Suttgarter Kunstfigur zwischen Ziggy Stardust und Joy Division: Levin Goes Lightly Foto:  

Levin Goes Lightly macht mit seiner Band bei der Präsentation seines neuen Album „Neo Romantik“ m Schocken klar, wer derzeit Stuttgarts größte Pophoffnung ist

Ein Gedanke kreist um den kleinen Brunnen vor dem Schocken: Wenn alle, die hier draußen im lauen Sommerabend stehen, nachher in den Laden möchten, könnte es ziemlich voll werden. Wollen sie natürlich – und es wird ziemlich voll. In Stuttgart schätzt man seine Lokalmatadoren eben, der Prophet im eigenen Land zählt noch was. Und irgendwie passt die Bezeichnung Prophet auch zu dem jungen Mann, der am Mittwoch um 22 Uhr auf die Bühne tritt, um seine neue CD vorzustellen: Wenn sich Levin Stadler in Levin Goes Lightly verwandelt, ist er Sänger, Musiker, Gesamtkunstwerk.

Der Mann hinter den geschminkten Augen und dem melancholischen Blick hat sich mit Levin Goes Lightly eine Kunstfigur erschaffen. Keine abgedrehte Alien-Variante, wie man sie aus einigen Schaffensphasen Bowies kennt, aber doch geheimnisvoll genug, um ein wenig Unnahbarkeit aufkommen zu lassen. Die passt perfekt zur Musik. Viel Joy Division, ein wenig Depeche Mode, ein Hauch von Suicide schwirrt darin herum – Musik eben, die ebenfalls Kajal trägt und eigentlich vor 30 Jahren populär war, der Soundtrack der selbst ernannten New Romantics. Levin und seine drei Musiker Max Rieger (Die Nerven), Thomas Zehnle (Wolf Mountains) und Paul Schwarz wissen das. Ihre neue CD heißt „Neo Romantic“, und damit ist eigentlich alles gesagt.

Keiner der Jungs war geboren, als sich Ian Curtis das Leben nahm, niemand war beim Aufstieg von Wave, von Post Punk und Gothic dabei. Und doch wird im rappelvollen Schocken klar, dass hier nicht einfach ein paar Typen klingen wollen wie Joy Division, weil sie ja gerade ach so angesagt sind. Levin beginnt das Konzert stehend an der Farsifa-Orgel, die auch durch diese Band schon bald zu reichlich Ruhm gelangen könnte, singt in sich versunken von Freaks, von der Gewalttätigkeit der Stille, lässt wummernde Electro-Beats zum ekstatisch-zappeligen Schlagzeugspiel Riegers ertönen. Mäandernde Bassläufe, verhallende Gitarren, Monotonie als Stilmittel und dazu die beschwörende Stimme dieses charismatischen Sängers erschaffen an diesem Abend tatsächlich einen tiefen Bann, in den die vielleicht 200 Besucher gerne hineinfallen. Es wird getanzt, dabei in bester Shoegaze-Manier auf den Boden geschaut, die Bewegungen sind langsam, wiegend, die Musik ist von melancholischer Kraft, die an nächtliche Straßen, an ferne Großstadtlichter denken lässt.

Mit seinen 25 Jahren hat Levin Goes Lightly sein zweites Album veröffentlicht – ein Album, das bei allem Vergangenheitsbewusstsein beinahe postmodern klingt. „Neo Romantic“, das wird live ebenso klar wie auf Platte, ist sehr wichtig für den 25-Jährigen. Und nicht nur das: Es ist sehr wichtig für die Stuttgarter Musikszene, ja für die deutsche Musiklandschaft generell. Erwachsen aus dem Dunstkreis der Musik- und Kunstszene der Waggons am Nordbahnhof, ist hier etwas entstanden, das nicht weiter von einem Produkt entfernt sein könnte. Ein herrlich anachronistisches und gerade deswegen so wichtiges Künstlerkollektiv, das in den rund 70 Minuten etwas ganz Besonderes kreiert: einen Moment. Einen Moment, in dem man versinken kann. Und danach mit der Vinylversion des neuen Albums (Ehrensache) glückselig in den Abend hinausspaziert.

Levin Goes Lightly hat sich spätestens an diesem Abend als aktuell größte Musikhoffnung Stuttgarts entpuppt. Das hat er auch schon mitbekommen, nimmt es aber mit einem stillen, lakonischen Lächeln hin. Etwas anderes würde aber auch gar nicht zu ihm passen.