Hansgrohe-Chef Siegfried Gänßlen ist stolz, dass er viele neue Märkte erschlossen hat Foto: dpa

Der einstige Fußballschiedsrichter Siegfried Gänßlen ist seit zwanzig Jahren bei Hansgrohe und seit 2008 Chef. Im Oktober verlässt er das Unternehmen – und zieht bei uns im StN- Interview Bilanz.

Der einstige Fußballschiedsrichter Siegfried Gänßlen ist seit zwanzig Jahren bei Hansgrohe und seit 2008 Chef. Im Oktober verlässt er das Unternehmen – und zieht im Interview Bilanz.
 
Stuttgart - Herr Gänßlen, leiden Sie noch an gesundheitlichen Folgeschäden der Fußball-WM?
(Lacht) Eher meine Frau. Sie hat darunter gelitten, dass ich mich so aufgeregt habe.
Wie äußert sich das, wenn Sie vom Sofa aus die Fassung verlieren?
Das findet weniger auf dem Sofa statt. Ich springe dann auf und schimpfe hörbar. Ich war ja selbst jahrelang Schiedsrichter, habe bis zur Dritten Bundesliga gepfiffen. Insofern beobachte ich die Unparteiischen bei jedem Spiel genau – und während der vergangenen WM gab es mehr als einen Grund, vom Sofa aufzuspringen. Da stand ich bei meiner Frau kurz vor der Roten Karte.
Eine Rote Karte hat Ihnen auch Masco, Mehrheitseigentümer bei Hansgrohe, gezeigt. Warum wurde Ihr Vertrag vorzeitig beendet?
Richtig ist, dass mein Vertrag als Vorstandsvorsitzender bis Mai 2015 hätte laufen sollen. Allerdings wurde bei der letzten Vertragsverlängerung vor drei Jahren auch eine Stabsübergabe zu einem früheren Zeitpunkt als mögliche Option vereinbart. Voraussetzung dafür war, dass ein geeigneter Nachfolger für mich gefunden wird. Diesen konnte das Unternehmen mit Thorsten Klapproth gewinnen. Und da dieser zum August anfangen möchte und eine kurze Einarbeitungszeit anstrebt, habe ich mich zu einem früheren Wechsel bereiterklärt. Denn mit zwei Chefs geht es nicht. Da wissen die Mitarbeiter ja gar nicht, wohin sie schauen sollen.
Die Mitarbeiter waren entsetzt, als sie neulich mit der Nachricht überrascht worden sind.
Wechsel in der Vorstandsetage sind bei Hansgrohe als einem sehr nachhaltig ausgerichteten Unternehmen nicht an der Tagesordnung. Und die Menschen hier identifizieren sich mit ihrer Arbeit und dem großen Ganzen. Insofern kann ich verstehen, dass einige Mitarbeiter von dieser Nachricht überrascht waren.
Warum hat man Ihren Vertrag dann nicht bis zu seinem regulären Ende 2015 laufen lassen?
Eine längere Übergangszeit hätte natürlich auch Vorteile gehabt. Entscheidend für das Unternehmen war aber letztlich, rechtzeitig einen geeigneten Nachfolger für mich zu finden.
Thomas Klapproth ist der Wunschkandidat von Masco. Wollen die Amerikaner einen Mann an die Spitze des Unternehmens setzen, der mehr Erfahrung hat mit Investoren?
Masco ist nicht dazu verpflichtet, seine Entscheidungen zu begründen. Natürlich kommt Klapproth aus einer anderen Ecke als ich. Er hat bei WMF auch die Bereiche Vertrieb und Marketing verantwortet. Das sind Gebiete, die Hansgrohe ausbauen will.
Masco ist seit 1984 an Bord.Wollte der Investor einen Mann auf den Chefsessel setzen, der einen Ausstieg begleiten kann?
Das wäre Spekulation.
Als Kandidat wurde in der Branche der Firmenspross Richard Grohe gehandelt. Warum hat man ihm die Nachfolge nicht zugetraut?
Richard Grohe ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender und wird sich mit seiner langjährigen Erfahrung weiterhin auf Produkte und Innovationen konzentrieren. Das ist der Bereich, dem seine ganze Leidenschaft gilt und der auch künftig von entscheidender strategischer Bedeutung für den Geschäftserfolg von Hansgrohe sein wird.
Darüber hinaus war er aber auch nicht der Wunschkandidat des Investors.
Es gehört von jeher zu den Stärken von Hansgrohe, sich immer wieder zu öffnen und neue Impulse erfolgreich aufzunehmen – sei es bei der Zusammenarbeit mit externen Designern oder eben bei der Besetzung von Spitzenpositionen. Manchmal geht es einem Investor bei einem Chefwechsel auch darum, einen Menschen ins Boot zu holen, der von außen kommt und eine ganz frische Sicht auf das Unternehmen mitbringt.
Weil in Zukunft auch Entscheidungen anstehen, die nicht so einfach umzusetzen sind, wenn man tief in der Firma verwurzelt ist?
Darüber ist mit mir nicht gesprochen worden.
Bis zum regulären Ende Ihres Vertrags werden Sie den Masco-Chef beraten. Eine Verlegenheitslösung, damit Sie aufgeräumt sind?
Nein, aufräumen muss man mich nicht. Es ist ja nicht so, dass ich bei Hansgrohe einen Schutthaufen hinterlassen würde. Wir haben im vergangenen Jahr einen Rekordumsatz von 841,4 Millionen Euro erzielt und den Gewinn von 81 Millionen auf 89,3 Millionen Euro gesteigert. Als es um die Nachfolgeregelung ging, hat mir Keith Allmann diesen Job sehr schnell angeboten, und das nicht nur, um meine Arbeit bei Hansgrohe zu honorieren. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass ich in dieser Beraterfunktion meine Erfahrung insbesondere in der Internationalisierung von Hansgrohe zum Nutzen der gesamten Masco-Unternehmensgruppe weitergebe.
Womit haben Sie das Unternehmen rückblickend am meisten geprägt?
Vor allem durch die Internationalisierung. Als ich 1994 zu Hansgrohe kam, lag der Anteil des Umsatzes, der im Ausland gemacht wurde, bei 20 Prozent. Heute sind es 80 Prozent. Hansgrohe hat unter meiner Leitung Märkte wie Indien und Brasilien erschlossen. Vor allem um China habe ich mich stark gekümmert. Das Land ist heute unser größter Produktionsstandort außerhalb Deutschlands und der zweitwichtigste Absatzmarkt. Viele Mitarbeiter sagen außerdem, dass ich gut zwischen den Anforderungen des US-Investors und den Bedürfnissen der Beschäftigten vermittelt habe. Ein amerikanischer Investor hat manchmal andere Ansichten als ein deutsches Unternehmen, da geht es auch um Investitionen, die den Mitarbeitern zugutekommen. Ich habe bei Hansgrohe eine strategische Planung eingeführt, die es möglich macht, sich an Zielen zu orientieren. Das Unternehmen hat sich unter meiner Ägide nicht nur umsatzstark entwickelt, sondern auch profitabel.
Im vergangenen Jahr sind Sie insbesondere in den USA und China gewachsen. Wird sich das in diesem Jahr fortsetzen?
Ich traue auch Indien und Afrika mittelfristig viel zu. Aber es stimmt, dass wir in China stark sind. Dort wachsen wir beim Umsatz um bis zu zwölf Prozent im Jahr. Und wir sehen noch viel Potenzial, weil viele Städte erst jetzt mit fließendem Wasser ausgestattet werden. In den USA geht es aufwärts, weil sich der Immobilienmarkt wieder erholt hat. Im vergangenen Jahr hat sich dort die Zahl der Baugenehmigungen verdoppelt.
Auch in Deutschland steigt die Eigentümerquote aufgrund der niedrigen Zinsen.
Wir profitieren davon, dass die Deutschen zunehmend auf eigene Immobilien setzen. Dadurch gelingt es uns, die Basis unserer Kunden zu erweitern. Wir sprechen außerdem von einem Verdopplungseffekt, weil unsere Kunden in der Regel nach 15 Jahren ihre Bäder auffrischen wollen und Ersatzbedarf haben.
Was wird Ihnen künftig am meisten fehlen?
Meine Mitarbeiter. Alle zwei Jahre grillt bei uns der Vorstand für die Belegschaft. Letztes Mal haben mir viele Menschen gesagt, dass sie es bedauern, dass wir bald nicht mehr zusammenarbeiten. Ich habe zu Mitarbeitern auf allen Ebenen einen ziemlich guten Draht.
Liegt das an Ihrem sportlichen Hintergrund?
Absolut. Fußball ist ein Mannschaftssport, und so ist es in einem Unternehmen auch. Als Schiri habe ich außerdem gelernt, dass man nicht nur freundliche Worte hört. Und dass es wichtig ist, eine Richtung vorzugeben und zu seiner Entscheidung zu stehen – selbst, wenn sie nicht richtig war.
Was machen Sie künftig mit Ihrer Freizeit?
Ich habe einige Anfragen von mittelständischen Unternehmen, die mich gern in ihrem Aufsichtsrat hätten. Ich werde aber dafür Sorge tragen, dass ich nicht wieder völlig verplant bin. Denn ich will auch noch Zeit fürs Lesen haben und zum Italienisch-Lernen. Außerdem habe ich mir schon lange kein Spiel mehr von den Stuttgarter Kickers angeschaut, bei denen ich früher aktiv war.