Die Unterkünfte an der Gorch-Fock-Straße Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Sollte es bitter kalt werden, werden Obdachlose in die leer stehenden Container an der Gorch-Fock-Straße in Sillenbuch ziehen. Das schmeckt offenbar nicht jedem.

Sillenbuch - Unverschämtheit! Katastrophales Kommunikationskonzept! Der Sillenbucher Bürger, der sich in der jüngsten Bezirksbeiratssitzung zu Wort meldete, ließ keinen Zweifel daran: Er ist sauer, und zwar auf die Stuttgarter Stadtverwaltung. „Kann man hier jetzt alles machen?“, schleuderte er dem Bezirksvorsteher Peter-Alexander Schreck und dem Gremium entgegen. Was den Mann, der mit zwei weiteren Bürgern gekommen war, so erzürnte, war ein Gerücht, das offenbar seit geraumer Zeit im Wohngebiet rund um die Gorch-Fock-Straße die Runde macht: Die seit Ende November leer stehende Asylunterkunftnahe dem Jugendhaus solle mit Obdachlosen belegt werden, und das sehr schnell und – so der Eindruck der Anwohnerschaft – klammheimlich. Dabei habe die Stadtverwaltung doch immer betont, dass sie die Bürger mitnehmen wolle, wetterte der Mann weiter.

Der Bezirksvorsteher beteuerte, dass ihm der Sachverhalt völlig neu sei. „Ich habe keinerlei Mitteilung des Sozialamtes“, sagte Schreck in der Sitzung, und auch die Fraktionen baten um Aufklärung. Bei der Stadtverwaltung sieht man das jedoch anders. „Die Flüchtlingsunterkunft Gorch-Fock-Straße 32 steht seit Ende November 2016 leer und wird bis auf Weiteres als Reserveobjekt für eventuelle Engpässe bei der Unterbringung von Flüchtlingen und obdachlosen Menschen vorgehalten. Dies ist so auch dem Bezirksamt gemeldet worden“, teilt der Sprecher Martin Thronberens auf Anfrage mit.

Die Unterkunft an der Gorch-Fock-Straße Foto: Holowiecki

Am Tag nach der Sitzung ist von Schreck zu erfahren, dass er bezirksverwaltungsintern just eine knappe Stunde vor Sitzungsbeginn „eine inhaltlich gelinde gesagt kryptische“ E-Mail zu dem Thema erhalten habe, „ich konnte aber nicht mehr darauf reagieren, ich war nicht mehr am Rechner zu der Zeit“, sagt Schreck.

Es gibt in Stuttgart zwei feste Winterquartiere für die geschätzt 100 bis 150 Wohnsitzlosen, die in der Landeshauptstadt durchs Hilfesystem fallen und auf der Straße leben: die Gebäude Villastraße 3 und Hauptstätter Straße 150. Dort stehen zwischen Anfang November und Ende März, maximal Ende April, zusammengenommen circa 100 Plätze zur Verfügung. Eine dritte, nämlich eben jene Unterkunft am Silberwald, in der von Januar bis Ende November 64 Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung standen, werde vorgehalten, um in den Wintermonaten den Erfrierungsschutz für wohnungslose Menschen gewährleisten zu können, erklärt der Sprecher. Denn grundsätzlich steige der Bedarf bei den Winternotübernachtungen pro Jahr um etwa 15 Prozent.

Ob die Unterkunft gebraucht wird, ist fraglich

Dass sich indes noch in derselben Woche, wie der Anwohner in der Bezirksbeiratssitzung in den Raum stellte, an der Gorch-Fock-Straße etwas tun wird, schließt die Stadtverwaltung aus. „Eine Erstbelegung mit obdachlosen Menschen zum 16. Dezember ist nicht geplant und somit eine Fehlinformation“, stellt Thronberens vergangene Woche klar. Auch, ob die dritte Notunterkunft überhaupt gebraucht werde, sei fraglich. Aktuell, so der Stadtsprecher, seien in der Winternotfallhilfe für Obdachlose weniger als die Hälfte der Plätze belegt. Allerdings hängen die weiteren Entwicklungen vom Wetter und einem möglichen Temperatursturz ab. Thronberens verspricht: „Wir würden in einem solchen Fall zeitnah reagieren und umgehend das Bezirksamt informieren.“