Konzentration und gegenseitiges Vertrauen sind bei Cheerleading wichtig Foto: Baumann

Spektakuläre Flugeinlagen, menschliche Pyramiden – Cheerleading ist eine vielseitige Sportart. Sie wurde einst von Männern dominiert, hat sich im Laufe der Jahre aber zu einer weiblichen Domäne entwickelt.

Stuttgart - Es gibt Dinge im Leben, die man sich schwerlich vorstellen kann. George W. Bush als Cheerleader zum Beispiel. Dies ist mitnichten ein Gerücht, sondern die reine Wahrheit. Der 43. Präsident der USA, der sich während seiner Amtszeit gern und oft auf hohem Ross mit Cowboyhut, Jeans und Stiefel auf seiner texanischen Ranch ablichten ließ, hatte in seinen jungen Jahren ein ganz anderes Hobby.

Als Cheerleader feuerte er in seiner Highschool- und Collegezeit die Baseball-Mannschaften an. Vorbilder hatte er in der eigenen Familie, auch sein Vater und Großvater versuchten ihre Teams lautstark zum Sieg zu puschen.

Männliche Cheerleader – das hat in den USA eine lange Tradition. Bereits 1898 begann an der Universität Minnesota das organisierte Anfeuern der Footballer, Baseballer und Basketballer. Frauen waren damals ausgeschlossen. Das hat sich allerdings im Laufe der Jahre radikal geändert. Cheerleading – seit ungefähr 25 Jahren auch als Sportart in Deutschland angekommen – hat sich zu einer weiblichen Domäne gewandelt.

„Nie langweilig, vielseitig und anspruchsvoll“

Eigentlich schade, findet Alexander Malotka. Der 21-Jährige ist derzeit der einzige männliche Cheerleader des Teams „Great Orange Fire“ von den American Footballern Stuttgart Silver Arrows. Als Exot fühlt sich der junge Mann allerdings nicht. „Natürlich haben meine Kumpels gefeixt. Doch die stemmen Gewichte im Fitnesscenter, ich dagegen die Mädels“, erzählt Malotka, der von seiner Sportart begeistert ist: „Nie langweilig, vielseitig und anspruchsvoll.“

Das kann Vanessa Heimann nur unterstreichen. „Cheerleading ist viel mehr, als nur in kurzen Röcken die Puschel zu wedeln“, sagt die Bundeswehrsoldatin. Aus den Darbietungen am Spielfeldrand hat sich eine eigenständige Sportart entwickelt – mit Turnieren und Meisterschaften. Doch immer noch wird Cheerleading hierzulande oftmals belächelt. Zu Unrecht, findet Vanessa Heimann.

Akrobatische Elemente aus Tanz und Bodenturnen, menschliche Pyramiden, spektakuläre Flugeinlagen – das fasziniert die 22-Jährige. So sehr, dass sie dafür viel investiert. Am meisten Zeit. Vanessa Heimann ist in Kempten stationiert. Zum Training in die Turnhalle der Pfaffenwaldschule in Stuttgart-Vaihingen reist sie mit dem Zug an. Wenn es sein muss, drei- bis viermal die Woche. Zweieinhalb Stunden hin, zweieinhalb zurück ins Allgäu. Für Vanessa Heimann ist das aus mehreren Gründen kein Problem: „Der Zusammenhalt ist stark. Wir verstehen uns gut. Ich lebe und liebe diesen Sport. Er ist unglaublich vielfältig.“

Und anstrengend! Zwei bis drei Stunden trainieren die 18 Teammitglieder von „Great Orange Fire“ in der Pfaffenwaldschule. Die Musik dröhnt aus dem CD-Player. Das Trainerduo Angela Schabel (31) und Angela Edwards (34) schickt seine Schützlinge im Alter zwischen 16 bis 31 Jahren erst zum Aufwärmen, es wird gelaufen und gedehnt. Danach geht es an die akrobatischen Elemente.

Die Pyramide: Ein Fehler, und sie stürzt ein

Besonders anspruchsvoll: die menschliche Pyramide. Ein Fehler, und sie stürzt ein. Was durchaus schmerzliche Folgen nach sich ziehen könnte. Daher muss ein Rädchen ins andere greifen, es gilt, mit voller Konzentration zu agieren. „Es muss absolutes Vertrauen zwischen den Sportler herrschen, sonst funktioniert es nicht“, sagt Angela Edwards, die bereits seit zehn Jahren bei Silver Arrows gemeinsam mit Angela Schabel das Sagen hat.

Derzeit steckt das Team „Great Orange Fire“ voll in den Vorbereitungen für die baden-württembergischen Meisterschaften in der Stuttgarter Scharrena. An diesem Sonntag wollen sie eine herausragende Vorstellung abliefern, Höchstleistungen bieten, ans Limit gehen. Der Zuschauer soll davon aber möglichst nichts merken – also immer lächeln, grazil bewegen. „Es soll leicht aussehen, nicht angestrengt, dann ist es perfekt“, sagt Angela Schabel. Punkt 16.07 Uhr ist es so weit. Dann gilt es, die zweieinhalbminütige Choreografie vor der Jury möglichst ohne Fehler hinzuzaubern.

Im letzten Jahr hat dies an gleicher Stelle nicht ganz geklappt. Platz fünf war eine kleine Enttäuschung. „Wir sind gut vorbereitet und zuversichtlich, dass wir zulegen können“, sagt Angela Edwards. An Unterstützung beim Heimspiel mangelt es sicher nicht. Die „Great Orange Fire“ werden lautstark angefeuert. Na, von wem wohl? Von den kernigen Kerlen der Silver Arrows.