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Er war der Privatfriseur von Caterina Valente. Ans Aufhören denkt „der Uli“, wie ihn alle nennen, nicht. In seinem Salon in Esslingen feiert der Meister des Haarkults sein 40-Jahr-Jubiläum.

Stuttgart - Es hat lange gedauert, bis der Schwabe Uli mit den Schwaben klar gekommen ist.

„Zwiespältig“, sagt er, sei früher sein Verhältnis zur Heimat gewesen. Da war die große Liebe zur Mutter, die über zwei Jahrzehnte nach ihrem Tod noch immer resolut aus dem Bilderrahmen von der Kassentheke den Friseursalon ihres Sohnes zu beschützen scheint. Doch da waren bohrende Blicke, die den Uli trafen, wenn er auf die Straße ging, wie er sich fühlte: geschminkt, mit viel Schmuck um Hals und Handgelenke, mit langen Gewändern und einem Gesicht, das kaum zu erkennen war, weil von Haaren zugewachsen. Dieser Mann sah nicht nach „Schaffe, schaffe Häusle baua“ aus. Und net nach de’ Mädle schaua? Nein, dieser Kerl schaute eher nach den Jungs.

Wie „der Uli“ mit Nachnamen heißt? Selbst etliche seiner besten Kundinnen müssen bei dieser Frage passen. Sie kennen nur „Chez Uli“. So heißt sein Friseursalon am Kesselwasen in Esslingen, der so bunt ist und so gut duftet, wie man sich den Garten Eden vorstellt. Verführerisch!

Sein kompletter Name steht im Pass. Er gefällt ihm nicht. Aus dem gelernten Graveur und Kupferstecher ist „der Uli“ geworden, der Mann, der seine langen Haaren zu einem Knäuel verknotet, der zwölf Jahre lang die große Caterina Valente begleitet, geschminkt und frisiert hat. Wenn der Uli erzählt, wie er Balletttänzer werden wollte, aber seine Hüfte nicht mitspielte, wie er über Umwegen bei einem Weltstar gelandet ist, wie er mit zwei Flaschen Wein am Tag abstürzte, sich berappelte und lernte, mit Yoga seine Balance zu finden, ja dann begreift man, was für Risiken und Nebenwirkungen ein Leben bereithält, aber wie schön es auch sein kann.

Im nächsten Jahr wird der Uli siebzig, seine Selbstständigkeit als Friseur jährt sich jetzt im Dezember zum 40. Mal – in seinem Paradies ist er aber längst angekommen.

„Mein Paradies“ – so nennt er den Salon, der ein sinnliches Erlebnis ist. Es riecht angenehm. Das Licht ist freundlich gedimmt. Keine Neonröhren stören. Sanfte Strahler helfen mit, dass die Kundinnen ihre Spiegelbilder mögen. Hier ist der Beweis: Nicht alle rosaroten Wolken platzen. Und es wird klar, warum man Menschen, die sich aus der grauen Masse abheben, Paradiesvögel nennt. Der Uli ist ein schwäbischer Paradiesvogel, der sich nach vielen Jahren mit den Schwaben versöhnt hat. In seiner Heimat scheint man nun endlich zu begreifen, dass eine Stadt Originale braucht, nicht nur Kopien.

Das Denken in Schubladen ist ihm zuwider. Er hat Frauen wie Männer geliebt. Jesus und seine Jünger seien auf Abendmahl-Bildern so schön, die waren bestimmt alle schwul, sagt er und lacht. Seit vielen Jahren lebt er in Stuttgart mit einem Schauspieler zusammen. Ungebrochen ist sein Drang, Frauen zu verschönern. Besonders beliebt sind gerade handgelegte Wasserwellen aus den 1920ern. Nicht erst seit dem Musical „Chicago“ hat er diese Frisur perfektioniert. An Ruhestand denkt er nicht. Denn der Mensch brauche eine Aufgabe im Alter.

Caterina Valente, die in wenigen Tagen 84 wird, hat sich 2006 von der Bühne zurückgezogen. Ihr früherer Privatfriseur kann’s verstehen. Wer 64 Jahren lang, von Kindesbeinen an, nonstop gearbeitet hat, dürfe Nein sagen. Ihren ersten Gesangsauftritt hatte sie mit fünf im Stuttgarter Friedrichsbau. In Lugano soll die begnadete Entertainerin nun als fröhlicher Mensch leben. Über SDR-Regisseur Horst Martel hatte er die Valente Ende der 1960er kennen gelernt. Schnell wurden sie ein professionelles Team: das frühere Artistenkind aus Italien und der schwäbische Figaro. Von 1970 bis 1982 hat der Uli die Frau mit dem berühmten Lachen auf Tourneen und zu TV-Shows begleitet. Die Zeit mit ihr bewahrt er wie einen Schatz und ist für immer dankbar: „Sie ist ein wunderbarer Mensch!“

Immer wieder wurde er für Fernsehshows gebucht, frisierte unter anderen die Sängerinnen Ireen Sheer, Bibi Johns, Wencke Myhre und Gitte. Und auch heute noch zieht er Kameras an: Erst kürzlich ist für eine Folge der „Soko Stuttgart“ in seinem Salon gedreht worden. Auf große Namen kommt es ihm freilich nicht an. Glücklich macht es ihn, wenn eine Frau, die zuerst müde aussah, leicht federnd seinen Salon verlässt. „Die Haare sind bei einer Frau quasi das Spiegelbild ihrer Persönlichkeit“, sagt er.

Die erste Frauenhaare seines Lebens gehörten seiner Mutter. Die schnitt und frisierte er so toll, dass sich ihre Kundinnen – die Dame arbeitete an der Kasse eines Kaufhauses in Esslingen – nach ihrem Friseur erkundigten und ihn sofort buchen wollten. So wurde aus dem Graveur ein Coiffeur.

Wer heute den Salon Chez Uli betritt, sieht zuerst das Bild der verstorbenen Mutter auf der Theke. Ihr Sohn lebt vor, dass man so sein kann, wie man ist, dass man mit Optimismus und Lebensfreude im „Rentenalter“ noch sehr weit kommt. Sie kann stolz auf ihren Uli sein. Auf die bunte Vielfalt eines Schwabenlebens, auf die Vögel, die ein Paradies braucht.