Vor allem in Mexiko, Kanada und den USA ist die Lkw-Nachfrage groß – Für den gesamten Markt in Nordamerika rechnet Daimler 2015 mit einem Plus von zehn Prozent. Foto: dpa

Daimler Trucks setzt auf technische Innovationen und neue Märkte. Der weltweite Lkw-Markt dürfte sich nach ersten Prognosen 2015 wieder erholen. Für Marktführer Daimler wird das Jahr trotzdem kein Selbstläufer. Sorgen bereiten Russland und Brasilien.

Stuttgart - Trotz der Krisen auf wichtigen Absatzmärkten hält Wolfgang Bernhard, Chef der Daimler-Lkw-Sparte, an seinen Zielen fest: „Wir gehen davon aus, dass wir den Erfolgskurs auch 2015 fortsetzen werden.“ Im laufenden Jahr will Daimler erstmals mehr als eine halbe Million Trucks verkaufen und den Gesamtumsatz um mehr als fünf Prozent steigern. Rückenwind erhofft sich Bernhard vom nordamerikanischen Markt. Mit seiner starken Nachfrage habe er Daimlers Lkw-Sparte zu einem kräftigen Jahresauftakt verholfen. Bis 2020 will Daimler den Absatz der Trucks von momentan 496 000 auf 700 000 Einheiten pro Jahr erhöhen – mit Hilfe technologischer Innovationen und der Erschließung neuer Märkte.

Abbiege-Assistent

2,4 Milliarden Euro will Daimler in den kommenden beiden Jahren in Forschung und Entwicklung investieren – etwa sieben bis acht Prozent des Umsatzes. Eine Neuheit, die demnächst in Serie gehen soll, ist der Abbiege-Assistent: Ein Sensor, der den Lkw-Fahrer akustisch und mit einer LED-Anzeige warnt, sollte er ein Hindernis beim Abbiegevorgang übersehen. „Die meisten Unfälle passieren immer noch im Stadtverkehr, etwa wenn Fußgänger oder Fahrradfahrer übersehen werden“, so Bernhard. In einem nächsten Schritt soll der Abbiege-Assistent den Lkw deshalb selbstständig bremsen. Auch das Thema Vernetzung rückt für Daimler stärker in den Mittelpunkt. Zu jeder Zeit soll der Lkw in Zukunft mit seinem Umfeld in Verbindung stehen. „Bei einem Defekt kann die Kommunikation zwischen Lkw-Fahrer, Zentrale, Werkstatt und Techniker bis zu 20 Prozent der Reparaturkosten einsparen und die Betriebszeit um bis zu sechs Prozent ausweiten“, sagt Bernhard. Dies sei aber nur der Anfang von vielen weiteren Anwendungen auf dem Gebiet.

Autonomes FahrenAuch auf selbst fahrende Fahrzeuge setzt Lkw-Chef Bernhard große Hoffnungen – und fordert deshalb eine Teststrecke in Baden-Württemberg. „Ich gehe davon aus, dass das, was in Bayern möglich ist, auch in Baden-Württemberg möglich sein wird. Es wäre beschämend, wenn wir zu Testzwecken nach Bayern fahren müssten“, sagt Bernhard. Dort sollen auf einem Teil der A 9 noch in diesem Jahr Pkw und Lkw mit Autopilot fahren – die Teststrecke ist bereits genehmigt. „Auch wir brauchen eine Genehmigung, um unsere Fahrzeuge unter realen Bedingungen zu erproben“, sagt Bernhard. Neben einer selbst fahrenden S-Klasse hat Daimler einen Lkw mit Autopilot, den Future-Truck, entwickelt. Derzeit kann der Autobauer die beiden Fahrzeuge jedoch nur auf zugelassenem Prüfgelände testen. Bernhard spekuliert auf eine schnelle Einigung zwischen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und der Landesregierung. Diese hat ihr Interesse an einer Teststrecke auf der A 81 bereits offiziell bekundet.

Lang-Lkw

Für die umstrittenen Lang-Lkw hofft Bernhard ebenfalls auf eine schnelle Lösung. Für den Einsatz der 25 Meter langen Großlaster hat Daimler beim Land einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung für 17 Strecken gestellt. „Die Zulassung würde sowohl den Umweltschutz als auch die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts beflügeln“, so Bernhard. Daimler geht davon aus, dass sich mit dem Einsatz der Laster 9500 Lkw-Fahrten und bis zu knapp 2700 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen lassen. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel zieht mittlerweile einen Test der Lkw in Erwägung. „Wir werden das Gespräch mit unserem grünen Koalitionspartner suchen“, sagte Schmiedel. Die Grünen hatten sich diesbezüglich zuletzt noch skeptisch geäußert. Im März soll es zu einer Entscheidung kommen.

Neue Märkte Um seine Kunden schneller zu erreichen, setzt Daimler 2015 auf die Ausweitung seiner Geschäfte in Afrika, Lateinamerika, dem Mittleren Osten und Südostasien. Neue Vertriebszentralen sollen bis Ende des Jahres unter anderem in Pretoria (Südafrika) und Nairobi (Kenia) entstehen. Damit gibt Daimler seine Bündelstrategie auf. Bisher wurde der Vertrieb aus der Zentrale in Stuttgart gesteuert. „Die Kommunikation aus verschiedenen Zeitzonen mit zum Teil mehr als zehn Stunden Zeitunterschied wirkt einer schnellen Umsetzung entgegen“, sagt Bernhard. Krisenherde

Kopfschmerzen bereiten Daimler vor allem die Märkte Russland und Brasilien. „Die Ukraine-Krise hat ganz Europa wirtschaftlich beeinträchtigt. Diese Turbulenzen haben auch die Truck-Branche getroffen“, sagt Bernhard. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und der ungünstige Wechselkurs des Rubels seien „Themen, die den Verkauf nicht gerade beflügeln“. Die Geschäftsbeziehung zu Russland, wo Daimler 2014 nur 5000 Nutzfahrzeuge abgesetzt hat, soll aber aufrechterhalten werden – mit einer an den Markt angepassten Planung. Auch in Brasilien läuft es nicht rund für Daimler. Das südamerikanische Land sei weiterhin fragil, der Start ins neue Jahr viel schwächer als erwartet. Im Februar sei der Absatz um 30 Prozent zurückgegangen – für das Gesamtjahr geht Bernhard von einem zehnprozentigen Minus aus. Dies will Daimler mit steigenden Absatzzahlen in Nordamerika ausgleichen.