Bunte Demo für Akzeptanz: CSD-Szene vom vergangenen Jahr in Stuttgart. Foto: Christian Hass

Von Amokläufen und Terror wollen sich Schwule und Lesben nicht einschüchtern lassen, sondern am Samstag in Stuttgart fröhlich für ihre Rechte marschieren. 200.000 Besucher werden in der City zur Politparade erwartet.

Stuttgart - Vorneweg wird die kunterbunte Bimmelbahn rollen und scheppern – mit vielen Kindern drin. Der „Fun-Express“ des Schwulen- und Lesbenverbandes soll mit Luftballons und Fahnen geschmückt werden. Die 20 Bimmelbahnplätze an der Spitze der Politparade zum Christopher Street Day (CSD) sind für Regenbogenfamilien reserviert – für gleichgeschlechtliche Paare mit ihren Kindern.

Mit im Zug der 85 Formationen (so viele wie noch nie!) werden am Samstag Polizeibeamte in Zivil ganz ohne Gebimmel mitmarschieren. Das Motto des Stuttgarter CSD lautet diesmal „Operation Sichtbarkeit“ – doch die „Operation Sicherheit“ soll, wenn 200 000 Zuschauer und Zuschauerinnen des schwul-lesbischen Umzuges in der City erwartet werden, weitgehend unsichtbar bleiben. Die CSD-Organisatoren stellen bedeutend mehr Ordner als in den Vorjahren. Christoph Michl, Geschäftsführer des CSD, spricht von einer „größtmöglichen Sensibilisierung vor und hinter den Kulissen“. Zahlreiche Mails habe er bekommen, in denen steht, dass man „jetzt erst recht“ an der Parade und den Partys teilnehmen werde.

Erkenntnisse für eine Bedrohung beim CSD gibt es nicht, heißt es bei der Polizei. Trotzdem seien mehr Beamte im Einsatz - auch verdeckte Kräfte. Das habe sich beim Faschingsumzug im Februar bewährt. Polizeipräsident Franz Lutz erklärte, für die CSD-Parade gut aufgestellt zu sein. Man werde alles tun, um „das größtmögliche Maß an Sicherheit“ zu gewährleisten. Die Lage werde permanent analysiert.

Parade startet am Samstag um 16 Uhr

Dies heißt es seit den Terroranschlägen und Amokläufen immer. Und doch wollen die Organisatoren einer der größten Straßenumzüge der Stadt alles dafür tun, dass nicht ein mulmiges, sondern ein fröhliches Gefühl am Samstag dominert, wenn die Parade mit 4500 Teilnehmern gegen 16 Uhr, unter anderem mit 21 Lastkraftwagen und 42 Fußgruppen, auf der Böblinger Straße startet und bis zum Schlossplatz zieht, wo gegen 18.30 Uhr die Kundgebung mit Forderungen „für die Akzeptanz von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, intersexuellen und queren Menschen“ endet, wie die offizielle Aufzählung lautet. Unter den Rednerinnen ist Kings-Club-Wirtin und Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit.

Besonders eng, so erwarten die Organisationen, dürfte es am Ende der Tübinger Straße werden, wenn der Zug Richtung Tagblatt-Turm abbiegt. Zur Sicherheit werden dort erstmals Zäune aufgestellt. „Die ganze Parade können wir nicht umzäunen“, sagt Michl, „wir wollen keine Zoo-Atmosphäre“. So viele Arbeitgeber wie noch nie entsenden Formationen: Neben Daimler, Bosch und der Stadt Stuttgart sind erstmals Vodafon, HP, Alleo/DB und die Diakoniestation dabei. Neu dabei ist auch die Fußgruppe der Türkischen Gemeinde. Eine Jury, in der unter anderen Frl. Wommy Wonder und Antenne-1-Moderator Jens Meßmann sitzen, wird die besten Formationen nach verschiedenen Kategorien küren.

Überraschungsband auf dem Marktplatz

Für die Hocketse, die erstmals von der Interessengemeinschaft CSD (nicht von der Aids-Hilfe wie bisher) organisiert wird, kündigt Michl einen Knaller für Samstagabend auf dem Marktplatz an. Den Namen der Berliner Chartsband darf er nicht nennen, weil sie demnächst ein reguläres Konzert in der Gegend für Eintritt gibt. Es wird der „Hamma“ (Titel ihres Hits)! Die Reggae-HipHop-Dance-Band spielt gegen 21 Uhr unterm Motto „Heteros gegen Homophobie“. Am Sonntag um 18 Uhr singt Markus „Ich will Spaß“, seinen Hit der Neuen Deutschen Welle. Der Erlös der Hocketse geht übrigens an den CSD-Verein, um das Loch in der Kasse zu schließen, das entstanden ist, weil ein ehrenamtlicher Buchhalter 150 000 Euro unterschlagen hat.