Eher mühsam brandet der Beifall in der CDU-Parteizentrale auf. Foto: dpa

Die CDU bleibt stärkste Partei. Doch am rechten Rand wächst eine Opposition heran, die sie fürchten muss. Umso mehr, als auchdie CSU in Bayern eine herbe Klatsche bekommt.

Berlin - Um 18 Uhr ist fast die gesamte CDU-Spitze im fünften Stock des Konrad-Adenauer-Hauses versammelt. Als die Prognose zum Ausgang der Bundestagswahl über die Bildschirme im Präsidiumszimmer flimmert, herrscht eine „gedämpfte Stimmung“, wie einer der Anwesenden später berichten wird. Die erste Reaktion von Parteichefin Angela Merkel wird er als „zerknirscht und nachdenklich, aber ruhig und gefasst“ beschreiben.

Die Christdemokraten haben natürlich gewusst, dass der schwarze Balken nach unten zeigen würde. Schließlich reichten nicht einmal die allerbesten Umfragewerte der jüngeren Zeit an das Traumergebnis von 2013 heran, als die Union 41,5 Prozent der Stimmen erhielt. Sind ja nun auch mehr Parteien im Parlament, was das Stück vom Kuchen automatisch kleiner werden lässt. Gedrückt ist die Stimmung in der Parteizentrale aber dann eben doch, als klar wird, wie weit hinab es gegangen ist mit der CDU, nämlich noch einmal deutlich unter die letzten Meinungsforschermeinungen.

Merkel versucht, Zuversicht zu verströmen

So sehen Sieger normalerweise nicht aus. Und doch versucht Merkel bei ihrem offiziellen Auftritt im Atrium des Adenauer-Hauses zu betonen, dass die strategischen Wahlziele erreicht wurden: Die Union stellt auch im nächsten Bundestag die mit Abstand stärkste Fraktion, hat damit vom Bürger erneut den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten und kann ihre Parteichefin zum vierten Mal ins Kanzleramt schicken. „Gegen uns kann keine Regierung gebildet werden“, sagt Angela Merkel, die sich nun anschickt, Helmut Kohls bundesrepublikanischen Regierungsrekord einzustellen, 16 Jahre wären es am Ende der neuen Legislaturperiode. „Ich hätte mir sicherlich ein etwas besseres Ergebnis gewünscht“, sagt die 63-Jährige also unverdrossen, „es ist aber eines, auf dem sich aufbauen lässt.“ Die erste Frau in diesem Amt wird zum dritten Mal wiedergewählt. Historisch ist das, ohne Frage.

Die Angst vor der AfD war groß

Dass all dies in den Hintergrund treten würde an einem Wahlabend, der die Union als mit Abstand größte Verliererin sieht, haben die CDU-Wahlkämpfer in den vergangenen Wochen und Tagen immer deutlicher gespürt. Da verglich etwa ein Unionist aus Nordrhein-Westfalen seine Eindrücke mit denen vor dem Überraschungssieg seiner Partei im Mai – fand keine Parallelen und sah gar einen „Trend gegen uns“. Schon Stunden vor Schließung der Wahllokale war im Gespräch mit CDU-Wahlkreiskandidaten bereits größte Besorgnis herauszuhören. „Die AfD wird bärenstark“, hieß es da. Am frühen Abend stellt sich heraus: Die Eindrücke täuschten nicht.

Schon knapp unterhalb der Parteispitze fängt es schon an diesem Sonntagabend an zu gären. „Das ist ein sehr enttäuschendes Ergebnis“, sagt der Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth aus Baden-Württemberg. „Wir müssen jetzt analysieren, wie wir uns für die Zukunft besser aufstellen.“ Ein Junger hatte sich schon am Nachmittag aus der Deckung gewagt. Jenovan Krishnan, der Vorsitzende der christdemokratischen Studentenschaft, ist in den vergangenen Wochen wahlkämpfend durchs Land gezogen und hat Leerstellen im eigenen Wahlprogramm ausgemacht: „In der Bildungs- und Flüchtlingspolitik waren die anderen Parteien besser aufgestellt.“

Was macht die CSU?

Die Strategiedebatte, die da in der Union nun kommen wird, schwillt schnell an, bereits zu einem Zeitpunkt, als das amtliche Endergebnis noch Stunden entfernt ist. Mehr als eine Million Stimmen haben CDU und CSU an die AfD verloren, was Reiner Haseloff als Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt zu der Bemerkung veranlasst, solange eine solche Partei rechts der Union exstiere, „haben wir unsere Hausaufgaben nicht vollständig gemacht“. Lebhaft wird diskutiert, was es für die kommenden Monate bedeutet, wenn Schwesterparteichef Horst Seehofer in München vom Schließen der rechten Flanke spricht. Innenminister Thomas de Maizière hielte es für „falsch, nun AfD-Positionen zu übernehmen“. Hinter den Kulissen aber spricht man in der Bundesspitze davon, „dass wir in den Sachfragen, speziell in der Migrationspolitik, die Stimmung in der Bevölkerung stärker berücksichtigen müssen“. Eine Umfragezahl nämlich hat die Union besonders geschmerzt: 89 Prozent der Bundesbürger halten folgenden Satz für richtig: „Die CDU unter Angela Merkel vernachlässigt in der Flüchtlingspolitik die Sorgen der Menschen.“

Die große Koalition ist schnell Geschichte

Angela Merkel verteidigt am Abend noch einmal ihre diesbezüglichen Entscheidungen, sagt aber auch, dass sie „als Kanzlerin immer verantwortlich“ ist und den von der AfD geforderten Untersuchungsausschuss nicht fürchtet. Vor allem aber appelliert sie dafür, sich weniger der Vergangenheit denn der Zukunft des Landes zuzuwenden, da es „verdammt viele Zukunftsprobleme zu lösen“ gebe.

Das erste zu lösende Zukunftsproblem ist die Bildung einer Jamaikakoalition, also ein Bündnis mit Liberalen und Grünen, da die SPD schnell eine Neuauflage der großen Koalition ausgeschlossen hat. Entscheidungen sind am Sonntag noch keine gefallen, wie es heißt, Offenheit dafür gibt es unter den Christdemokraten zuhauf. „In der CDU gibt es niemanden, der Jamaika verhindern will“, sagt EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Und die Schwester in München? „Am Ende“, prophezeit Hans-Gert Pöttering, der Vorsitzende der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung, „wird auch die CSU aus deutschem Staatsinteresse die einzig machbare Koalition namens Jamaika unterstützen.“

Die gestutzte Wahlsiegerin verordnet sich am Abend dennoch eine Wahlparty. Fette Beats bringen die Parteizentrale zum Beben, allerdings nicht annähernd so sehr wie das Ergebnis Stunden zuvor. Sogar Angela Merkel feiert mit. Aus Trotz?