Die A-Klasse gehört zu den Wachstumsmotoren bei Daimler Foto: Daimler

Die nächste Marke ist zum Greifen nahe: Mercedes-Benz und Smart haben im vergangenen Jahr zusammen 1,990909 Millionen Autos verkauft. Zum weiteren Anstieg der Verkaufszahlen sollen neue Modelle beitragen – und ein größerer Anteil weiblicher Kunden.

Stuttgart - Lange Jahre war China das große Sorgenkind des Stuttgarter Daimler-Konzerns. Weil das Unternehmen Ende der 90er Jahre vor allem mit sich selbst beschäftigt war und damit, Unternehmen wie Chrysler und Mitsubishi irgendwie einzugliedern, übersah man wichtige Trends – oder hatte nicht die Kapazitäten, sich auf diese einzustellen. Einer dieser Trends war die wirtschaftliche Blüte Chinas, die dazu führte, dass sich dort immer mehr Menschen deutsche Oberklasse-Fahrzeuge leisten können – bevorzugt von BMW und Audi, die den Trend schneller erkannten oder, wie der Audi-Mutterkonzern VW, schon lange vor Ort präsent waren. Als Daimler das Problem anging, musste man durchs Fernglas nach den Rücklichtern der Konkurrenz suchen.

Obwohl Daimler-Chef Dieter Zetsche das Problem schon vor Jahren anpackte und mit Hubertus Troska einen eigenen China-Vorstand in die oberste Führungsebene berief, liegt Daimler dort weiter deutlich hinter den Rivalen BMW und Audi zurück. Das zeigt aber vor allem, wie groß der Vorsprung war, den Daimler seinerzeit den Rivalen mehr oder weniger kampflos gewährte.

Denn inzwischen ist die Aufholjagd längst in vollem Gange. Das Händlernetz wird massiv ausgebaut, so dass der Konzern auch in mittelgroßen Städten präsent ist, die in China allemal so groß sein können wie Berlin. Vor allem aber hat Daimler seine Produktpalette auf dem chinesischen Markt am Geschmack der Käufer ausgerichtet und Modelle wie eine verlängerte E-Klasse auf den Markt gebracht, die es dem Eigentümer auf dem Rücksitz erlaubt, sich auf besonders bequeme Weise vom Chauffeur kutschieren zu lassen. Auch von der C-Klasse brachte der Konzern eine Langversion auf den Markt und baute zudem die Produktion in dem Land stark aus. Nun trägt das Bemühen Früchte: Der Konzern verkaufte 2015 in China 32,6 Prozent mehr Fahrzeuge als im Jahr zuvor. Rivale Audi dagegen musste in dem von wiederkehrenden Börsenturbulenzen geschüttelten Land einen Rückgang um 1,4 Prozent hinnehmen.

In China ging es für Audi leicht nach unten, Daimler legte um ein Drittel zu

Wie schnell der Konzern in China vorankommt, zeigt sich auch daran, dass das Land nun erstmals der größte Absatzmarkt weltweit ist und die USA überholt hat, wo die Verkaufszahlen mit 3,8 Prozent eher moderat gestiegen sind. Das Wachstum in China ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Daimler nun erstmals seit Jahren bei den weltweiten Verkaufszahlen nicht mehr die rote Laterne trägt, sondern Audi – wenn auch knapp – überholt hat. Während die Marke Mercedes – also ohne Smart – im vergangenen Jahr 1,87 Millionen Autos verkaufte, kam Audi auf 1,8 Millionen Autos.

Auch ein anderes Versäumnis aus alten Tagen hat der Konzern inzwischen ausgeglichen – die fehlende Antwort auf die wachsende Nachfrage nach kleineren Geländewagen. Doch mit Fahrzeugen wie dem GLA hat Daimler diese Antwort inzwischen gefunden. Dieser Geländewagen wiederum fügt sich ein in die Strategie, die Modellpalette im kompakten Segment auszuweiten – außer mit dem GLA auch durch das Kompakt-Coupéfahrzeug CLA, das seinerseits durch die sportlich daherkommende Variante Shooting Brake ergänzt wird.

Mit dieser Klasse punktet Daimler weltweit, auch in China. Der einzige Nachteil ist, dass diese Fahrzeuge eine vergleichsweise geringe Rendite aufweisen und es allein wohl kaum schaffen könnten, die von Konzernchef Dieter Zetsche angestrebte Umsatzrendite von zehn Prozent zu erwirtschaften. Doch andererseits erschließt das Unternehmen mit diesen Modellen sowie mit der A-Klasse deutlich jüngere Kunden und damit Zielgruppen, die dem Konzern ansonsten verloren gegangen wären.

Auto-Experte: Der A4 wird Audi wieder einen Schub verschaffen

Neue Zielgruppen will der Konzern auch künftig ansprechen – nach jüngeren Käufern setzt Daimler nun verstärkt auf weibliche Kunden und will deren Anteil deutlich erhöhen. Für Frauen gibt es nicht nur die Online-Plattform „She’s Mercedes“, sondern auch Netzwerk-Veranstaltungen. Zudem soll es auch mehr Verkäuferinnen geben.

Für den Automobilwirtschafts-Professor Stefan Bratzel zeigen die Absatzzahlen, dass Daimler in den vergangenen Jahren gut gearbeitet habe. Dass der Konzern an Audi vorbeigezogen ist, habe nichts damit zu tun, dass Audi mit vom VW-Skandal betroffen ist. „Daimler fährt jetzt die Ernte für die vergangenen zwei bis drei Jahre ein“, so Bratzel. Allerdings sei der Abstand zu Audi nur sehr gering; zudem werde Audi im kommenden Jahr von der Neuauflage des A4 profitieren, die sich wegen des späten Verkaufsstarts in diesem Jahr noch kaum ausgewirkt habe. „Ob Ende 2016 Audi vor Mercedes liegt oder umgekehrt, lässt sich schwer vorhersagen. Aber beide werden näher an BMW heranrücken“, sagt Bratzel mit Blick auf den Münchner Hersteller, der weiterhin vorausfährt. Quer zum Trend fährt lediglich der VW-Konzern, der ein Minus von zwei Prozent und im Dezember sogar von 5,2 Prozent hinnehmen musste.