimler ist zurück in der Erfolgsspur.“