Ein Mann, eine Zugmaschine – Hans-Peter Klein ist Vorsitzender des Clubs Modellbahn 65. Die Arbeiten an den Miniaturen enden nie. Foto: Günter Bergmann

In einem Keller beim Hauptbahnhof reift die Anlage des Clubs Modellbahn 65 – seit 1985.

Stuttgart-Mitte - Doch, sie hatten auch mal eine Frau im Club. Die Dame hat, mit Liebe, hauchzartem Strich und Fingerfertigkeit, Wachsfiguren bemalt. Aber grundsätzlich ist es mit den Frauen und dem Modellbahnerwesen eher wie mit seiner Ehefrau, sagt Hans-Peter Klein: Die „fragt immer, was das kostet.“ Er sieht dabei etwa so aus, als hätte ihn jemand gefragt, was er von einem guten Humpen Essig mit Eigelb hält. Aber bitte: rund 100 000 Euro waren es, nicht für ihn, für alle Clubmitglieder zusammen. Bisher. Aber das ist nicht viel für eine Modellbahn des Maßstabs 1:87 auf 140 Quadratmetern Fläche, auf der bis zu 60 Züge fahren, zumal für „die führende in Baden-Württemberg“, wie Klein sagt. „Nicht der Größe nach, aber der Qualität nach“.

Klein ist Vorsitzender des Clubs Modellbahn ’65. Er steht in einem unterirdischen Raum, der anmutet, als ließe sich darin ein Bombenangriff sorgenfrei überleben. 300 betonbewehrte Quadratmeter, Zutritt über eine Treppe hinter einer Stahltür, die sich in die Wandverkleidung der Unterführung zwischen König- und Lautenschlagerstraße so unscheinbar einfügt, als sei sie der Zugang zu einem Geheimgang zwischen einem Kloster und einem Bordell. „Heute ist es heiß“, sagt Klein. Es gibt kein Fenster. Im Winter ist es kalt. Es gibt keine Heizung.

Im Club gibt es keine minderwertigen Arbeiten

Das Wesen des Modellbahners dürfte nicht nur Frauen schwer verständlich sein. Die Figuren, die jene einzelne Dame eher betupfte als bemalte, sind etwa so hoch wie ein Männerdaumen dick. Wer sie mit der Lupe ansieht, erkennt sogar die Jackenknöpfe. Das Bemalen ist keineswegs eine Hilfsarbeit im Club. Hier gibt es keine minderwertigen Arbeiten. Hier gilt Expertentum, und die Produktionsabläufe sind so gut organisiert wie die Sportwagenproduktion bei Porsche, denn „es gibt nicht das Universalgenie“, sagt Klein.

Der eine hat eben die Fähigkeit perfektioniert, mit der Pinzette Fetzen aus einem Schaumstoffblock zu zupfen, bis dessen Struktur exakt im Maßstab 1:87 der einer Felswand bei Niederstetten entspricht. Der andere formt aus Draht, Zinn, Gips, Leim und in Glyzerin eingelegtem Moos Tannen. „Schätzen Sie, was ein Baum im Handel kostet“, fordert Klein. 40 Euro sind das. „Dafür bauen wir hundert“, sagt er. Und die gleichen dem Vorbild im Wald allemal mehr als die gekauften. Statt der Frage nach dem Preis ist dabei eher die nach der Zeit unstatthaft. Zwei Jahre hat es gedauert, den Hügel dort vorn beim Viadukt mit 300 Bäumen zu bewalden, das exakt dem Viadukt bei Hornbach im Schwarzwald nachgebildet ist. Insgesamt stehen etwa 3000 Bäume auf der Anlage. Um den Wohnblock dort hinten, zehn Bauten, im natürlichen Vorbild etwa Jahrhundertwende, hat sich ein Mitglied vier Jahre lang verdient gemacht. Die Fenster, nun ja, die sind gekauft. Der Rest ist Eigenbau.

Manches Foto von Details der Anlage lässt sich frühestens mit einem dritten Blick als Bild der Modellbahn enttarnen. Beim ersten wirkt es wie irgendwo auf der Alb geschossen. Hier raucht ein Mann vor dem Bahnhofseingang. Dort wandert eine Familie mit Stock über Stein. Die Werbeplakate vor dem Kiosk, nicht einmal so groß wie ein Fingernagel, ach Gott, die sind ganz einfach aus dem Modellbahnhandel. Aber sie sind mit einer Spezialtinktur künstlich gealtert. Schließlich bildet der Club nicht die Moderne ab, sondern die 60er-Jahre.

Die meisten „wollen nur spielen“

„Es sollt’ einer mal ...“ – steht als Leitsatz über dem Eingang zum Modellbahnraum. Gut 50 Mitglieder hat die Gruppe, 20 Jahre alt sind die jüngsten, 80 ist das älteste. Die meisten „wollen nur spielen“, sagt Klein. Das ist nicht als Vorwurf gemeint, klingt ungeachtet dessen wie ein Seufzer. Die anderen treffen sich jeden Dienstag und Freitag. Spielen heißt: mit den Modellbahnen fahren. Wenn das so einfach wäre. Elf Monate im Jahr bauen jene zehn, fünfzehn Mann die Anlage aus oder um. Nur zum Jahresende funktioniert alles. Dann wird die Öffentlichkeit zur Schau eingeladen. Schließlich geht es nicht nur um nette Naturnachbauten. Es geht auch um Technik, die entwickelt werden muss, beispielsweise bei der im Verein erfundenen Entkupplungsanlage. Üblicherweise treibt ein Elektromotor einen Stift in die Höhe, um Waggons von Loks zu trennen. Aber wenn die Lok nicht exakt steht, hebt der Motor den gesamten Zug aus den Gleisen. Also haben die Modellbahner ihre eigene Technik entwickelt. Sie entkuppelt mit sanfter Federkraft. So entgleist nichts mehr.

Das derzeit größte Projekt gilt der Zukunft. Die gesamte Anlage wird auf digitale Steuerung umgerüstet. So kann, an zwei Bildschirmen im Nebenraum, ein Mann allein alle Züge dirigieren. Bisher sind dazu acht nötig. Digitalisieren heißt aber allein schon mal, dass in jede der alten Loks ein Decoder eingebaut werden muss, der – nebenbei – 25 Euro kostet. Ganz abgesehen davon, dass unter der Anlage derzeit kaum ein Kabel dort steckt, wo es stecken müsste.

Die ’65 im Clubnamen steht für das Gründungsjahr. 1985 sind die Modellbahner in den Keller beim Hauptbahnhof eingezogen. Seitdem werkeln sie dort. Wann werden sie fertig? Klein sieht aus, als hätte jemand gefragt, wann sie auf Benzinmotoren umrüsten. „Nie“, sagt er. Sonst verlöre doch das ganze Hobby jeden Sinn.