Der Sensor des Start-ups Ambiotex lässt sich an einem Laufshirt befestigen. Der Sensor überträgt in Echtzeit Daten wie die Atemfrequenz an eine Smartphone-App. Foto: dpa

Auf der Cebit in Hannover zeigen Existenzgründer, wie Industriegiganten von ihren Ideen profitieren können. Darunter sind auch drei Start-ups aus dem Südwesten.

Hannover/Stuttgart - Stefan Bader ist begeistert: „Die Massen strömen zu uns. Hier kommen Investoren, mögliche Geschäftspartner, Politiker und Journalisten. Die Aufmerksamkeit für unser Start-up ist riesig. So viele Leute treffen wir sonst nie.“ Bader stammt aus Rottweil und hat es mit seiner Smartphone-App Parkpocket, die Autofahrer zu den freien Plätzen in Parkhäusern lotst, unter die letzten zehn des Existenzgründer-Wettbewerbs CODE_n geschafft – mehr als 400 Firmen aus aller Welt hatten sich beworben. Ulrich Dietz, Chef der Stuttgarter IT-Schmiede GFT, hat den Wettbewerb 2012 gegründet und mit ihm die Cebit in Hannover aufgemischt. Bei den Ausstellungstischen der jungen Existentgründer schauen auch gerne Industrieunternehmer vorbei, die sich frische Impulse für ihre Geschäfte versprechen.

Das freut auch Dietz, der die Lücke zwischen Industrie und Existenzgründern schließen will – denn diese sei gerade im Südwesten der Republik noch zu groß. „Existenzgründer sollten sich noch viel stärker auf die Unternehmen aus Maschinen- und Automobilbau konzentrieren. Diese wiederum würden von neuen Impulsen profitieren“, sagt Dietz. „Wir müssen den unschätzbaren Vorteil in unserer Region viel stärker nutzen, um international weiterhin erfolgreich zu sein.“ Für Dietz mangelt es den Existenzgründern in Baden-Württemberg allerdings zu oft noch an Wagemut. „Start-up-Unternehmer in den USA, Israel und China denken unbefangener und größer als jene im Südwesten. Wer größer denkt, schafft oft auch Größeres“, sagt Dietz.

Der Mannheimer Johannes Britsch hat den Schritt gewagt. Mit seiner Firma contagt bietet er großen Unternehmen ein Navi für das Smartphone an, mit dem die Besucher auch in Innenräumen schnell ans Ziel finden. Auch der 30-Jährige sieht die Chancen für Jungunternehmer im Land – aber auch das Potenzial, das Baden-Württemberg noch verspiele. „Uns fehlt die Entwicklung über die Städte hinweg. Man könnte mit Mannheim, Karlsruhe, Pforzheim und Stuttgart ein Cluster bilden, bei dem jede Stadt ihre Kompetenzen nutzt. Wir könnten dem Silicon Valley Vernetzung entgegensetzen. In Mannheim sind zum Beispiel die Betriebswirtschaftler stark, in Karlsruhe gibt es hervorragende Ingenieure.“

Ähnlich argumentiert auch der Bundesverband IT-Mittelstand. Gerade kleine Unternehmen müssten sich wirtschaftlich und technologisch vernetzen und eine deutsche Antwort auf die Dominanz des Silicon Valley geben. „Sonst entgehen dem IT-Mittelstand Gewinne durch fehlende Internationalisierung und ausbleibende Teilnahme an Großprojekten“, kritisiert Präsident Oliver Grün.

Der Südwesten muss sich am Ende Berlin geschlagen geben

In Berlin bietet man dem Silicon Valley bereits die Stirn – zumindest was den Wettbewerb betrifft. relayr trägt mit der „WunderBar“ am Mittwochabend den Sieg davon. Das Produkt sieht aus wie eine Tafel Schokolade, besteht aber aus Sensoren. Mit ihnen lassen sich zum Beispiel Temperatur, Feuchtigkeit und Bewegung messen – und Stück für Stück an Zimmerwand oder Fahrrad befestigen. Softwareentwickler seien so in der Lage, ohne Kenntnisse von Elektrotechnik Anwendungen für Smartphones zu entwickeln, die auf Messdaten zugreifen und diese analysieren, lobt die Jury. – Auch wenn sich die drei Start-ups aus dem Südwesten Berlin geschlagen geben müssen – Britsch nimmt es locker. „Start-ups aus Berlin orientieren sich ohnehin nach Baden-Württemberg, weil sie ihre Produkte auch verkaufen wollen.“

Mannheimer App navigiert auch in Gebäuden

Viele Menschen haben ihr Navigationss

Bei contagt kann man auch in Gebäuden navigieren Foto: contagt

ystem immer dabei. Sie nutzen es für die Autofahrt oder als Fußgänger, um Shopping-Center oder Kundenadresse zu finden. Meist gibt eine Smartphone-App den Weg vor, während das GPS-Signal den eigenen Standort anzeigt. Das Problem: Im Bürogebäude oder in Einkaufszentrum selbst ist das GPS-Signal nicht zu empfangen. Die Mannheimer Firma contagt lotst die Besucher dennoch zum Ziel. „Mit uns finden Sie auch in Gebäuden den Weg – und das auf den Meter genau“, sagt contagt-Chef Johannes Britsch.

Der Besucher tippt kurz mit seinem Smartphone an einen Funkchip am Gebäudeeingang. Automatisch wird eine App heruntergeladen und auf der digitalen Karte der eigene Standort angezeigt. Mit Hilfe des Bewegungssensors, der in aktuellen Smartphones eingebaut ist, lässt sich auch über Stockwerke hinweg navigieren. contagt nutzt dafür unter anderem Funksignale wie Bluetooth und WLAN im Gebäude – und wurde für die intelligent kombinierte Technik bereits mehrfach ausgezeichnet.

2013 wurde contagt gegründet. Die ersten Kunden nutzen die sogenannte Indoor-Navigation bereits in Firmengebäuden. In einem Mannheimer Parkhaus können Autofahrer mit ihrer Hilfe das Auto wiederfinden. Und auch Kaufhäuser seien bereits interessiert, betont Britsch.

Im Kampf mit Internetgiganten wie Google, die ebenfalls Navigationsdienste bieten, gibt er sich optimistisch: „Unser System ist einmalig. Außerdem werden die Bewegungsdaten strikt anonymisiert und nicht kommerziell ausgewertet, wie Google es tut.“

T-Shirt aus Mainz macht Sportler fit

Das Fitness-Shirt von Ambiotex misst selbst die Herzfrequenzvariabilität Foto: Ambiotex

Computeruhren und Fitnessarmbänder, die Puls und Blutdruck messen, liegen bei den Herstellern im Trend. Das Mainzer Unternehmen Ambiotex arbeitet an der nächsten Generation der Gesundheitstechnik zum Tragen. Das Fitness-Shirt „ambiotex“ misst dank eingearbeiteter Sensoren auch die sogenannte Herzfrequenzvariabilität. „Und das mit medizinischer Präzision“, wie Marketingleiterin Anastasija Brandt betont. Was kompliziert klingt, ist für Sportler wichtig. Durch die Auswertung der Daten via Smartphone können sie die individuelle anaerobe Schwelle bestimmen – also die höchstmögliche Belastungsintensität. Das sei einfacher und günstiger als der entsprechende Laktattest, sagt Brandt.

Das 2013 gegründet Unternehmen hat aber nicht nur Sportler im Visier. Das Shirt, das zusammen mit dem Fraunhofer-Institut IIS entwickelt wurde, solle auch in Bereichen wie Militär, Bauarbeiten, Feuerwehr oder Bergbau getragen werden. Die Auswertung der Vitaldaten könnten übermäßigen Stress anzeigen. Ambiotex drängt auch in den Gesundheitsbereich. Mit der intelligenten Kleidung könnten Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt aus der Ferne überwacht werden. Die Gesundheitsdaten würden dann über das Internet an die Klinik gesandt und bei kritischen Werten würde automatisch ein Alarm ausgelöst.

Seite 4: App aus Rottweil findet den Parkplatz

App aus Rottweil findet den Parkplatz

Die Smartphone-App von Parkpocket weist den Weg zum freien Parkplatz Foto: Parkpocket.com

Wer auf Parkplatzsuche durch die Stuttgarter Innenstadt fährt, ist oft der Verzweiflung nahe. Die Suche kostet nicht nur Zeit, sondern erhöht auch das Verkehrsaufkommen, was wiederum anderen Autofahrern wertvolle Minuten raubt. Das Unternehmen Parkpocket.com, von dem Rottweiler Geschwisterpaar Stefan und Karoline Bader gegründet, verspricht zumindest Linderung. Parkpocket bietet seit diesem Monat eine gleichnamige Smartphone-App für größere deutsche Städte an, mit der sich das nächste Parkhaus finden lässt – und auch der kürzeste Weg dorthin. Einen Vergleich der Parkgebühren gibt es obendrauf. „Wir zeigen zuverlässig in Echtzeit, wo es freie Plätze in Parkhäusern gibt – das bieten andere nicht“, betont Geschäftsführer Stefan Bader.

Seit einigen Tagen lässt sich die App kostenlos aus den Internet-Shops von Google und Apple herunterladen. Für die Echtzeit-Analyse beziehe man die Daten der Parkhausbetreiber und Leitsysteme der Kommunen mit ein. Künftig soll das nicht nur für die Großstädte funktionieren, verspricht Bader. Das Unternehmen ist vor kurzem nach München umgesiedelt. Dort stellt Telefónica Geld, Büros und Kontakte zur Verfügung – Parkpocket gibt dafür knapp zehn Prozent der Unternehmensanteile ab. Für Bader ein gutes Geschäft: „Davon profitieren wir alle.“