Wolfgang Reinhart Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Wolfgang Reinhart, kritisiert das Vorgehen der AfD im Parlament. Deren Antrag, in Baden-Württemberg die Vollverschleierung zu verbieten, will er nicht mittragen.

Stuttgart - Die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag will die Vollverschleierung im öffentlichen Raum komplett verbieten lassen. Mit ihren zwei an sich zerstrittenen Fraktionen versucht die Alternative für Deutschland gleichzeitig, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der linksextremistische Umtriebe in Baden-Württemberg aufklären soll. Beide Vorhaben will der CDU-Fraktionschef im Landtag, Wolfgang Reinhart, verhindern. Er gibt im Interview aber auch Empfehlungen ab, wie Angela Merkel der AfD besser Paroli bieten könnte.

Herr Reinhart, die AfD könnte am kommenden Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern über zwanzig Prozent der Stimmen bekommen. Wie ernst wird es dann für Angela Merkel?

In Mecklenburg-Vorpommern leben zwei Prozent der Bundesbürger. Deshalb wird das Wahlergebnis keine Erschütterung für Angela Merkel und die CDU bringen.

Die Stärke der AfD resultiert aus einer anhaltenden Unzufriedenheit vieler Bürger über Merkels Flüchtlingspolitik. Kann die Kanzlerin einfach so weitermachen wie bisher?

Der Flüchtlingszustrom ist eine riesige Herausforderung. Wir erleben eine Spaltung Europas, eine Spaltung der deutschen Gesellschaft, aber auch eine Spaltung von CDU und CSU. Es kommt jetzt entscheidend darauf an, die Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Sie wollen ein Gefühl der Sicherheit haben. Durch die Attentate von Paris über Brüssel bis Würzburg sind große Sorgen entstanden. Da müssen die Menschen abgeholt werden.

Und das tut die Kanzlerin nicht?

Angela Merkel hat durch ihren Innenminister in gewisser Weise die Problematik erkannt. Sie sieht es ja auch an den Umfragen, in denen die Menschen sagen: Wir wollen Frau Merkel als Kanzlerin, aber wir wollen auch eine restriktivere Flüchtlingspolitik. Merkel muss hier die entsprechenden Akzente setzen und dabei CDU und CSU zusammen führen.

Soll Merkel also eine Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme definieren, wie es nach der CSU jetzt sogar der SPD-Vorsitzende Gabriel fordert?

Der Begriff „Obergrenze“ hat eher zur Polarisierung, denn zu einer Verbesserung der Situation beigetragen. Deshalb will ich ihn nicht in den Vordergrund stellen. Unsere größte Herausforderung ist jetzt die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft. Hier steht uns die eigentliche Aufgabe erst noch bevor. Da ist es für mich eine Katastrophe, dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Zahl der unbearbeiteten Asylanträge weiterhin ansteigt und nicht kleiner wird. Die Menschen sind ein Jahr lang in einer Warteschleife, in der sie nichts tun können. Das ist ein Unding.

Sie setzen auf Integration, die CSU baut auf das genaue Gegenteil: dass möglichst viele Flüchtlinge so schnell wie möglich das Land wieder verlassen. Was ist denn nun richtig?

Wer keinen Bleibeanspruch hat, der muss gehen. Auch ich sage, dass unsere Abschiebepraxis noch verbesserungswürdig ist. Aber die anderen Flüchtlinge, die einen Aufenthaltsstatus haben, die müssen von uns konstruktiv begleitet und möglichst gut integriert werden. Das hilft auch unserer Wirtschaft. Diese Menschen können später, wenn sie doch zurück in ihre Heimatländer gehen, Botschafter Deutschlands werden. Wir müssen überhaupt die Ursachen von Flucht und Vertreibung stärker als bisher bekämpfen.

„Kein Stoffgefängnis für Frauen“

Die AfD will in Baden-Württemberg die Vollverschleierung im öffentlichen Raum verbieten. Unterstützen Sie diesen Gesetzesvorstoß?

Nur weil die AfD aus Opportunismus auf ein Thema aufspringt, werden wir ihrem Antrag nicht zustimmen. Die CDU will auch, dass die Menschen in einer offenen Gesellschaft ihr Gesicht zeigen. Es kann nicht sein, dass sich Frauen in einem Stoffgefängnis bewegen müssen. Ein Vollverschleierungsverbot hat in Deutschland allerdings verfassungsrechtliche Grenzen. Deshalb unterstütze ich ein Verschleierungsverbot für die Fälle, in denen die Identität eines Menschen festgestellt werden muss: also beim Autofahren, in Behörden oder im Gerichtssaal.

Stellen Sie einen entsprechenden eigenen Antrag im Landtag?

Ich schließe einen solchen Antrag nicht aus.

Die AfD bringt sie im Landtag insgesamt auf Trab. Ihre beiden Fraktionen haben einen Untersuchungsausschuss zu linksextremistischen Umtrieben beantragt. Wird es diesen Ausschuss geben?

Wenn sich die AfD in den kommenden Wochen wieder vereinigt, ist das Thema obsolet. Dann fehlt ihr eine zweite Fraktion. Im Moment könnte sie den Ausschuss beantragen. Wir wollen das aber rechtlich prüfen lassen. Der Minderheitenschutz im Untersuchungsausschussgesetz besagt, dass 25 Prozent der Abgeordneten oder zwei Fraktionen einen Untersuchungsausschuss beantragen können. Der Gedanke dahinter war, dass es sich dabei um zwei Parteien handelt. Ich halte das Verhalten der AfD für widersprüchlich und missbräuchlich. Sie nutzt die Minderheitenrechte schamlos aus. Wir sollten deshalb die Geschäftsordnung des Landtags und das Gesetz über Untersuchungsausschüsse ändern, um Missbrauch für die Zukunft auszuschließen.

„Geheime Nebenabsprachen waren überflüssig“

Mit ihren geheimen Nebenabreden zum Koalitionsvertrag haben Grüne und CDU den Generalverdacht befeuert, dass die etablierten Parteien tricksen und mauscheln. Waren sie ein Fehler?

Aus heutiger Sicht wird man sicherlich sagen: Sie waren überflüssig. Diese Nebenabreden waren Willensbekundungen von Partnern, die sich in den Koalitionsgesprächen zum ersten Mal begegnet sind. Da gab es noch viel Misstrauen. Heute könnte man solche Fragen mündlich besprechen und mit einem Handschlag besiegeln. Aber ich will auch klar sagen: diese Abreden sind keine Gesetzgebung. Die Rechte des Parlaments und seiner Abgeordneten werden dadurch nicht eingeschränkt. Drauf werde ich achten.

Unter den CDU-Ministerpräsidenten war die Landtagsfraktion vor allem Mehrheitsbeschaffer der Regierung. Werden Sie mehr Eigenleben zeigen?

Ja. Das werden Sie beim neuen Haushalt sehen, über den wir demnächst beraten.

Sie haben sich gegen eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer ausgesprochen. Wo würden Sie denn sparen?

Zunächst einmal hat es mich überrascht, dass wir es mit einer Erblast der grün-roten Vorgängerregierung in Höhe von 2,8 Milliarden Euro zu tun haben – und das trotz günstiger Steuereinnahmen. Im Moment gehen alle Prognosen von einem weiteren Einnahmezuwachs aus. Und davon, dass für das Haushaltsjahr 2017 noch über ein Einsparvolumen von 800 Millionen Euro gesprochen werden muss. Ich möchte die November-Steuerschätzung abwarten und die genauen Zahlen haben, welche Vorteile das Land auch durch die derzeitige Niedrigzinsphase hat. Wir wollen auf jeden Fall die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten.