Die Landes-CDU liegt in den aktuellen Umfragen gleichauf mit den Grünen. Spitzenkandidat Guido Wolf bleibt nichts anderes übrig, als in der heißen Phase dennoch Optimismus zu verbreiten. Funktioniert das?

Stuttgart - Kurz vor dem Umdrehen überlegt Guido Wolf es sich doch noch mal anders. „Ich kauf’ jetzt noch ein paar Wiebele“, ruft er und steuert mit schnellen Schritten durch den Schneeregen, hinein ins Café Schön in Sigmaringen.

Dort habe er in seiner Zeit als Richter am Sigmaringer Verwaltungsgericht gerne mal reingeschaut, erzählt er einem kleinen Tross von Journalisten und ehemaligen Weggefährten. „Hallo, Herr Wolf!“, ruft drinnen der Bäckermeister. Man unterhält sich kurz über das Wetter, die Kameras klicken: Zum Abschluss des Tages ist das Bild von Guido Wolf im Kasten – bürgernah mit zwei Tütchen Wiebele in der Hand. Das sieht besser aus als Guido Wolf unterm Regenschirm.

„Lebensstationen“ nennt sich die Wahlkampffahrt an diesem grau verhangenen Montag. Doch hier geht es nicht nur um nette Anekdoten und persönliche Begegnungen. Nicht einmal mehr zwei Wochen sind es bis zur Landtagswahl, die Umfragewerte der CDU sind auf 30 Prozent abgerutscht: Da heißt es kämpfen statt plaudern.

Der CDU-Wahlkampfbus, beklebt mit überlebensgroßen Konterfeis des CDU-Spitzenkandidaten und der Mitmach-Botschaft #WirFürGuido, startet am Morgen in Stuttgart. Die christdemokratische Jugend, die unter diesem Stichwort in den sozialen Netzwerken fleißig Werbung macht, ist schon an Bord: Adrett frisierte Mitglieder der Jungen Union (JU) verteilen Kaffee und Brezeln. Sie tragen knallorange Pullis mit der Aufschrift „Team Wolf“.

Aus der Kampagne der Jungen hält Wolf sich offiziell heraus

Vor allem in den Ballungsräumen und Universitätsstädten hat die CDU ein Image-Problem: zu konservativ, zu verstaubt, gefühlt ein Club der alten Herren. Sehen die Jüngeren in Guido Wolf den richtigen Kandidaten, um das zu ändern? „Ja, ich finde schon“, sagt einer der jungen Begleiter. „Bei mir im Bekanntenkreis kommt er gut an.“

Allerdings müsse noch einiges getan werden. Die JU startet deshalb auf den letzten Metern eine Kampagne, die Winfried Kretschmann zur Zielscheibe erkoren hat.

„Entzaubern“ wolle man den Grünen: Kretschmanns Aussagen beispielsweise in der Flüchtlings- und Bildungspolitik seien widersprüchlich, „da sollen die Leute noch mal zum Nachdenken gebracht werden“.

Guido Wolf steigt erst in Nürtingen zu, er kommt direkt aus seinem Wohnort Tuttlingen. Was meint er zu dem Angriff der Jungen Union auf den bei den Bürgern beliebten Kretschmann? Birgt das nicht ein gewisses Risiko? „Die Jugend spricht eine andere Sprache“, sagt Wolf. Die Plakate habe er sich nicht vorab zeigen lassen: „Die können machen, was sie wollen.“

Der Bus erreicht in Nürtingen, wo Wolf 1996 zum Bürgermeister gewählt wurde, Station 1 von 3. Doch er hält nicht am Rathaus, sondern bei der Bau- und Wohnungsgenossenschaft Siedlungsbau Neckar Fils eG. Kleine Töpfchen mit Primeln stehen auf den Tischen im Konferenzraum, an den Wänden hängen Baupläne. Statt Schwänken aus dem Bürgermeisterleben des Guido Wolf steht der Themenkomplex Wohnungsbau in Nürtingen auf der Agenda. „Wohnen darf im Land der ‚Häusle-Bauer‘ kein Luxus sein“ ist ein vierseitiges Papier überschrieben, das ausgeteilt und in dem Kreis ausgesuchter Herren diskutiert wird. Gemeinsam mit dem Stuttgarter Ex-OB Wolfgang Schuster wird die Vision einer Initiative mit Vertretern aus Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Kommunen, Bausparkassen und anderen vorgestellt.

Die Redner beklagen eine Erosion des Mittelstandes, immer wieder fallen beim Thema Wohnungsbau die Stichworte „sozial“ und „ökologisch“. Vor allem aber: „bürokratische Hürden“. Da lebt Guido Wolf auf, verweist auf seine kommunalpolitische Erfahrung. „Bei den Verordnungen und Vorschriften muss entrümpelt werden“, erklärt er mit energischer Stimme.

Kommunalpolitische Erfahrung als Trumpf?

Guido Wolf will zum Trumpf machen, was ihm medial oft als Nachteil im Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten ausgelegt wurde: Zu dem eher schmächtigen Mann mit Stupsnase und Hornbrille, der in seiner Freizeit gern reitet und in schwäbischer Mundart dichtet, passe die Rolle des Kommunalpolitikers besser als die des Staatsmannes, sagt man. Hier aber sollen die Kompetenzen eines langgedienten Kommunalpolitikers für sich sprechen.

Anderthalb Stunden später, im Berufsförderungszentrum (BFZ) Tuttlingen-Möhringen, ist es wieder ein soziales Thema, das Guido Wolf in den Vordergrund stellt: 2002 wurde er im Landkreis Tuttlingen-Donaueschingen zum Landrat gewählt. Im Rahmen der Initiative „0 % Jugendarbeitslosigkeit“ war er Mitinitiator eines Lehrganges für langzeitarbeitslose Jugendliche am BFZ. Auf einem Rundgang durch die Werkstätten lässt er sich von einem Flüchtling aus Syrien und einem jungen Mann mit grün gefärbtem Haar deren Arbeit erklären. Interessiert begutachtet er eine Brutstätte für Steinkäuze, die hier gefertigt wird. „Und, macht’s Freude?“, will er wissen. Noch ein Plausch mit den Mitarbeitern, der Sozialdezernent schaut auch noch vorbei. Weiter geht’s.

Letzte Station ist Sigmaringen, ein Stadtspaziergang mit dem Bürgermeister steht hier auf dem Programm. Gut zwei Jahre, von 1992 bis 1994, war Guido Wolf Richter am dortigen Verwaltungsgericht: „Da ist man komplett unabhängig. Von dem her war das vielleicht meine schönste Zeit“, sagt er.

Nach Ablauf der zwei Jahre wurde Wolf zum Richter auf Lebenszeit ernannt – zwei Monate später kündigte er und ging als Referatsleiter in die Grundsatzabteilung des Staatsministeriums in Stuttgart. Warum?

„Ja, das haben damals viele gefragt“, sagt Wolf. Er sei eben ein Mensch, der selbst gestalten wolle. „Als Richter handelt man doch immer nur in der Rückschau.“

Die Temperaturen sind mittlerweile unter null Grad gesunken, im Schneeregen sind Sigmaringens Straßen am Nachmittag verwaist. Der SWR hat ein Kamerateam vorbeigeschickt, vor dem Café Schön soll sich Wolf kurz zu Angela Merkels Auftritt am Abend zuvor bei Anne Will äußern. „Sind Kretschmann und Merkel das neue Traumpaar?“, fragt der Reporter. Wolf lässt sich zu keiner Gefühlsregung hinreißen, in knappen Sätzen weist er die Frage zurück: „An solchen Spekulationen will ich mich nicht beteiligen.“ Und ja, natürlich fühle er sich von der Kanzlerin voll und ganz unterstützt. Die Flüchtlingspolitik kommt beim Besuch seiner Lebensstationen nur am Rande vor. Nach breiter Kritik an der gemeinsamen Erklärung mit der rheinland-pfälzischen CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner, in der sich die beiden in Teilen von Merkels Asylpolitik abwandten, ist das Thema für Wolf noch heikler geworden.

Beim letzten Halt vor dem Sigmaringer Verwaltungsgericht gibt Guido Wolf dafür noch einen kleinen Schwank aus der Vergangenheit zum Besten. Es geht um einen Mann, der sich gegen einen Hundesteuerbescheid wehrte. Er führe lediglich die Hunde von Nachbarn spazieren, behauptete er. Wolf habe als Richter kurzerhand sämtliche dieser Nachbarn samt Hunden geladen und die Vierbeiner den jeweiligen Zweibeinern zugeordnet. Der Herr sei am Ende tatsächlich ohne Hund und somit ohne Hundesteuerbescheid geblieben.

Die Geschichte kommt an, Wolf fällt in das Lachen der Umstehenden ein. Es ist ein kurzer, gelöster Moment, wie man ihn sich öfter an diesem Tag gewünscht hätte. Doch die Zeit drängt.

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