Zur Abwechslung einen Spagat: Statt im Klassenzimmer, waren die Stammheimer Kinder einige Tage lang Foto:  

400 Grundschüler machen eine Woche lang Erfahrungen als Zirkusartisten. Im Zelt des Circus Piccolo an der Münchinger Straße betätigten sich die Kinder als Trapezkünstler, Seiltänzer, Jongleure oder Clowns.

Stammheim - Einmal Star statt Einmaleins: Das war das Motto für rund 400 Erst- bis Viertklässler der Grund- und Werkrealschule in der vergangenen Woche. Im Zelt des Circus Piccolo an der Münchinger Straße betätigten sich die Kinder als Trapezkünstler, Seiltänzer, Jongleure oder Clowns – bis zur großen Gala am vergangenen Wochenende. Mit dem Projekt haben die Pädagogen schon in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. „Du lernst Begabungen der Schüler kennen, von denen du gar nicht ahntest, dass sie da sind“, sagt die Lehrerin Ingeborg Sorgenfrei.

Große Augenblicke brauchen die richtige musikalische Untermalung. Also dröhnt Chubby Checkers „Let’s twist again“ aus den Lautsprechern, als die tollkühnen Artisten mit ihren fliegenden Diabolos durch die Manege schreiten. Meterhoch werfen sie die Halbkugeln in die Luft, so hoch, dass man sich fast Sorgen um das Dach des Zeltes machen muss. Und nachdem die Schwerkraft ihren Dienst erwiesen hat, landet das Diabolo wieder sicher auf dem Seil zwischen den zwei Handstöcken. „Als ich zum ersten Mal gesehen habe, wie das funktioniert, dachte ich, dass es total schwer ist“, sagt der Viertklässler Hamdi, der sich dennoch mit seinem Klassenkameraden Alessandro dafür entschieden hat, die anspruchsvolle Übung zu lernen.

Die Chance, sich selbst zu entdecken

So wie Hamdi und Alessandro standen vor einer Woche auch alle anderen Stammheimer Grundschüler vor der Wahl, welche Rolle sie in einem Zirkus einnehmen wollen. Bereits zum dritten Mal tat sich die Grund- und Werkrealschule mit dem Plüderhausener Circus Piccolo zusammen, um durch das Projekt schlummernde Talente der Kinder hervorzukitzeln. „Die Woche stärkt bei vielen Schülern das Selbstvertrauen“, weiß der Lehrer Bernd Storz aus Erfahrung. „Das zeigt sich, wenn sie voller Stolz ihren Eltern und Verwandten in den Aufführungen das Gelernte präsentieren.“

Für den Zirkusdirektor Alexander Riedesel bietet das Projekt den Kindern die Chance, „sich selbst zu entdecken“. Im Winter reist die Artistenfamilie wie die meisten Zirkusse von Auftritt zu Auftritt durchs Land, in den Sommermonaten betätigen sich die Riedesels als Pädagogen. Bereits 1990 fing das an, inzwischen sind sogar Alexander Riedesels Enkel involviert, die selbst noch im Grundschulalter sind.

„Als Schule hat uns das zusammengeschweißt“

Es scheint, als werden Angebote wie diese von Jahr zu Jahr wichtiger. „Kinder sind heute schwerfälliger als früher“, hat der Direktor festgestellt und führt das auf einen übermäßigen Computer- und Smartphone-Konsum zurück. „Nach einigen Tagen im Zirkus lockern sie richtig auf.“

Wohin das führen kann, zeigte sich in den Gala-Vorstellungen auf dem Drahtseil, beim Kugelbalancieren oder beim Schwingen durch die Luft. „Du musst dich sehr konzentrieren“, sagt die Seiltänzerin Carolina aus der zweiten Klasse, während ihre Freundin Leni die Höhe auf dem Trapez genoss. „Spannend und aufregend für die Schüler und für mich“, fand das Carolinas und Lenis Klassenlehrerin Noreen Kreuz. Im Zusammenhalt der unterschiedlichen Altersklassen, die alle gemeinsam in der Manege standen, sah sie den größten Profit der Woche. Die Großen halfen den Kleinen, zur Freude von Kreuz. „Als Schule hat uns das zusammengeschweißt. Auf einmal grüßen sich viel mehr Schüler auf dem Pausenhof untereinander.“

Diente die Zeit außerhalb des Klassenzimmers also womöglich gar als Benimmkurs? „Ein, zwei Rabauken sind immer dabei“, sagt Janine Riedesel lächelnd. „Aber sonst waren die Schüler erstaunlich ruhig.“