Der kaufmännische Leiter des CJD Stuttgart genießt noch einmal den Blick aus seinem Büro an der Wiener Straße. Foto: Torsten Ströbele

Neue Herausforderung: Frank Gerhard hat das CJD verlassen.

Feuerbach - Frank Gerhard steht auf der Terrasse seines Büros an der Wiener Straße. Es ist der 30. Juni. Das Wetter und der Ausblick sind traumhaft. Der Lemberg strahlt an diesem Tag eine gewisse Ruhe und Besinnlichkeit aus. Das passt zur Stimmung von Frank Gerhard. Es ist sein letzter Tag als kaufmännischer Leiter des Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) in Stuttgart. Nach neunzehneinhalb Jahren beim CJD und zwölfeinhalb Jahren in Feuerbach hat er eine neue Herausforderung gesucht – und gefunden. „Ich wechsle zum 1. Juli in den Vorstand der Stiftung Karlshöhe Ludwigsburg. Das ist eine Chance, ein Fortschritt“, sagt Frank Gerhard.

Doch Feuerbach wird immer einen besonderen Platz in seinem Herzen haben. „Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt. Ich werde auch gerne wiederkommen, wenn man mich einlädt.“ Wenn Frank Gerhard auf seine Anfänge in Feuerbach zurückblickt, stellt er fest, dass sich in den vergangenen Jahren viel verändert hat: „Als ich hier am 1. Januar 2003 begonnen habe, hatten gerade einmal sieben von 120 Mitarbeitern eine eigene E-Mail-Adresse. Heute haben natürlich alle eine“, sagt er und schmunzelt. Ernster wird Gerhard, wenn er über die Jugendlichen spricht, um die sich das CJD kümmert. „Ursprünglich hatten unsere Jugendlichen in der Regel eine Lernbehinderung. Mittlerweile kommen aber zunehmend auch soziale Probleme, Süchte, Krankheitsbilder wie eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) dazu und spielen im Alltag eine große Rolle“, sagt Gerhard. „Da muss man am Ball bleiben, um die Jugendlichen weiterhin optimal zu fördern.“ Und das klappe beim CJD sehr gut.

Gerade aus den Erfolgen, die man gemeinsam mit den Mädchen und Buben erreiche, beziehe man seine Motivation. Ziel sei es vor allem, den Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu geben. In guten Zeiten liege die durchschnittliche Vermittlungsquote der Auszubildenden in den ersten Arbeitsmarkt bei etwa 80 Prozent. „Die jungen Menschen erhalten bei uns viel Förderung und Betreuung. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass sie dafür der Gesellschaft auch etwas zurückgeben“, sagt Gerhard. Beispielsweise habe man an der Kerschensteinerschule oder den beiden Feuerbacher Gymnasien Wände gestrichen, dem Musikverein Stadtorchester beim Aufstellen des Kirbe-Zeltes geholfen oder die Sitzbänke auf der Stuttgarter Straße hergestellt.

Die Nachfrage am CJD hat abgenommen

In den vergangenen zwölfeinhalb Jahren haben sich aber nicht nur die Jugendlichen beim CJD verändert, sondern die ganze Institution hat sich zwischenzeitlich in vielen Bereichen neu aufgestellt. „Wir hatten damals an der Wiener Straße ein Internat mit mehr als 100 Jugendlichen, die bei uns eine Ausbildung gemacht haben. Zudem waren noch einmal so viele Jugendliche bei uns in sogenannten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen.“ Letztere Aufgabe übernimmt das CJD – nach zweijähriger Pause – auch heute noch für die Agentur für Arbeit. Das Internat gibt es allerdings nicht mehr. Dafür kümmert sich das CJD seit mehr als zehn Jahren um junge Menschen mit Autismus, die seit 2013 auch in kleinen Wohngruppen an der Wiener Straße leben.

Doch die Nachfrage am CJD ist lange nicht mehr so hoch, wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts. „Wir haben derzeit noch insgesamt rund 100 Jugendliche in der Ausbildung und den berufsvorbereitenden Maßnahmen. In Spitzenzeiten waren es etwa 280“, sagt Gerhard. Das hatte zur Folge, dass in Feuerbach zu viel Platz vorhanden war, der nicht mehr gebraucht wurde. Das CJD verkaufte sein Gebäude an der Bregenzer Straße an die Firma Bosch und reduzierte die Mietflächen an der Burgenlandstraße. „Die finanziellen Schwierigkeiten haben im September 2010 begonnen. Wir sind mittlerweile auf einem guten Weg, haben uns aber noch nicht vollständig erholt“, sagt Frank Gerhard.

Der Umbruch ist noch nicht beendet

Neue Pfade wurden eingeschlagen, um aus der Krise zu kommen. Die erste CJD-Kita hat mittlerweile auf dem ehemaligen Krankenhaus-Areal eröffnet. Eine zweite soll nun an der Wiener Straße folgen. „Wir warten jeden Tag auf die Baugenehmigung“, sagt CJD-Württemberg-Gesamtleiter Harald Gerharth. 30 Kinder im Alter bis zu sechs Jahren werden dort einen Platz finden. „Wir hoffen, im September mit dem Umbau beginnen zu können.“ Zudem erfreue sich das vor fünf Jahren eröffnete Ausbildungsrestaurant „Zum Stäffele“ großer Beliebtheit. Bis zu 70 ältere Herrschaften kämen täglich, um dort zu essen.

Der Umbruch beim CJD ist aber noch nicht beendet. Einen Nachfolger für Frank Gerhard wird es zum Beispiel in dieser Form nicht geben. „Wir haben neue Strukturen geschaffen, weil viele Bereiche diffiziler und umfangreicher geworden sind“, sagt Harald Gerharth. Früher habe es einen Jugenddorfleiter gegeben, der für alles verantwortlich war. Nun habe man in Baden-Württemberg sieben übergeordnete Fachbereiche gegründet, mit jeweils einem Leiter. Dennoch werde es in Feuerbach mit dem Standortkoordinator Rainer Müller-Schuck weiterhin einen Ansprechpartner geben. Künftig soll an der Wiener Straße die Verwaltung und Steuerung des CJD Baden-Württemberg verortet sein. Hierzu werden derzeit noch letzte Details geklärt.