Zornig: Los Hijos del Director aus Kuba Foto: Wachter

Die Kompanie Los Hijos del Director bringt aus Kuba eine finstere Uraufführung mit. Für ein gutes Ende des Colours-Abends am Dienstag sorgt dann aber noch die Produktion „Felahikum“: Rocío Molina und Honji Wang treten in einen Dialog über Grenzen.

Stuttgart - Es kann viele Gründe dafür geben, warum die sechs jungen Menschen auf der Bühne sauer auf die Alten im Publikum sind. Schließlich erben sie einen in jeder Hinsicht ramponierten Planeten. Zorn lodert im Blick der Tänzer von Los Hijos del Director, als die Kompanie des kubanischen Choreografen Georges Céspedes am Dienstag im Theaterhaus ihr Gegenüber fixiert. Kurz zuvor machten sie sich noch auf Stühlen am Bühnenrand eins mit dem Publikum, doch nun brechen sie aus.

„The Last Resource“ nennt Céspedes seine apokalyptische Anklage. Von Beginn an steht der Energiepegel der Tänzer auf volle Leistung, zeigt das Stimmungsbarometer „kochende Wut“, die einer Akteurin später sogar Tränen in die Augen treiben wird. Aber warum nur? Das bleibt die Frage, die den folgenden 80 Minuten ein Minimum an Spannung verleiht. Denn dramaturgisch ist die Abfolge von Gruppenszenen und Soli sehr vorhersehbar; auch Tanztempo und Schrittmaterial variieren kaum, egal ob die Musik mit Technobeats antreibt, poppig schmachtet oder kitschig klimpert. Aggressive Rucks leiten oft Bewegungen ein, Arme kreisen, Hände greifen weit in den Raum, Elemente aus Breakdance und Sportaerobic geben vor allem den Soli am Ende Videoclip-Charakter.

Angetreten in einer Mischung aus Kampf- und Arbeitsanzug, sehen sie als Kollektiv noch am besten aus, diese Söhne des Direktors, so der Name der Kompanie, in der die Töchter aber in der Überzahl sind. Dann machen Überlagerungen den Tanz spannend – und erzeugen am Ende gehörig Jubel.

Flamenco trifft auf Hip-Hop

Den konkreten Grund für die Wut, die „The Last Resource“ bewegt, erfährt man erst auf Nachfrage beim Choreografen. Kein Platz zum Proben, kaum Auftrittsmöglichkeiten, minimale Förderung: Die Situation der freien Szene ist auch in Kuba nicht rosig. Am eigenen Leib erfahren hat das Georges Céspedes, der als Choreograf mit der Kompanie Danza Contemporánea de Cuba verbunden ist, 2013 aber auch ein eigenes Ensemble gründete. „Ich war wegen der vielen Probleme kurz vorm Aufgeben“, erzählt Cespédes, da tauchte das Festival Colours als Koproduzent und Retter auf. Und so hat er seine ganze Wut aufs System in „The Last Resource“ gepackt.

Ein Dialog über Grenzen hinweg kann Anfang von vielem sein, kann Länder und Kunstsparten verbinden. Das zeigt auch die Begegnung von Rocío Molina und Honji Wang am Ende des Colours-Abends. Ein heller Tanzboden, umgeben von 23 Ventilatoren, sorgt nicht nur optisch für Frische. Ganz unvoreingenommen lassen sie sich ein auf ihr Gegenüber, die spanische Flamenco-Tänzerin und die koreanische Hip-Hopperin, die schon mit der Pop-Diva Madonna tourte, die in Frankfurt aufwuchs und auch ihren Tanz aus vielen Wurzeln speist, lassen sich ganz unverbissen ein auf ihr Gegenüber.

Die Farben ihrer Kleider zeichnen sie als Yin und Yang aus, und auch ihr Tanz zeigt, dass sich Gegensätze ergänzen. Die eine probiert den Fluss des Breakdance, die andere staunt über die Scharfkantigkeit des Flamenco, beide suchen sie in den Bruchstücken das Gemeinsame, nicht das Trennende. „Felahikum“ heißt der fast meditative Abend, den die Tänzerinnen zusammen mit Sébastien Ramirez choreografiert haben, sein Titel steht für den arabischen Ursprung des Worts Flamenco und damit für ein offenes Aufeinandertreffen der Kulturen. Mehr davon bietet Colours an diesem Donnerstag, wenn ein jüdischer und ein arabischer Tänzer in „We love Arabs“ friedliche Koexistenz versuchen.