Emmanuel Peterfalvi, besser bekannt als Alfons Foto: Guido Werner

Alfons, orangefarbene Trainingsjacke, Puschelmikrofon, ist einer der bekanntesten Reporter der Republik: der Franzose entlockt perplexen Passanten in Fußgängerzonen Kurioses zum Zeitgeschehen.

Wie lange muss man für diese Trüffel unter den Statementpilzen eigentlich um die Häuser ziehen? „Wenn Sie wüssten! Für drei Minuten Material etwa zehn Stunden“, erzählt Emmanuel Peterfalvi, wie Alfons bürgerlich heißt, in der Hotellobby am Schlossgarten und nimmt einen Schluck durch Tabasco und Pfeffer geschärften Tomatensaft.

Von diesem Donnerstag bis zum 31. Januar tritt er nun nicht auf der Straße, sondern auf der Bühne des Theaterhauses auf. „Aber keine Sorge: Niemand wird interviewt! Nicht einmal die erste Reihe!“, erklärt der Franzose. „Wiedersehen macht Freunde“ hat er sein neues Programm betitelt. Wichtig ist ihm, dass seine Auftritte auch berühren, nicht nur zum Lachen bringen. Peterfalvi: „Zusätzlich zum Lachmuskeltraining gibt es eine Herzmassage.“

Man könnte es als Schlag in Fortunas Gesicht begreifen, dass der gebürtige Pariser seit der Volljährigkeit in Deutschland lebt: „Ich musste damals zum Militär, wollte aber nicht. Eine sehr seltene und unwahrscheinliche Ersatzmöglichkeit war, in einer französischen Firma zu arbeiten, die eine Filiale im Ausland hat.“ Er heuerte bei Canal+ an, dem Pay-TV-Sender Frankreichs, der damals in Deutschland den Sky-Vorgänger Premiere aufbaute. „Somit hatte ich wahrscheinlich von allen Franzosen den besten Militärdienst“, vermutet Peterfalvi.

In Hamburg gefiel es ihm derart gut, dass er bis heute blieb. Aber was imponiert dem Franzosen hierzulande nur? Das wankelmütige Wetter? Die meinungsfreie Kanzlerin? Pegida? „Ich weiß, die Deutschen wollen nicht daran glauben: Die Gesellschaft, die Leute und das Miteinander finde ich großartig.“ Besonders die Stuttgarter – diese Meinung ändere sich von Stadt zu Stadt nicht! – und all die Entwicklungen um Stuttgart 21. Außerdem sei die baden-württembergische Landeshauptstadt eine Anti-Pegida-Hochburg. „In puncto Protest“, so Peterfalvi, „seid ihr sehr französisch in Stuttgart.“

Oft würde er allerdings schon gefragt, warum er nicht nach Frankreich ginge, wo das Leben doch viel angenehmer sei. Seine Antwort: „Nein, für mich nicht. Ich bin auch kein Masochist, ich bin gerne und freiwillig hier! Ich finde, die Gesellschaft ist sehr reif. Man begegnet einander intelligent und mit Respekt. Zurzeit ändert sich das leider ein wenig. So etwas wie Pegida habt ihr eigentlich nicht verdient. Das hat mich negativ überrascht.“

Als französischer Satiriker kann man ihm die Frage zum „Charlie Hebdo“-Attentat nicht ersparen. „Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, wenn dieser Vorfall meine und die Arbeit meiner Kollegen verändern würde. Wir sind es den vorherigen Generationen, die gekämpft haben, schuldig. Wir können nicht einfach aus Angst sagen, dass wir die Meinungsfreiheit jetzt mal ein paar Jahre ruhen lassen.“ Ziel der Satire sei nicht, jemanden zu verletzen oder zu provozieren. „Aber es kann natürlich passieren – und das ist kein Tabu!“

Alfons plant neues Format im Fernsehen

Anders als hasserfüllte Prediger, die Religionen instrumentalisierten, habe „Charlie Hebdo“ niemals mit Hass agiert. „Hass ist der Feind“, sagt Peterfalvi. Er will nicht aufgeben, sondern den Dialog suchen. Doch: „Ein Dialog mit Kalaschnikows ist einfach schwierig.“

Anders als Bilder der vereint marschierenden Nation suggerieren, gebe es in französischen Vorstädten allerdings einige, die Sprüche von sich geben wie „Ich bin nicht Charlie“ oder „Die haben’s verdient, wenn sie solche Karikaturen zeichnen“. „Wir Künstler müssen da eine große Rolle spielen“, glaubt der Kabarettist, der sich mit deutschen und französischen Kollegen darüber ausgetauscht hat, was man gemeinsam auf die Beine stellen könnte. „Jeder ist einverstanden, aber keiner weiß genau, was.“

In Frankreich ist die Figur Alfons nicht bekannt. Auf der großen Bühne stand diese zuletzt mit Urban Priol. Doch mit der flugs wieder vom Schirm genommenen ZDF-Sendung „Ein Fall fürs All“ waren weder Peterfalvi noch Priol zufrieden. Ein neues Format ist zwar geplant, „aber noch nicht spruchreif“, verrät der Franzose.

Puschellos und in Zivil identifiziert man ihn nicht umgehend als den näselnden Reporter aus dem Fernsehen, der erstmals 1994 in Oliver Kalkofes „Mattscheibe“ vor die Kamera trat. Ein- bis zweimal pro Tag erhalte er Lob für seine Arbeit. Dies erquicke das Ego, sei aber selten genug, um sein Privatleben nicht zu erschweren. Doch langweilt ihn die von der Öffentlichkeit unterstellte Übereinstimmung seiner Persönlichkeit mit der Kunstfigur denn nicht auch ab und an? „Nein, das hat mich bisher noch nie gestört. Es ist eine sympathische Figur, was schon mal angenehm ist. Außerdem schränkt sie mich nicht ein. Ich kann als Alfons über die Anschläge in Frankreich reden oder darüber, dass der Tomatensaft nicht scharf genug ist“, erklärt Peterfalvi und leert sein Glas.

Eine Banalität ist vor dem Bezahlen aber noch zu klären: Ist es wahr, dass Alfons‘ typische Sportjacke seit dem ersten Tag nicht ausgetauscht wurde? „Ja, das stimmt. Die Jacke kommt aus der DDR. Als Alfons sich dann als feste Figur etablierte, wollte ich eine zweite auftreiben. Für den Fall, dass sie verloren geht oder geklaut wird. Ich habe überall gesucht, doch leider nichts gefunden. Aber obwohl die Jacke ja schon über 25 Jahre alt sein muss, ist sie noch in einwandfreiem Zustand, tipptopp! Das heißt: Nicht jedes Material in der DDR war schlecht!“ Alfons‘ Fortleben scheint also nicht am seidenen Faden zu hängen, wird zumindest vorerst nicht am Stoffzerfall scheitern.