Mercedes verkauft viele Autos, Audi aber auch Foto:  

Mit Infografik - In diesem Jahr schien für Mercedes der zweite Platz unter den deutschen Premiumherstellern zum Greifen nah. Doch Audi und BMW fahren bei den Absatzzahlen weiter vorneweg. Der Grund dafür liegt in China.

Stuttgart - Die Ausgangslage war günstig. Dank eines furiosen Endspurts im vergangenen Jahr konnte Daimler den Abstand zu Audi auf ein Mindestmaß verkürzen. Auf 1,57 Millionen verkaufte Autos kamen die Ingolstädter, die Stuttgarter verkauften mit dem Smart am Ende 1,56 Millionen – und landeten nur hauchdünn auf Platz drei der deutschen Premiumhersteller. Für 2014 hatte Mercedes alle Trümpfe in der Hand: Der Start der neuen C-Klasse und des GLA, die neue V-Klasse, dazu die gut laufende S- und E-Klasse sowie die Kompaktautos, die immer mehr Marktanteile erobern. Audi hatte nur wenig dagegenzusetzen. Es fehlt an ganz großen Premieren, Verkaufsschlager wie der A4 gelten als veraltet.

Doch statt locker am Rivalen vorbeizuziehen, ist die Hackordnung nach dem ersten Halbjahr die gleiche wie zu Beginn des Jahres. Mit knapp über einer Million verkaufter Fahrzeuge bleibt BMW mit Mini und Rolls-Royce einsam an der Spitze. Dahinter folgt Audi mit 869 350. Mercedes mit der Marke Smart bleibt mit 830 336 knapp dahinter. „Wir liegen mit dem Absatz unserer Fahrzeuge auf Kurs, 2014 zu einem weiteren Rekordjahr zu machen“, sagte Mercedes-Vertriebsvorstand Ola Källenius zwar selbstbewusst angesichts der Halbjahresbilanz. Das Problem ist allerdings: Auch Audi und BMW jagen von einem Rekordmonat zum nächsten. Die Schwankungen sind dabei erheblich. Traditionell stark sind bei allen Herstellern der März und der Juni. Im Winter werden dagegen weniger Autos gekauft – genauso wie im Juli, der weltweit ein Urlaubsmonat ist. Schon jetzt deutet sich bei den Verkaufszahlen an, dass Mercedes auch am Ende des Jahres wohl nur der dritte Platz bleibt. Dabei steht das Ziel nach wie vor, spätestens bis 2020 an der Spitze der drei Topmarken zu stehen.


Daimler - Standorte weltweit auf einer größeren Karte anzeigen

Der Grund dafür liegt vor allem in China. „Audi hat ein gutes Portfolio und ein gutes Image, jetzt erntet man den Erfolg für langjährige gute Arbeit“, sagt der Experte Sefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Zwar hat Mercedes bis Ende Juni in China knapp 136 000 Autos und damit sensationelle 37,5 Prozent mehr als im Vorjahr verkauft. Aber Audi kommt von einer ganz anderen Basis. Mit einem Zuwachs von 17,8 Prozent verzeichnete Audi einen Absatz von 268 666 Einheiten, das sind fast doppelt so viele wie Mercedes. „Wir würden wohl anders diskutieren, wenn der chinesische Markt nicht so abgehen würde“, sagt Bratzel.

Umgekehrt ist zwar Audi auf dem US-Markt deutlich schwächer als Mercedes, aber das Volumen ist dort wesentlich geringer. 151 600 Autos mit Stern (plus 6,8 Prozent) stehen 84 300 Autos mit den vier Ringen (plus 13,6 Prozent) gegenüber.

Der große Erfolg von Audi ist umso überraschender, als es in diesem Jahr an großem Höhepunkten fehlt. Stattdessen setzt Audi auf eine Strategie der vielen Modellableger. So startete in den USA im April etwa die Limousine des A3, hinzu kommen Cabrio und Sportback, also ein Kombi mit vier Türen. „Vor allem die erfolgreiche A3-Familie sowie das Oberklasse-Segment haben unseren weltweiten Wachstumskurs in den ersten sechs Monaten beschleunigt“, sagt Luca de Meo, Audi-Vertriebsvorstand. Auch Mercedes hat den Trend erkannt und setzt zunehmend auf Derivate. So wird etwa die A-Klasse nach dem GLA und CLA im kommenden Jahr um den CLA Shooting Brake erweitert. „Das Beispiel Audi zeigt, dass man nicht immer die großen Knaller raushauen muss, wenn man die Nischen besetzt“, sagt Bratzel.

Bei Mercedes ist man zuversichtlich, das Tempo aus der ersten Jahreshälfte halten zu können. „Wir gehen davon aus, dass das Wachstum gleich bleibt oder sogar noch zunimmt“, sagt eine Daimler-Sprecherin. Schließlich steht die Einführung der neuen C-Klasse in den USA und China für September an, außerdem kommt das T-Modell im Herbst in Europa auf den Markt. Der neue Smart hat dagegen wohl keinen Einfluss mehr auf die Absatzzahlen, er steht erst Ende des Jahres bei den Händlern. „Aber selbst wenn Mercedes noch beschleunigt, wird es schwierig“, prophezeit Autoexperte Bratzel. Alle drei Premiumhersteller befeuerten sich derzeit gegenseitig. Mercedes knabbere dagegen noch an den 00er-Jahren des neuen Jahrhunderts, die laut Bratzel „verlorene Jahre“ waren. Vor allem die gescheiterte Fusion mit Chrysler hat die Stuttgarter viel Energie gekostet.

BMW-Chef Norbert Reithofer kann derzeit relativ gelassen beobachten, was seine Verfolger so treiben. Die Marke aus München steht unangefochten der Spitze des Premiumtrios – auch wenn das Wachstum nicht ganz so dynamisch ausfällt wie bei den beiden Konkurrenten. Mit über einer Million verkaufter BMW, Mini und Rolls-Royce bis Ende Juni liegen auch die Münchner auf Rekordkurs. Es dürfte schwer werden, sie allzu bald vom Thron zu stoßen.