Mit Bosch-Manager Wolf-Henning Scheider holt sich der Stuttgarter Zulieferer Mahle einen versierten Branchenkenner an die Unternehmensspitze, der gute Kontakte zu den weltweiten Automobilkunden hat.

Stuttgart - Der 52jährige Bosch-Manager Scheider wird im April 2015 als stellvertretender Vorsitzender zu Mahle wechseln und im Juli Mahle-Chef Heinz Junker ablösen, der dann in den Aufsichtsrat wechselt. Die Nachricht geben die beiden Unternehmen zeitgleich am Dienstagabend heraus - just an Junkers 65. Geburtstag wird sein Nachfolger präsentiert. Der dürfte damit das Haus gut bestellt wissen, denn Scheider verfügt über beste Branchenerfahrung. Seit Juli 2010 gehört er der Bosch-Geschäftsführung an, seit Juli 2013 ist er Sprecher der wichtigen Bosch-Kfz-Sparte und verantwortet mit gut 178 000 Mitarbeitern mehr als 30 Milliarden Euro Umsatz – zwei Drittel des Bosch-Konzernumsatz.

Von feindlichem Abwerben kann kaum die Rede sein, auch wenn Bosch damit einen Topmanager an einen Wettbewerber verliert. Denn Bosch und Mahle sind sich wohlgesonnen und keine erbitterten Konkurrenten. Man sitzt fast in unmittelbarer Nachbarschaft, kennt sich seit Jahren und hat enge Geschäftsbeziehungen. Seit 2008 betreiben Deutschlands Nummer eins und Nummer vier unter den Autozulieferern das Gemeinschaftsunternehmen Bosch Mahle Turbosystems zur Entwicklung und Produktion von Abgasturboladern.

Scheider, geboren in Saarbrücken, ist ein echtes „Bosch-Gewächs“ und gilt als ehrgeizig. Nach seinem BWL-Studium startete er 1987 seine Berufslaufbahn als Trainee bei Bosch, wo er schnell Karriere machte und unter anderem auch Vorsitzender des Bereichsvorstands des Geschäftsbereichs Car Multimedia und von Gasoline Systems war. Vor eineinhalb Jahren folgte er auf den damaligen Bosch-Manager Bernd Bohr als Chef der Kraftfahrzeugsparte – der erste Nicht-Techniker in Boschs umsatzstärkster Sparte und damit auch ein Exot in der technikaffinen Geschäftsführung. Unterm Strich hatte er aber weniger Macht als Bohr, denn innerhalb der Kfz-Sparte war Rolf Bulander (56) für Dieselgeschäft von Bosch verantwortlich.

Doch der Erfolg spricht für Henning. Die Kfz-Sparte wuchs im vergangenen Jahr mit 6,7 Prozent überdurchschnittlich und brachte auch den Großteil des Gewinns. Die Umsatzrendite erreichte mit 7,7 Prozent nahezu die für den Konzern ausgegebene Zielrendite von acht Prozent.

Hennings Wechsel kommt überraschend, denn normalerweise verlassen Bosch-Manager nicht so schnell solche Top-Posten. Henning bleibt zwar noch bis Ende März bei Bosch, doch das schließt nicht aus, dass es auch Misstöne gegeben hat. Angesichts der nüchternen Pressemitteilung, in der kein persönliches Wort des Dankes und der Anerkennung von der Konzernspitze kommt, sind solche Vermutungen nicht ganz abwegig. Ein knapper Dank kommt immerhin von zwei Gremien: „Gesellschafter und Aufsichtsrat danken Scheider für seine langjährige und sehr erfolgreiche Tätigkeit in verschiedenen Funktionen für die Robert Bosch GmbH“, heißt es lediglich.

Mit dem Wechsel zu Mahle verantwortet Scheider künftig gerade mal ein Drittel des bisherigen Umsatzes. Mahle bringt es 2014 – dank der Behr-Übernahme – auf knapp zehn Milliarden Euro Umsatz. Doch für Scheider war dies offensichtlich die bessere Alternative zum Verbleib im Bosch-Konzern. Künftig zieht er als oberster Konzernlenker bei Mahle die Fäden.

Während der Bosch-Konzern einen Manager mit viel Erfahrung verliert, steht der Nachbar Mahle auf der Gewinnerseite und holt sich enormes Know how ins Haus – nicht zuletzt auch bei Themen wie automatisiertem Fahren, vernetzten Fahrzeugen und Elektromobilität: Zukunftsthemen, bei denen Mahle noch enormen Nachholbedarf hat. Scheider ist einer, der das Unternehmen auch nach außen gut vertreten kann. Er ist kommunikativ und gibt sich offen – deshalb dürfte es ihm nicht schwerfallen, sich schnell einen Überblick über Mahles Themenfelder zu verschaffen – allen voran die Eingliederung von Behr.

Bei Bosch indessen dreht sich das Personalkarussell weiter. Hennings Nachfolger in der Kfz-Sparte wird zum 1. April nächsten Jahres Rolf Bulander, der unverändert die Geschäftsbereiche Diesel Systeme, Gasoline Systems, Starter und Generatoren sowie Qualität und künftig auch den Bereich Elektroantriebe verantwortet. Bulander ist sei 26 Jahren bei Bosch an Bord und wurde 2013 in die Geschäftsführung berufen. Ab April wird Markus Heyn (50) neuer Geschäftsführer bei Bosch und unter anderm für den Verkauf Kfz-Erstausrüstung, Marketing und Verkauf zuständig sein. Im Zuge der Neuordnung wird Dirk Hoheisel (56) neben seinen bisherigen Zuständigkeiten für die Geschäftsbereiche Chassis Systems Control, Car Multimedia, Automotive Eletronics zusätzlich für den neuen Bereich Automotive Steering verantwortlich sein. Allerdings müssen vorher noch die Kartellbehörden grünes Licht für die vollständige Übernahme der ZF Lenksysteme geben. Der promovierte Elektrotechniker Hoheisel ist seit 2012 Mitglied der Bosch-Geschäftsführung.