Geriet kräftig in die Schlagzeilen: Verkauf des Roboterherstellers Kuka an Midea. Foto: dpa

Unternehmenskäufe durch chinesische Investoren haben im vergangenen Jahr europaweit ein neues Rekord-Niveau erreicht. Europapolitiker fordern nun für die Europäische Union ein Aufsichtsgremium nach US-amerikanischem Vorbild.

Brüssel - Chinas Investoren haben 2016 bei ihrem Einkaufsbummel in Europa einen neuen Rekord aufgestellt. Sie kauften oder beteiligten sich an insgesamt 309 Unternehmen, die ihren Sitz in Europa haben. In Deutschland gab es 68 Zukäufe von Geldgebern aus dem fernöstlichen Land. Damit legte die Zahl der Zukäufe von Chinesen in Deutschland binnen Jahresfrist um 70 Prozent zu, in Europa stieg sie um 48 Prozent. Und die gezahlten Preise für die Unternehmen steigen rasant. In Deutschland hat sich das Investitionsvolumen von 530 Millionen Euro auf 12,6 Milliarden Euro innerhalb von einem Jahr mehr als verzwanzigfacht. In Europa hat es sich auf 85,8 Milliarden Euro verdoppelt.

Der Kuka-Verkauf machte viele Schlagzeilen

Besonders viele Schlagzeilen machte der Erwerb des deutschen Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Haushaltsgerätehersteller Midea. Mit einem Volumen von 4,6 Milliarden Euro war dies der größte Fisch, den chinesische Investoren in Deutschland an Land zogen. Der Fall ist aber nicht nur wegen seines Volumens interessant. Bevor der Deal über die Bühne gehen konnte, musste Kuka seine US-Flugzeugsparte abstoßen. Dies machte eine US-Behörde zur Bedingung. Eine US-Behörde? In den USA gibt es das Committee on Foreign Investment in the US (CFIUS). Dieses Gremium prüft bei geplanten Übernahmen, ob es Konflikte mit nationalen Interessen gibt. In den vergangenen 25 Jahren hatte CFIUS über 2000 Anmeldungen auf dem Tisch. Meist gibt die Behörde grünes Licht, aber eben nicht immer: Im vergangenen Jahr legte sie etwa ihr Veto ein, als der niederländische Konzern Philips seine Lampensparte Lumileads an chinesische Bieter abgeben wollte.

In der EU gibt es Bestrebungen, nach US-amerikanischem Vorbild eine europäische Prüfbehörde zu installieren. Der China-Experte der Grünen, Reinhard Bütikofer, fordert: „Die EU braucht einen gemeinsamen institutionalisierten Kontrollmechanismus.“ Nicht nur China, auch Russland interessiere sich zunehmend für Unternehmen, die von grenzüberschreitender europäischer Bedeutung seien. „Wenn Gazprom Gasspeicher in Deutschland kauft, hat das Auswirkungen auf die Energiesicherheit auch in den Nachbarländern.“ Ein chinesischer Großkonzern könne irgendwo in Europa Immobilien neben militärischem Gelände besitzen, so Bütikofer. „Welche Risiken bedeutet dies?“ Er gibt zu bedenken: „Risiken dieser Art müssen umfassend geprüft werden.“ Und zwar europaweit. Kleinere und finanzschwächere Länder könnten damit überfordert sein. Einzelne Länder könnten politisch erpressbarer sein als die EU im Ganzen. Reinhard Bütikofer fordert daher die Kommission auf, ein europäisches Gremium nach US-Muster zu schaffen.

Bütikofer macht Druck

Bütikofer hat zwar Zweifel, ob die EU-Staaten einem EU-Gremium die alleinige Kompetenz für Beteiligungen abtreten würden. „Aber vorstellbar wäre ein Beratungsgremium, das aus EU- und nationalen Experten besteht.“ Es könnte Stellungnahmen abgeben, die dann von den jeweiligen nationalen Behörden in die Entscheidung einbezogen werden. Bütikofer macht Druck: Unternehmenskäufe dürften nicht dazu führen, dass Fortschritt und Entwicklung in der EU ausgebremst werden. „Wir können nicht die mit europäischer Forschungsförderung finanzierten Kronjuwelen von morgen heute billig verscherbeln.“

Der Handelsexperte im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), hat Sympathien für die Idee. „Wir sind schon länger an dieser Frage dran. Auf Initiative der EVP-Fraktion im Europaparlament prüft der Wissenschaftliche Dienst gerade, ob ein derartiges Gremium mit den EU-Verträgen vereinbar ist.“ Auch Caspary glaubt, dass über Beteiligungen aus China und Russland auf europäischer Ebene entschieden werden muss. „Was haben wir davon, wenn ein EU-Mitgliedsland den Verkauf stoppt, aber dann der Investor über eine Strohfirma im nächsten EU-Mitgliedsland doch noch zum Zuge kommt?“

Der chinesische Mischkonzern HNA will Flughafen Frankfurt-Hahn übernehmen

Experten glauben, dass das Interesse von chinesischen Bietern an Unternehmensbeteiligungen weiter zunimmt. Gerade wird über die Übernahme des Hunsrücker Flughafens Frankfurt-Hahn durch den chinesischen Mischkonzern HNA verhandelt, der 13 Flughäfen und 14 Fluggesellschaften in China betreibt sowie etliche Linien in Frankreich, Brasilien und Ghana, außerdem die europäischen Hotelketten NH und Carlson.

Bereits weit gediehen, aber noch nicht abgeschlossen ist die Übernahme des schweizerischen Chemieunternehmens Syngenta durch Chemchina. Dies wäre mit einem Volumen von 44 Milliarden Dollar der größte Deal aller Zeiten von China auf dem Alten Kontinent.

Osram darf seine traditionelle Lampensparte verkaufen

Am Montag wurde bekannt, dass der Münchner Konzern Osram seine traditionelle Lampensparte wie geplant nach China verkaufen darf. Das Bundeswirtschaftsministerium hat für die Übernahme eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt, teilte ein Sprecher des Lichtkonzerns mit. Für 400 Millionen Euro geht die Ledvance getaufte Osram-Sparte an ein Konsortium um den chinesischen Investor MLS.