Beim autonomen Fahren arbeiten deutsche Autobauer zusammen, um den amerikanischen Digitalkonzernen etwas entgegenzusetzen. Dies Zusammenarbeit wird nun durch die Spannungen in der Branche deutlich erschwert. Foto: dpa

Die Autobranche braucht bei aller Rivalität auch Geschlossenheit, um gegenüber US-Konzernen zu bestehen und sich beim Nationalen Autogipfel Gehör zu verschaffen. Die jüngsten Vorwürfe kommen da zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, meint unser Kommentator Klaus Köster.

Stuttgart - Schon vor Monaten hat Daimler-Chef Dieter Zetsche bei dem Konzern den Kulturwandel ausgerufen. Unter der Devise „Leadership 2020“ soll Daimler seine Mitarbeiter mit mehr Verantwortung ausstatten. Dass dieser Kulturwandel alle möglichen Regeln brechen soll, nicht aber Gesetze, kommt bei Daimler schon durch die Existenz eines eigenen Vorstandsressorts für „Integrität und Recht“ zum Ausdruck. Wenn der Verband der Automobilindustrie nun zum Kartellverdacht gegen die deutschen Hersteller erklärt, dass – sollten sich die Vorwürfe bestätigen – dies „nicht nur justiziabel, sondern auch ein Anlass für eine kulturelle Neudefinition innerhalb der betroffenen Unternehmen“ wäre, müsste Zetsche dies im Grunde Wort für Wort unterschreiben können. Doch offensichtlich ist er über diese Aussage, die ein Zutreffen der Vorwürfe nicht kategorisch ausschließt, schwer verärgert. Das zeigt, wie blank die Nerven liegen.

Die Stimmung in der Branche wird auch nicht dadurch besser, dass Zetsche sich den Zorn des Rivalen und Kooperationspartners BMW zugezogen hat, weil er seinen Konzern durch eine Selbstanzeige womöglich aus der Affäre gezogen hat. Im Sinne von Daimler ist Zetsches Kalkül, dem Unternehmen als Kronzeuge eine Milliardenstrafe zu ersparen, das einzig richtige. Allerdings hat der BMW-Konzern, der die Lage viel später erkannt hat, nun ein enormes Problem. Einem guten Verhältnis ist das nicht dienlich.

Wenige Tage vor dem Autogipfel, bei dem es um ihre Zukunft geht, ist die Branche zerstritten wie nie. Unter dem Druck von Manipulations- und Kartellvorwürfen brechen Verbindungen zwischen den Rivalen auseinander, die gerade heute überaus wichtig sind. Die größten Konkurrenten der Autoindustrie sind Firmen wie Google, Apple und Tesla – da ist es überaus hilfreich, einige Kräfte zu bündeln. Doch in nächster Zeit wird die Branche erst einmal mit sich selbst beschäftigt sein.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de