Daumen hoch: Daimler-Chef Dieter Zetsche geht nach dem Rekordjahr 2015 davon aus, den Gewinn auch 2016 noch leicht steigern zu können Foto: dpa

Noch nie zuvor hat Daimler so viele Autos verkauft und so viel Geld eingenommen wie im vergangenen Jahr. Ganz so glänzend wie 2015 wird 2016 womöglich nicht ausfallen – aber trotzdem rekordverdächtig.

Der Ausblick

Die Zahlen, die der Stuttgarter Autobauer Daimler bei seiner Bilanzpressekonferenz vorlegt, liefern eigentlich gleich mehrere Gründe zum Jubeln. Doch in übertriebener Partystimmung sind Daimler-Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche, Finanzvorstand Bodo Uebber und Daimler-Trucks-Chef Wolfgang Bernhard nicht. Vielmehr geben sich die Chefs beim Ausblick schwäbisch bescheiden: Für 2016 geht Zetsche davon aus, das Konzern-Ebit – also den Gewinn vor Abzug von Zinsen und Steuern – „leicht steigern zu können“.

Die Bilanz trüben könnten zusätzliche Kosten, die mit der Einführung der neuen E-Klasse verbunden sind, und Effekte durch einen veränderten Modellmix. Das heißt: Das Segment der Kompaktwagen wächst schneller als das der größeren Fahrzeuge, die eine höhere Gewinnspanne aufweisen. Jedoch: „Alles deutet darauf hin, dass 2016 ein weiteres gutes Jahr für Daimler wird“, so Zetsche.

Die Rekordzahlen

„Im Moment könnte man meinen, dass Dieter Zetsche über Wasser laufen kann.“ So euphorisch klingen dagegen Autoexperten wie Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research der Uni Duisburg Essen, wenn sie auf die Leistung blicken, die Daimler im vergangenen Geschäftsjahr abgeliefert hat. Und tatsächlich ist die Bilanz fürs abgelaufene Geschäftsjahr gespickt mit Rekordwerten: Mit 2,9 Millionen verkauften Fahrzeugen hat Daimler so viele Autos abgesetzt wie noch nie zuvor.

Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von 12 Prozent. Der Umsatz ist um 15 Prozent auf 149,5 Milliarden Euro geklettert. Das Konzernergebnis liegt bei 8,9 Milliarden Euro (plus 23 Prozent). Im Geschäftsbereich Mercedes-Benz Cars hat Daimler sein Ziel erreicht und eine Umsatzrendite von zehn Prozent hingelegt. Der Wert gibt an, wie viel vom Umsatz am Ende übrig bleibt. Bei einer Umsatzrendite von zehn Prozent bleiben von 100 Euro Umsatz zehn Euro Gewinn. Mit diesen Zahlen ist Zetsche dem Ziel nähergekommen, sich dauerhaft als Nummer eins vor BMW und Audi zu positionieren.

„Wir wissen aus eigener Erfahrung: Es ist schwer, an die Spitze zu kommen. Aber es ist noch schwerer, vorne zu bleiben“, so Zetsche. „Das ist keine Erkenntnis, für die wir Urheberrechte beanspruchen würden.“ Er bekräftigt: „Daimler gehört dauerhaft an die Spitze.“ BMW und Audi haben ihre Jahreszahlen noch nicht vorgelegt.

Die Modelle

Getrieben wurde das Wachstum von Daimler im vergangenen Jahr auch vom Erfolg der Pkw-Sparte. Insgesamt hat Mercedes-Benz Cars mit seinen Submarken den Absatz zum sechsten Mal in Folge gesteigert. Der Pkw-Absatz kletterte zum ersten Mal leicht über die Zwei-Millionen-Marke. Besonders gut kamen bei den Kunden die neue C-Klasse, die Kompaktwagen und die sportlichen Geländewagen (SUV) an.

In diesem Jahr soll die neue E-Klasse für zusätzliche Impulse sorgen. Die Business-Limousine, die von 1200 Ingenieuren entwickelt worden ist, kommt im April zu den Händlern. Einen weiteren Schwerpunkt legt Daimler 2016 auf die sogenannten Dream Cars. Smart erwartet einen Absatzschub durch das neue Smart Cabrio, das es ab dem Frühjahr zu kaufen gibt. Ende des Jahres kommen außerdem die neue elektrischen Versionen des Zwei- und Viersitzers auf den Markt.

Die Mitarbeiter

Die Zahl der Beschäftigten ist bei Daimler 2015 um rund 1500 auf gut 170 000 Mitarbeiter gestiegen. Vom Rekordgewinn des Autobauers profitieren auch sie: Jeder Anspruchsberechtigte erhält im April für das vergangene Jahr die Rekordsumme von 5650 Euro (Vorjahr: 4350 Euro). In diesem Jahr will sich Daimler eine neue Führungskultur verpassen. Das beginne mit einer neuen Herangehensweise, so Zetsche.

Daimler will seine Hierarchiestruktur, die Meetingkultur und die Leistungsbewertung auf den Prüfstand stellen. Neu ist, dass die Ideen für Alternativkonzepte von den Mitarbeitern selbst kommen sollen. Unter dem Titel „Leadership 2020“ diskutieren acht Arbeitsgruppen bestehend aus 140 Führungskräften, wie ein neues Führungskonzept aussehen könnte.

„Keiner möchte jetzt wieder neue, schicke Slogans hören, die sich bald als Worthülsen entpuppen“, sagt Gesamtbetriebsratsvorsitzender Michael Brecht den Stuttgarter Nachrichten. „Ich denke aber, Leadership 2020 überzeugt mit seinem offenen, beteiligungsorientierten, ganzheitlichen Ansatz.“ Er erkenne den Willen im Vorstand, die Vorschläge der Arbeitsgruppen, aber auch der Beschäftigten aufzunehmen.

Der Absatzmarkt China

China ist inzwischen der größte Markt für Daimler. Vergangenes Jahr ist der Autobauer dort um 41 Prozent gewachsen und hat den Absatz seit 2008 verachtfacht. „Daimler konnte im vergangenen Jahr vom starken Wachstum des SUV-Segments in China profitieren“, sagt Mirjam Meissner, Expertin am Mercator Institute for China Studies. „Der SUV-Trend wird den Schwaben auch im kommenden Jahr ein solides Wachstum auf dem chinesischen Markt bescheren.“

Für alle deutschen Autobauer gelte jedoch: „Sie werden sich nicht auf ihren kurzfristigen Erfolgen in China ausruhen können.“ Denn die Risiken auf dem chinesischen Markt nehmen zu. Das betreffe in erster Linie die Lage der Gesamtwirtschaft. Die Stabilität des chinesischen Wirtschaftswachstums stehe infrage. Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber ist jedoch zuversichtlich, dass der Wachstumskurs weiter anhält. „Auch wenn die Zuwachsrate in diesem Jahr moderater ausfallen wird.“

Der Abgasskandal

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen hat bislang keine unmittelbaren Auswirkungen auf Daimler. Doch die Disskussion um die Umweltverträglichkeit von Dieselmotoren und Abweichungen bei Tests hält die gesamte Branche in Atem. Zetsche begrüßt die jüngst beschlossenen Kriterien für realistischere Abgastests bei Diesel-Pkw des EU-Parlaments. „Das Verfahren wird dazu beitragen, Transparenz herzustellen“, sagt Zetsche.

Beenden könnten die Autohersteller die Diskussion freilich nicht: „Wir haben bei unseren Elchtests gelernt, dass es nicht zielführend ist, eine Diskussion für beendet zu erklären“, so Zetsche. „Das entscheiden all diejenigen, die an der Diskussion beteiligt sind.“ Daimler arbeite konsequent an der Reduktion des CO2-Ausstoßes und der Weiterentwicklung der Elektromobilität: „Für die Zukunft arbeiten wir auch an einem Architekturkonzept für ein Elektroauto mit bis zu 500 Kilometern Reichweite“, sagt Zetsche. Einen genauen Zeitplan nennt er jedoch nicht.