„Ein weiblicher Schimanski wäre für mich das größte Kompliment“: Claudia Michelsen über ihre Rolle als Kommissarin Doreen Brasch Foto: dpa

Claudia Michelsen spielt in ihrem neuen Film eine Geologin, die unter Wasser arbeitet. Im Interview sagt sie, warum sie Figuren mag, die in Extremzuständen über sich selbst hinauswachsen.

Berlin - Sie ist eines der markantesten Gesichter im deutschen Fernsehen: Claudia Michelsen. In ihrem neuen Film „Stärke 6“, der an diesem Mittwoch im Ersten läuft, spielt die 45-Jährige eine auf Unterwassereinsätze spezialisierte Geologin, deren Tauchpartner unter mysteriösen Umständen im Vierwaldstätter See stirbt. Die Wissenschaftlerin wird des Totschlags beschuldigt und muss den wahren Schuldigen finden, um ihre Haut zu retten – eine Rolle, die ihr einiges abverlangte, wurden doch viele Szenen im eiskalten See gedreht.

Frau Michelsen, Ihre allererste Auszeichnung als Schauspielerin haben Sie schon in jungen Jahren erhalten, seitdem sind etliche dazugekommen. Wo haben Sie die denn alle geparkt?
Die stehen bei mir daheim alle sorgfältig in einem Schrank. Ich freue mich riesig über jeden Preis, weil ein Film mit seinem gesamten Team dadurch Aufmerksamkeit und Anerkennung bekommt. Im übertragenen Sinne ist ein Preis immer ja auch eine Auszeichnung für ein ganzes Team, schließlich mache ich ja keinen Film alleine, sondern mit der Unterstützung von vielen anderen Beteiligten.
Gehen Sie gerne zu Preisverleihungen?
Ich finde, es gehört zu meinem Beruf dazu und steht deshalb außer Frage, ob ich es gerne mache oder nicht. Unabhängig davon freue ich mich natürlich auch, auf diesen Veranstaltungen Bekannte treffen zu können, die ich sonst nicht so oft sehe.
Sie sind nicht nur eine gefragte Schauspielerin, Sie sitzen auch in der Jury des Michael-Althen-Preises für Kritik. Was würden Sie über Ihren Film „Stärke 6“ gerne als Kritik lesen?
Darüber denke ich im Voraus nie nach. Ich bekomme einen Stoff, befasse mich mit der Figur und entwickle eine Beziehung dazu – aber wie der Film am Ende aussieht und was erzählt wird, hängt von vielen anderen Umständen und Entscheidungen ab. Was ich gerne über die eigene Arbeit lesen würde und was ich gut fände, das spielt gar keine Rolle. Michael Althen war ein Meister seines Handwerks, einer der wenigen, die wirklich noch Kritiken schreiben konnten. Er fehlt.
Lesen Sie die Kritiken zu Ihren Filmen?
Ich lese zwar nicht alle, aber schon die ein oder andere ausgewählte. Es kommt darauf an, wer geschrieben hat. Leider gibt es immer weniger fundierte Filmkritiken. Jeder kann heutzutage öffentlich seine Meinung abgeben, es wird sehr schnell geurteilt und vor allem respektlos verurteilt. Was mir dabei oft fehlt, ist der Respekt vor der Arbeit. Niemand kann nur großartige Filme machen, aber immer seltener wird sachliche Kritik geübt, sondern es geht um Meinungsmache und subjektive Befindlichkeiten.
An Ihren beiden Einsätzen als „Polizeiruf 110“-Kommissarin Doreen Brasch hatten Beobachter so manches auszusetzen . . .
Ich finde es gut, wenn gerade bei einem Format wie dem „Polizeiruf“, das längerfristig gedacht ist, Diskussionen entstehen. Wir kommen nicht nett um die Ecke, das hatten wir nie vor, sondern wir erzählen Geschichten, und die Leute können daran teilhaben oder auch nicht. Und wenn es die Leute nachhaltig beschäftigt und sie darüber reden, ist es noch besser.
Wollen Sie in der Rollengestaltung auf den Vorwurf reagieren, Ihre Kommissarin sei machohaft – wie ein weiblicher Schimanski?
Ein weiblicher Schimanski wäre für mich das größte Kompliment. Aber das ist genau eine dieser persönlichen Befindlichkeiten, die meiner Meinung nach in einer Kritik nichts verloren hat. Wenn jemand mit so einer Frau wie der Brasch nicht klarkommt, dann muss er sie ja nicht mögen. Man mag ja auch den Serienarzt Dr. House nicht und schaut ihm gerne zu. Und auch Schimanski hat man am Anfang nicht gemocht, wenn ich Sie daran erinnern darf. Die Brasch ist einfach so – und ich mag sie sehr gern und habe ein gutes Verhältnis zu ihr.
In „Stärke 6“ spielen Sie eine auf Unterwassereinsätze spezialisierte Geologin, die nach einem mysteriösen Todesfall gegen Widerstände ein Geheimnis im Vierwaldstätter See aufdeckt. Was hat Sie an dieser Rolle gereizt?
Zum einen wollte ich mit Sabine Boss arbeiten, sie ist für mich eine sehr besondere Regisseurin aus der Schweiz. „Stärke 6“ war unser erster gemeinsamer Film und wurde vor über zwei Jahren gedreht. Letzten Winter hatten wir das Glück, wieder miteinander arbeiten zu können, aber diesmal an einer Komödie. Sie heißt „Seitensprung“ und wird am 19. September zu sehen sein. Inzwischen verbindet uns eine tiefe Freundschaft. Ich fand die Geschichte von „Stärke 6“ spannend. Eine Frau, die durch extreme Umstände über sich selbst hinauswachsen muss. Eine Erin-Brockovich-Figur.
Haben Sie die Schwimm- und Tauchszenen selber gedreht?
Vor langer Zeit musste ich schon einmal in einem Film tauchen, aber das war mit einem leichten Neoprenanzug und Sauerstoffflasche. Dagegen musste ich für „Stärke 6“ einen speziellen Trockenanzug anziehen, weil diese Seen in den Bergen sogar im Sommer so kalt sind, dass man es anders nicht aushält. Das war schon eine Herausforderung. Aber natürlich hatten wir auch Doubles am Set, die uns sehr geholfen haben, da man ja auch nicht den ganzen Tag im Wasser sein kann.
Also waren die Dreharbeiten strapaziös?
Es war nicht unanstrengend. Solche rein körperlichen Sachen wie diese Tauchgeschichte haben ja mit Schauspielerei nicht wirklich etwas zu tun. Aber das ist ja auch der Luxus des Berufes, wenn man so gefordert wird.
In dem Film stellt sich heraus, dass am Grund des Sees scharfe Munition liegt, die aus Kostengründen nicht gehoben wird – der Film greift damit wahre Tatsachen auf. Sind solche Aspekte wichtig für Sie?
Ich finde, dass auch in scheinbar kleinen Geschichten, etwa in kammerspielartigen Beziehungsstoffen, große Themen stattfinden können. Aber es ist natürlich toll, wenn man mit einem politischen Thema wie diesem in Berührung kommt, von dem ich zum Beispiel vorher nichts wusste.

„Stärke 6“, Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD