Mit Infografik - Die jüngsten Landtagswahlen zeigen: Die politische Landschaft scheint anno 2014 im Umbruch –  Koalitionsoptionen verringern sich – Etabliert sich die AfD wie einst Grüne und Linke?

Berlin - Wendepunkte in der Parteiengeschichte gab es schon einige, mal waren es neue Programme, dann neue Koalitionsmodelle – Die jüngsten Landtagswahlen zeigen: Die politische Landschaft scheint anno 2014 im Umbruch –  Koalitionsoptionen verringern sich – Etabliert sich die AfD wie einst Grüne und Linke? Wird das Gelb der FDP durch das Blau der  AfD dauerhaft ausgetauscht?

Bundestagswahl Sonntagsfrage

SPD Linke CDU

Farbspiel Rot-Rot-Grün

Die Linke ist bis heute vor allem in Ostdeutschland stark. So auch bei den jüngsten Landtagswahlen. In Thüringen könnte es nach langer Zeit mal wieder zu einem Linksbündnis kommen – und zwar erstmals zu Rot-Rot-Grün, also einer Zusammenarbeit von Linken, SPD und Grünen, mit dem Linke-Politiker Bodo Ramelow als Ministerpräsident. Bisher regierte ein schwarz-rotes Bündnis aus CDU und SPD.

Was dafür spricht: Für die Grünen läge der Reiz eines solchen Bündnisses in Thüringen im Bundesrat. Hier hätten die Länder mit grüner Beteiligung weiter eine Mehrheit. Die Parteien, die im Bund die Opposition stellen, würden die Länderkammer dominieren. Sie könnten Gesetze einbringen, blockieren oder Änderungen durchsetzen. Auch die Aufarbeitung der Terrorserie des rechtsextremen NSU könnte durch ein rot-rot-grünes Bündnis in Thüringen neuen Schwung erhalten.

Was dagegen spricht: Dreier-Bündnisse gelten als sehr instabil. Eine solche Konstellation in Thüringen hätte gar nur eine Stimme Vorsprung. Vorzeitige Neuwahlen sind bei einer solchen Koalition nicht auszuschließen. Der in diesem Bündnis als Ministerpräsident gehandelte Linke Bodo Ramelow hat außerdem keine Regierungserfahrung. Die Union in der schwarz-roten Bundesregierung könnte es zusätzlich als unfreundlichen Akt empfinden, wenn die SPD mit der Opposition in Thüringen eine Koalition eingeht und eine CDU/CSU/SPD-Mehrheit im Bundesrat dadurch verhindert.

Als Signal für den Bund würde so eine solche Konstellation kaum taugen. Die Außenpolitik gilt weiter als Haupthindernis, eine Annäherung ist nicht in Sicht. Die Linke fordert in ihrem Grundsatzprogramm zum Beispiel die Abschaffung der Nato und ein neues Verteidigungsbündnis unter Einbeziehung Russlands. Angesichts der Ukraine-Krise scheint das unrealistischer denn je. Auch das kategorische Nein der Linken zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr wackelt nicht – selbst wenn es bei der Abstimmung über den Schutz der Chemiewaffen-Vernichtung im Mittelmeer im Bundestag erstmals einige Ja-Stimmen gab. Ein Kurswechsel in dieser zentralen Frage hat das Potenzial, die Partei zu spalten. Auch aus diesem Grund sträubt sich die Linke bisher, diese Debatte zu führen.

CDU SPD

Farbspiel Schwarz-Rot

1966 war es. Da ging die Union mit der SPD die erste große Koalition ein. Heute gibt es so viele schwarz-rote oder rot-schwarze Länderbündnisse im Bundesrat wie noch nie zuvor in der bundesrepublikanischen Geschichte. Eine große Koalition bedeutet häufig eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners statt großer Reform. In Krisenzeiten aber bieten sie auch nötige Stabilität.

Fakt ist: Die Union hat ihren langjährigen Partner, die FDP, vorerst verloren. Durch das Erstarken der AfD entsteht eine Lage, die Koalitionsmehrheiten für Union und Grüne schwieriger macht. Dann bleibt der Union nur die SPD, die ihrerseits die Sorge umtreibt, wo sie eine Machtperspektive hat. In Brandenburg regierte bisher die SPD mit der Linken, also zweimal Rot. Mit dem Ziel, keine neuen Schulden anzuhäufen, sind beide Parteien am Dienstag in die zweite Runde ihrer Koalitionsverhandlungen gestartet. Es wäre aber auch Rot-Schwarz möglich. Auch in Thüringen könnte es eine große Koalition geben. In Sachen wurde vergangene Woche beschlossen, bis zum 8. November die Koalitionsverhandlungen abzuschließen und auch hier die kommenden fünf Jahre mit schwarz-rot zu regieren.

Was dafür spricht: In Thüringen kennen sich beide Fraktionen und haben zumindest in den ersten Jahren der vorherigen Legislatur gut zusammengearbeitet. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) ist in Thüringen recht anerkannt. Eine solche Regierung könnte relativ zeitnah ihre Arbeit aufnehmen. So muss noch in diesem Jahr der Doppelhaushalt eingebracht werden.

Auch im Bund gibt es derzeit eine große Koalition. Hier könnte sich die Zusammenarbeit vertiefen.

Was dagegen spricht: Die SPD ist als Juniorpartner einer schwarz-roten Regierung angeschlagen. In Thüringen würde eine solche Koalition mit nur einer Stimme Mehrheit zustande kommen – und wäre damit alles andere als stabil. Bereits 2009 wurde die Unions-Politikerin Christine Lieberknecht erst im dritten Wahlgang zur Regierungschefin gewählt. Abweichler gibt es also.

CDU Grüne

Farbspiel Schwarz-Grün

Das Modell schwarz-grün ist noch ein junges, wenig erprobtes. Mitte der 1990er Jahre wurde die Konstellation erstmals zumindest gedanklich in den Bereich des Möglichen gerückt: Junge Nachwuchspolitiker von Union und Grünen trafen sich zu regelmäßigen informellen Gesprächen in einer Bonner Pizzeria – daher der Name „Pizza Connection“.

Was dafür spricht: Nach der gescheiterten ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene in Hamburg (von 2008 bis 2010), hat nun Hessen Anfang dieses Jahres den nächsten Versuch gewagt. Klappt das Experiment, wie es viele im Vorfeld genannt haben, in dem Flächenland, stehen die Chancen auch für eine schwarz-grüne Annäherung im Bund gut. Immerhin galten die Unions-Politiker in Hessen bisher als besonders konservativ – und als die beiden Parteien noch nicht gemeinsam regierten, waren die Grabenkämpfe zwischen schwarz und grün in den Landtagsdebatten fast legendär.

Was dagegen spricht: Nach einem eher langweiligen Wahlkampf wäre die Bildung einer dritten schwarz-grünen Landesregierung in Sachsen ein spannendes Projekt gewesen. Doch im Gegensatz zu Hamburg und Hessen ist die Zeit in Sachsen offensichtlich nicht reif dafür – zumindest noch nicht. Sowohl CDU-Chef und Ministerpräsident Stanislaw Tillich als auch die Grünen-Spitze betonten Ende vergangener Woche ausdrücklich die vielen Gemeinsamkeiten, die bei den Sondierungsgesprächen nach der Wahl deutlich geworden seien. Von einem „Gewinn für die demokratische Kultur“ war die Rede. Allein, Koalitionsverhandlungen will man nicht miteinander führen. Am Donnerstag treffen sich CDU und SPD erneut zu Verhandlungen zusammen.