Am Europaplatz haben Genossenschaften gebaut. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Eine Baugenossenschaft lässt ein Gebäude in Stuttgart-Fasanenhof sanieren. Eine Mieterin befürchtet, dass mit den Fensterbauern das Coronavirus in ihre Wohnung kommen könnte. Am liebsten würden sie die Tür gar nicht öffnen.

Fasanenhof - Die Wohnungsgenossenschaft Bau- und Heimstättenverein Stuttgart lässt in ihrem Gebäude am Europaplatz 30 im Fasanenhof sanieren und modernisieren. In dem dreistöckigen, L-förmigen Haus gibt es 64 Wohnungen und das Wohncafé. Nun soll der Trakt, der 46 Wohnungen beherbergt, energetisch saniert werden. Müssen ausgerechnet jetzt während der Corona-Krise Handwerker in die Wohnungen? Eine Seniorin im Haus, die namentlich nicht genannt werden will, findet das alles andere als sinnvoll.

„Fast alle im Haus sind alt oder Rollstuhlfahrer. Wir gehören also alle zur Risikogruppe. Ich habe Diabetes und Bluthochdruck“, sagt sie. Sie könne im Prinzip verstehen, dass der Bau- und Heimstättenverein das 1977/78 errichtete Gebäude sanieren lassen wolle: „Ich habe weder etwas gegen Handwerker noch gegen die Umbauten. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint mir das aber gefährlich zu sein.“

Die Handwerker sollten in die Wohnung gelassen werden

Am 20. Dezember, sagt die Rentnerin, die dort seit 2008 wohnt, sei sie vom Bau- und Heimstättenverein in einem Schreiben über die Sanierung informiert worden. Nach dem 1. März seien vor dem Gebäude Sträucher und Bäume entfernt worden, Mitte März sei dies hinter dem Gebäude geschehen. „Denen ist es egal, dass man die Vögel nach dem 1. März nicht mehr beim Nisten stören soll, die machen eben alles, wann es ihnen passt.“

Danach hätten Handwerker ein Gerüst aufgebaut und dieses vor vier Tagen mit Plastikplanen vor Regen geschützt. Weil bei der Sanierung die Fenster ausgetauscht werden, sei sie in einem Schreiben vom 12. Februar aufgefordert worden, Handwerker in die Wohnung zu lassen. Ein Mitarbeiter des Fensterbauers sei schon in der Wohnung gewesen, um zu messen. „Er hat gesagt, dass ich vor den Fenstern freiräumen müsse und dass der Einbau einen Tag dauere. Ich wohne in einer 62 Quadratmeter großen Zweizimmerwohnung. Wo soll ich dann hin?“

Die resolute Seniorin verweigert dem Elektriker den Zutritt

Einem Elektriker, der auf dem Balkon schauen wollte, ob es dort eine Steckdose gebe, habe sie durch die Tür hindurch Bescheid gegeben, dass dies nicht der Fall sei. „Der Handwerker wollte sich selbst davon überzeugen, aber ich habe ihn nicht reingelassen.“ Später habe sie gesehen, dass er mit dem Hausmeister gekommen, auf die Terrasse geklettert und gesagt habe, dass da tatsächlich keine Steckdose sei. „Die halten einen für blöd. Ich weiß, wie eine Steckdose aussieht, und kann selbst beurteilen, ob ich eine habe.“ Im Untergeschoss, sagt sie, werde ebenfalls umgebaut, und die Schließanlagen würden erneuert: „Da begegnen einem wieder Handwerker, denen man kaum ausweichen kann.“

Beim Bau- und Heimstättenverein, der wegen der Ansteckungsgefahr in der Corona-Krise zurzeit keine Sprechstunde mehr abhält, ist der Ansprechpartner für das Projekt am Europaplatz 30 in dieser Woche nicht mehr zu erreichen. Eine weitere Mitarbeiterin reagiert auf die Nachfrage unserer Zeitung zugeknöpft: „Es sind bisher noch keine Fenster ausgebaut worden. Wir machen dort nichts Gefährliches. Mehr will ich dazu nicht sagen“, sagt sie. Die Frage, ob die Sanierung bis zum Ende des Kontaktverbots stocken werde, beantwortet sie nicht und legt auf.

„Handwerker sind von der Corona-Verordnung der Landesregierung ausgenommen. Wenn sie die geltenden Schutzmaßnahmen einhalten, dürfen sie ihrer Arbeit nachgehen“, sagt Ann-Katrin Keicher, Sprecherin der Stadt. Im konkreten Fall gehe es laut Ordnungsamt um „eine privatrechtliche Frage, die zwischen Mieter und Vermieter zu klären ist“. Grundsätzlich müsse ein Mieter Handwerkern nur dann Zutritt gewähren, wenn es sich um „unmittelbar notwendige Arbeiten“ handele. Gehe es um Verschönerungsarbeiten, könne der Zutritt verwehrt werden.